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Zuckerberg-Ankündigung
"Hauptsache, dass es gemeinnützigen Zwecken zugutekommt"

99 Prozent ihrer Facebook-Aktien will das Ehepaar Zuckerberg für wohltätige Zwecke spenden. Noch handele es sich um eine reine Ankündigung, gab Hans Fleisch, der Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, im DLF zu bedenken. Das Vorbild sei allerdings wichtig: Er hoffe, dass in der Generation der wohlhabenden Erben die stiftende Tätigkeit zunehme.

Hans Fleisch im Gespräch mit Peter Kapern | 02.12.2015
    Facebook-Gründer Mark Zuckerberg beim Mobile World Congress in Barcelona 2014
    Facebook-Gründer Mark Zuckerberg beim Mobile World Congress in Barcelona 2014 (picture alliance / dpa / Alberto Estevez)
    Peter Kapern: Ja, ja, es gibt an diesen Neureichen durchaus etwas, das mit Skepsis oder gar Argwohn betrachtet werden kann: Etwa die geballte Macht, über die ihre Konzerne verfügen, zum Beispiel Microsoft und Facebook, oder auch die Tatsache, dass sie Milliarden angehäuft haben, ohne jemals etwas Konkretes erdacht, erfunden oder hergestellt zu haben, wie etwa Warren Buffett, der immer nur das Geld anderer Leute an die richtige, sprich an die lukrativste Stelle verfrachtet hat. Und doch: All die Genannten haben etwas Staunenswertes gemacht. Sie haben ihr Vermögen hergegeben, damit Gutes damit angerichtet wird.
    Bill Gates, der Gründer des Microsoft-Konzerns, investiert mit seinen Milliarden in die Gesundheitsversorgung armer Länder. Er will zum Beispiel die Malaria vollständig ausrotten. Warren Buffett, die Investment-Legende, hat sein Vermögen auch in die Gates-Stiftung eingebracht. Und jetzt hat Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, nachgezogen. Er und seine Frau Priscilla sind gerade Eltern geworden, Max heißt die schnuckelige Tochter, und die wurde auf Erden mit der Ankündigung ihrer Eltern begrüßt, dass die 99 Prozent ihres Vermögens für wohltätige Zwecke spenden wollen. 99 Prozent, das sind über den Daumen gepeilt 45 Milliarden Dollar.
    Der Screenshot zeigt neben Text ein Bild der beiden Eltern, die ihre neugeborene Tochter anlächeln.
    Screenshot der Facebook-Anzeige, mit der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und seine Frau Priscilla Chan die Geburt ihrer Tochter Max sowie eine Milliardenspende bekanntgeben. (Facebook)
    Bei uns ist jetzt am Telefon Hans Fleisch, der Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Guten Tag!
    Hans Fleisch: Guten Tag, Herr Kapern.
    Kapern: Herr Fleisch, was denken Sie, wie die Mehrheit der Deutschen auf diese Nachricht über die Vermögensstiftung von Mark Zuckerberg und seiner Frau Priscilla reagiert? Mit Anerkennung oder mit Skepsis?
    Fleisch: Mit beidem. Ich denke, zunächst einmal ist es ja eine weitere Ankündigung von Mark Zuckerberg. Er hat ja das Geld noch nicht gegeben. Und er hatte ja schon vor einiger Zeit angekündigt, im Zusammenhang mit dieser sogenannten Giving Pledge, dass er ein Großteil seines Vermögens spenden oder stiften werde. Das hat er jetzt konkretisiert, aber er hat es ja noch nicht gemacht in größerem Umfang. Insofern ist es nur eine weitere Ankündigung, und in Deutschland wird vor allem gewertschätzt, wenn Leute nicht nur ankündigen, sondern wenn sie es dann auch tun.
    Auf der anderen Seite haben wir gerade eine neue Studie, die am 10. Dezember bekanntgegeben wird, zu dem, wie Menschen in Deutschland das Stiften sehen, und insgesamt befürwortet eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung das, dass Menschen, wenn sie Vermögen haben, dieses für Gemeinwohlzwecke stiften.
    Kapern: Sie bemängeln ja gewissermaßen, dass dies bisher nur eine Ankündigung sei. Möglicherweise doch vorstellbar, dass er diese Ankündigung irgendwann zurückzieht und sagt, ich behalte es lieber doch selbst. Oder wie sehen Sie das?
    "Für Bildung, für Chancen, für mehr Forschung"
    Fleisch: Nein, das glaube ich nicht. Ich denke schon, dass das im Laufe der Zeit passieren wird. Er hat ja jetzt auch relativ konkrete Angaben dazu gemacht, wie und wo das Geld ausgegeben werden soll, nach welchen Prinzipien. Das hat sich jetzt schon durchaus konkretisiert. Aber wie gesagt: Es ist sehr viel Ankündigung dabei und ich finde es persönlich natürlich auch etwas sympathischer, wenn man dann tatsächlich die Ankündigung macht in dem Moment, wo man Gelder überträgt, oder sogar erst überträgt und dann die Ankündigung macht. Aber ich denke schon, das wird ein Geldfluss geben, der erheblich ist, und was er dort schreibt, wofür das ausgegeben werden soll, nämlich für Bildung, für Chancen, für mehr Forschung und für mehr langfristiges Unterstützen von Herausforderungen und Lösungen, das ist grundsätzlich positiv und da sieht man auch, dass er dort ganz offensichtlich beraten wurde.
    Kapern: Nun haben wir aber gerade schon die zu erwartenden Einwände gehört, die in den USA mutmaßlich nicht viel anders ausfallen als hier in Deutschland: Beispielsweise der spart damit ja nur Steuern, oder das ist nichts anderes als ein gigantischer PR-Coup, oder der will sich doch nur von seinem Image als größter Schnüffler in der Privatsphäre von Milliarden Menschen reinwaschen. Ist das eigentlich von der Hand zu weisen, wenn solche Einwände kommen?
    Fleisch: Nein, aber es ist ehrlich gesagt. Wenn Sie für Amnesty International spenden und es damit politischen Gefangenen zugutekommt und Sie machen das nur, weil Sie dann besser schlafen können, dann würde ich sagen, okay, das ist kein Problem. Wenn jemand ein Motiv hat, dass das ihm auch immateriell selbst nützt, aber dafür etwas tut für arme Menschen, dann ist das aus meiner Sicht vollkommen in Ordnung.
    Natürlich ist es so, dass jemand, der etwas Gutes tut, ob er nun viel spendet oder wenig, dass der davon in irgendeiner Weise immer auch profitiert. Das Geben für andere gibt einem selbst immer etwas, und sei es nur Freude oder besseres Ansehen. Und ich finde das deshalb auch sehr gut, weil das möglicherweise zusätzlich anspornt, dass Menschen sagen, warum muss ich eigentlich mein Vermögen behalten, kann ich es nicht anderen zur Verfügung stellen. Hauptsache ist, dass es gemeinnützigen Zwecken zugutekommt.
    "Wir brauchen noch mehr Menschen, die stiften"
    Kapern: Aber, Herr Fleisch, lassen Sie mich da einhaken. Funktioniert dieses Kalkül überhaupt? Geht das auf? Ich stifte eine Milliarde und mein Image wird besser?
    Fleisch: In Deutschland nicht. Leider! In Deutschland ist es so, dass erstaunlicherweise, wenn Menschen wirklich erhebliche Summen spenden, das eher skeptisch beäugt wird. Das halte ich wie gesagt für bedauerlich. Ich denke, wir brauchen noch mehr Menschen, die stiften. Es gibt mehr, die sich das leisten können, natürlich nicht in diesen Dimensionen. In Deutschland wird insgesamt viel gespendet und auch nicht wenig gestiftet. Aber es könnte durchaus noch mehr sein. Gerade in der Generation der sehr wohlhabenden Erben hoffe ich, dass im Laufe der Zeit die stiftende Tätigkeit zunehmen wird. Aber dafür ist eine Voraussetzung ein wertschätzendes Klima. Das haben wir in Deutschland - das ergibt sich auch aus dieser Studie - noch nicht in der Weise, wie wir es brauchen.
    Kapern: Warum nicht? Was fehlt den Deutschen da?
    Fleisch: Na ja, es ist einfach unsere Kultur. Es ist sicherlich dort etwas anders. Es ist nicht nur in Deutschland so, in einigen anderen Ländern auch so, dass man letztlich, wenn jemand etwas im großen Stil geben kann, auch ein bisschen beneidet.
    Kapern: Deutschland die Neidgesellschaft?
    Fleisch: Das würde ich so überhaupt nicht insgesamt unterschreiben. Aber es ist einfach so, dass tatsächlich bei denen, die relativ viel geben, immer sofort die Frage nicht kommt, was macht der damit, sondern dient es ihm auch. Es ist ein Misstrauen ein bisschen noch gegenüber den Stiftenden, das können wir messen, und es gilt, dass anhand der Projekte, die großartige Stiftende ermöglichen, dieses Misstrauen auszuräumen. Und wir sehen: Je mehr Menschen Stiftende persönlich kennen und je mehr Projekte von Stiftungen sie kennen, umso besser ist ihr Urteil über das Stiften und die Stifter.
    Kapern: Aber vielleicht liegt das ja auch daran, dass diejenigen Otto Normalverbraucher, die das Ganze mit Skepsis betrachten, wissen, wo das Geld, das da gestiftet wird, herkommt, dass es ihnen vorher abgeknöpft worden ist.
    Fleisch: Na ja. Natürlich haben Leute, die stiften, das Geld entweder geerbt oder selbst verdient. Ich glaube nicht, dass das der Hintergrund ist, sondern wie gesagt, es ist eine Kultur, die Großzügigkeit nicht generell so stark belohnt wie in anderen Kulturen. Aber wenn man die Projekte ansieht, die damit gemacht werden, gibt es eigentlich immer Zustimmung. Wenn man mal sieht, was Bill Gates meinetwegen getan hat in Sachen Malaria, das ist hoch verdienstvoll. Oder wenn man die deutschen Stiftenden sieht, was die im Moment tun, für Bildung zum Beispiel, für Kultur, für auch Flüchtlingsarbeit, das ist ganz herausragend und wird auch von der Bevölkerung so positiv gesehen. Das was hinten rauskommt, wird durchaus ja sehr gewertschätzt.
    Kapern: Hans Fleisch, der Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Fleisch, danke, dass Sie uns das eingeordnet haben, wie Sie die Stiftung von Mark Zuckerberg betrachten. Danke für Ihre Zeit und einen schönen Tag noch.
    Fleisch: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.