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Zünftige Diplomaten-Macher

Eine der kleinsten Unis Deutschlands bringt Jahr für Jahr die meisten Diplomatie-Anwärter für das Auswärtige Amt hervor – die Universität Passau. Wie kommt das?

Von Lars-Haucke Martens | 03.05.2010
    "Die Leute werden rangeführt. Sie haben so viele Möglichkeiten, in diese internationale Politik reinzuschnuppern, sei bei Veranstaltungen, sei es bei politischen Hochschulgruppen, und dann durch die Rahmenbedingungen die wir haben, durch die Internationalität, durch die Fremdsprachenausbildung, sich in die Richtung zu entwickeln."

    Henning Hofmann studiert seit drei Jahren Jura an der Uni Passau. Sein Ziel: Arbeiten im Auswärtigen Amt. Genau darum – und aufgrund des guten Rufes der juristischen Fakultät - ging der Lübecker für sein Studium nach Niederbayern. Der Campus der Uni Passau liegt geradezu idyllisch, direkt am Inn. Weniger als 9000 Studierende lernen hier, weit ab vom großstädtischen Leben. Ein Kulturschock für viele Erstsemester.

    "Von Studierenden des Kulturwirtsstudiengangs wird es sehr oft anekdotenhaft geschildert, wenn sie dann in Passau am Hauptbahnhof aussteigen, dann mit der Ansage am Bahnhof konfrontiert werden, das sie dann sozusagen schon ihre erste Fremdsprache lernen müssen. Und ich denke, wenn jemand aus Berlin kommt oder Hamburg, und sich dann für Passau als Studienstandort entscheidet, dass dann eine Entscheidung von Deutschland nach Bolivien, Kamerun oder Bangladesh zu gehen, auch nicht schwer fällt."

    Sagt Dr. Werner Gamerith, Professor für Geographie an der Universität Passau. Schon den Gründern des Campus war 1978 klar: Dem vermeintlich provinziellen Image des Standorts muss ein attraktives Alleinstellungsmerkmal entgegengesetzt werden. Und das ist heute die besonders starke internationale Ausrichtung der Studiengänge. Inzwischen bestehen Partnerschaften mit mehr als 170 Hochschulen rund um den ganzen Globus. Zehn Prozent der Studierenden in Passau kommen selbst aus dem Ausland. Und dazu gibt es die hier praktizierte fachspezifische Sprachausbildung. Wolfgang Hau, Vizepräsident der Uni Passau und Dekan der juristischen Fakultät:

    "Unsere Lehrer sind halt nicht irgendwelche Sprachlehrer, sondern das sind Juristen. Die sind in ihrem Heimatland komplett durch ein Jura-Studium gelaufen. Und wenn die jetzt hier unterrichten, dann unterrichten die so, wie sie in ihrer Heimat unterrichten. Also ein Engländer legt zum Beispiel viel Wert drauf, das man die Fälle drauf hat. Also das englische Recht ist ja bekanntlich ein Case-Law, also Entscheidungen sind maßgeblich. Und dann weiß ein Passauer Student ziemlich schnell, dass 1912 oder was weiß ich, das und das entschieden wurde. Und dass das aus bestimmten Gründen ganz besonders wichtig ist für einen englischen Juristen."

    Auch auf Polnisch, Russisch oder Chinesisch, in insgesamt neun Fremdsprachen, wird in Passau Jura gelehrt. Die meisten angehenden Diplomaten im Auswärtigen Amt kommen aus genau dieser Fachrichtung. Henning Hofmann erzählt, das er mit seinem Berufsziel zum Studienbeginn nicht alleine da stand:

    "Ein Viertel aller Jura-Anfänger träumen, ins Auswärtige Amt zu gehen, und ich glaube, die Zahl hat immer noch Bestand. Das was ganz schön an der Uni Passau ist, ist, das hier so viele verschiedene Leute einfach vorbeikommen und Vorträge halten. Zum Beispiel der Hohe Gesandte Israels war hier. Oder die afghanische Botschafterin. Und es ist sehr spannend mit denen zu diskutieren, man gewinnt ganz neue Eindrücke, die dann auch wirklich eine Ansichtsweise sehr ändern oder auch mal umwerfen können."

    Der 21-Jährige ist in seinem Leben schon viel rumgekommen. Fünf Jahre lebte er in Indien, je zwei Jahre in Kanada und der Karibik – weil sein Vater dort geschäftlich tätig war. Ein Studium in Passau – die Eintrittskarte in die Botschaften der Welt? Jura-Professor Wolfgang Hau setzt Träumereien ein Ende. Entscheidend seien selbstverständlich auch hervorragende Noten, eine abgerundete Persönlichkeit und überdurchschnittlicher Fleiß. Mitglieder des Passauer Ehemaligenvereins arbeiten heute in den Botschaften in Washington, Kinshasa oder auch im chinesischen Generalkonsulat von Chengdu. Im aktuellen Ausbildungsjahrgang des Auswärtigen Amtes sind wieder 12 Prozent der Teilnehmer Absolventen von hier. Die Uni Passau – also doch ein Diplomaten-Macher? Geografie-Professor Werner Gamerith:

    "Ich denke, dass kann man durchaus so stehen lassen. Dass dieser Standort hier die Studierenden auf eine zukünftige Karriere, die mit vielen Unwägbarkeiten, in fremden Ländern verbunden ist, ein Stück weit vorbereitet. Und der Wert den Sie jetzt genannt haben, das ist natürlich die beste Auszeichnung, die man sich vorstellen kann, und von daher gibt's da keinen Grund, darauf nicht stolz zu sein."