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Zu wenig Wissenschaftlerinnen an deutschen Unis
Hochschulverband fordert Ausgleichssemester für Elternzeit

Nur 25 Prozent der Professorenschaft in Deutschland sind weiblich. Das sei deutlich zu wenig, sagte der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, im Dlf. Sein Vorschlag: Die Einführung eines Elternzeit-Ausgleichssemesters zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Hochschulbetrieb.

Bernhard Kempen im Gespräch mit Kate Maleike | 18.05.2018
    Prof. Dr. Bernhard Kempen, Direktor des Instituts für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht an der Universität Köln. Seit 2004 Präsident des Deutschen Hochschulverbandes.
    Die Hochschulen seien gut beraten, alles dafür zu tun, um insbesondere junge Wissenschaftlerinnen in viel höherem Maße in ihren eigenen Personalkörper einzubinden, sagte DHV-Präsident Bernhard Kempen. (imago / Medoti Popow)
    Kate Maleike: Wissenschaft in Deutschland soll weiblicher werden, dieses Ziel hat sich der DHV, der Deutsche Hochschulverband, mit auf seine Fahnen geschrieben, und als Vertretung der Hochschullehrerschaft in Deutschland sozusagen jetzt einen konkreten Vorschlag unterbreitet. Der Verband fordert die Einführung eines sogenannten Elternzeitausgleichssemesters. Professor Bernhard Kempen ist der Präsident des DHV, guten Tag!
    Bernhard Kempen: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Elternzeitausgleichssemester. Das klingt schon mal als Begriff unglaublich sperrig – ist es das auch?
    Kempen: Nein, das ist es überhaupt nicht, aber ich gebe zu, das Wort ist ein bisschen unglücklich. Andererseits ist es sehr präzise, denn es knüpft daran an, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich auf einer Qualifikationsstelle befinden – also auf einer Stelle als Doktorandin oder Doktorand, oder Habilitandin oder Habilitand, oder Juniorprofessor, et cetera –, dass jemand, der sich auf einer solchen Stelle befindet und Elternzeit in Anspruch nimmt, im Anschluss an diese Elternzeit für eine Dauer von ein oder zwei Semestern von der Lehre befreit wird.
    Das gibt dann die Möglichkeit, sich verstärkt wieder mit der Forschung zu beschäftigen und dann das nachzuholen, was in der verstrichenen Zeit sozusagen versäumt wurde, um wieder Anschluss in der Forschung zu finden. Darum geht es, denn wir haben die Beobachtung gemacht, dass das bei vielen unserer jungen Leute ein wirkliches Problem ist, die sagen, wenn ich da draußen bin mit der Elternzeit, dann komme ich später nicht mehr richtig in die Wissenschaft rein.
    Strukturelle Hemmnisse erschweren Frauen das Anstreben von höhren Qualifikationen in der Wissenschaft
    Maleike: Wir haben ja auch in Deutschland sehr lange das Problem gehabt, dass Akademikerinnen wenig Kinder bekommen haben. Dieser Trend scheint sich – zumindest seit dem letzten Jahr hat das das Statistische Bundesamt gemeldet – ein bisschen verändert zu haben. Das heißt, Wissenschaftlerinnen bekommen wieder mehr Kinder.
    Wenn Sie diese Probleme beschreiben, worin sind die genau begründet? Nur, dass man eben nicht da ist, weil man eben Eltern – oder Mutter in dem Fall – ist oder liegt es auch daran, dass die Hochschulen quasi sich dann auch abschotten?
    Kempen: Das ist natürlich ein vielschichtiges Problem, aber fangen wir mal so an: Dass es überhaupt ein Problem ist, das ist ja klar und völlig unbestritten. Wir haben in der Professorenschaft nur 25 Prozent Frauen und das ist deutlich zu wenig, wenn man daran denkt, dass am Studienanfang knapp über 50 Prozent weibliche Studierende sind. Das, dann stimmt irgendwas nicht. Und dann haben wir sehr viel Mühe darauf verwandt, woran liegt das denn, und da gibt es mehrere Ursachen. Selbstverständlich gibt es das auch noch, die chauvinistischen Männerverbünde, ich will das überhaupt nicht ausschließen. Aber ich sage gleich, füge gleich hinzu, das entspricht nicht meiner Wahrnehmung, dass das repräsentativ wäre oder dass das gerade so der Normalfall wäre. Das ist nicht so, sondern das gibt es ausnahmsweise immer noch.
    Was es aber gibt, ist, viele andere strukturelle Hemmnisse, die es Frauen schwer machen, höhere Qualifikationen in der Wissenschaft anzustreben. Und genau da wollen wir ansetzen. Wir wissen, insbesondere von Frauen, aber übrigens auch von Männern, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit als Problem empfunden wird, weil man sagt, ja dann komme ich danach nicht mehr rein, die Forschungsprojekte laufen ja weiter, und wenn ich dann, das hole ich nicht mehr auf.
    Und genau da wollen wir ansetzen und verlangen deswegen, jetzt macht das, dass wir da mehr Zeit wieder haben, um in der Forschung Anschluss zu finden.
    "Es gibt ja erfreulicherweise auch Männer, die Elternzeit nehmen"
    Maleike: Das bedeutet, Sie haben auch die Männer da mit im Blick?
    Kempen: Wir haben da auch die Männer mit im Blick, es gibt ja erfreulicherweise auch Männer, die Elternzeit nehmen, und denen wollen wir es auch leichter machen. Wir wollen damit auch die Zahl der jungen Männer, die Elternzeit in Anspruch nehmen, steigern.
    Maleike: Sie haben diese Idee jetzt auf den Tisch gelegt. Wie geht es denn jetzt dann weiter und wie groß sind die Chancen, dass das auch Wirklichkeit werden kann?
    Kempen: Ich bin da mal ganz optimistisch, dass das so ist, denn Politiker im Bund und in den Ländern übertreffen sich ja geradezu in den Ankündigungen, dass wir mehr tun müssen für die Kompatibilität von Familie und Beruf. Und hier hätten wir eine Möglichkeit, auf eine sehr einfache und elegante Weise genau das herzustellen, nämlich, dass wir für die jungen Mütter, aber auch die jungen Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen, dass die dann eine sozusagen Wiedereinstiegshilfe bekommen, wenn sie in der Wissenschaft weitermachen wollen.
    "Die Summen werden überschaubar bleiben"
    Maleike: An anderer Stelle, wenn wir miteinander sprechen, dann reden Sie immer über das Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Professoren, das so enorm angestiegen ist und das es so schwierig macht, tatsächlich eben auch eine gute Lehre auf die Beine zu stellen. Wenn Sie jetzt Ausgleichssemester fordern beim Lehrpersonal sozusagen, verschlimmern Sie da nicht auch ein bisschen Ihre Situation?
    Kempen: Ja, Sie haben schon recht. Tatsächlich muss ja der Lehrausfall, der jetzt entsteht durch das Elternzeitausgleichssemester, dieser Lehrausfall muss nun auch wiederum irgendwie ausgeglichen werden. Und das bedeutet, wir müssen durch Lehrbeauftragte oder auch durch zeitlich befristete, andere zeitlich befristete Lehrpositionen dafür sorgen, dass der Lehrbetrieb weitergeht. Das wird also schon auch etwas Geld kosten. Aber es wird nicht ins Unendliche gehen, die Summen werden überschaubar bleiben, und ich denke, das könnte auch eine lohnende Aufgabe für eine Kooperation von Bund und Ländern sein. Ich habe den Eindruck, dass der Bund da durchaus willig ist.
    Maleike: Und die Hochschulen?
    Kempen: Und die Hochschulen werden da mitmachen, weil die Hochschulen gut beraten sind, da alles dafür zu tun, um insbesondere junge Wissenschaftlerinnen in viel höherem Maße in ihren eigenen Personalkörper einzubinden.
    Maleike: Ein Elternzeitausgleichssemester soll die Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft fördern. Einen entsprechenden Vorschlag hat zumindest jetzt der Deutsche Hochschulverband auf den Tisch gelegt, und der DHV-Präsident Bernhard Kempen hat uns erklärt, was genau geplant ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.