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Zugunglück in Bad Aibling
"Bayern trauert"

Nach dem schweren Zugunglück in Bad Aibling besuchte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gemeinsam mit fast allen Kabinettsmitgliedern die Unglücksstelle. Es sei zu früh für Schlussfolgerungen oder politische Konsequenzen, betonte Seehofer. Auch Oppositionspolitiker von Grünen und SPD legten Blumen nieder.

Von Susanne Lettenbauer | 10.02.2016
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (M) und der SPD-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Markus Rinderspacher (Mitte rechts), stehen am 10.02.2016 in Bad Aibling (Bayern) an der Unglücksstelle des Zugunglücks
    Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer besuchte heute nachmittag gemeinsammit fast allen Kabinettsmitgliedern die Unglücksstelle (picture-alliance / dpa/ Peter Kneffel)
    Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zeigte sich heute Nachmittag in Bad Aibling erneut erschüttert. Man habe jetzt die erste Blackbox untersuchen können. Ein technischer Fehler der modernen Triebwagen des Betreibers Meridian werde immer unwahrscheinlicher:
    "In einer Erstauswertung konnte man feststellen, dass auf dem Teilstück von Kolbermoor nach Bad Aibling, bei dem Zug, der da gefahren ist, sich kein technisches Problem zeigt und wohl auch das Verhalten des Fahrzeugführers in Ordnung war und er die richtigen Signale gesetzt hat. Das gibt aber noch kein Gesamtbild jetzt."
    Noch immer warten die Spezialisten des Eisenbahnbundesamtes auf die dritte Blackbox, die heute aus dem völlig zerstörten Wrack geborgen werden soll. Erst dann könne man ein Gesamtbild erstellen, so Dobrindt. Meldungen, nach denen einer der Züge eine geringe Verspätung aufholen sollte und deshalb auf die Strecke gelassen wurde, trotz entgegenkommendem Zug, wolle man nicht bestätigen. Auch Stimmen, die das Unglück auf den massiven Wettbewerbsdruck schieben sollen, unter dem private Bahnbetreiber stünden sollen in Deutschland, will Dobrindt nicht gelten lassen:
    "Es verbietet sich, jetzt hier solche Analysen anzustellen, wenn man die Gründe nicht kennt für dieses schreckliche Unglück. Da muss man wirklich abwarten."
    Menschliches Versagen als Ursache vermutet
    Da ein technischer Defekt bisher nicht nachgewiesen werden konnte und die Strecke 2011 mit dem Zugsicherungsbeeinflussungssystem ausgerüstet wurde, gehen die Vermutungen einen Tag nach dem Unglück immer stärker in Richtung menschliches Versagen. Der diensthabende Fahrdienstleiter wurde vernommen, ebenso die Überlebenden. Genaueres dazu gibt es nicht. Die Bahnstrecke zwischen Rosenheim und Holzkirchen bleibt auf unbestimmte Zeit gesperrt. Schienenersatzverkehr wurde eingerichtet. Von den Schwerverletzten, die in Kliniken bis nach München, Tirol und Salzburg gebracht wurden, schwebt keiner in Lebensgefahr. Er habe mit Verletzten im Krankenhaus reden können, so ein tief betroffener Horst Seehofer:
    "Für mich war es wichtig, auch die Erfahrung von Betroffenen zu hören, die wissen wie viel Glück sie hatten. So der erste Patient, der wenige Meter hinter dem, leider zu Tode gekommenden, Lokführer saß."
    Zuallerst habe er seine Verbundenheit zum Ausdruck bringen wollen, so Bayerns Ministerpräsident. Bayern trauert. Da wolle er sich nicht an Spekulationen beteiligen. Es sei zu früh, Schlussfolgerungen ziehen zu wollen oder politische Konsequenzen:
    "Wir werden in aller Ruhe überlegen, was wir politisch jetzt noch verändern oder verbessern können. Das machen wir aber ohne Hektik und in aller Ruhe, vor allem in Zusammenarbeit mit den Praktikern vor Ort, nur dann wird Politik immer gut."
    Gegen Abend wird Seehofer noch den Angehörigen der zehn Todesopfer seine Anteilnahme aussprechen. Ein vermutetes elftes Opfer in den Trümmern kann mittlerweile laut Rosenheimer Polizei ausgeschlossen werden.
    Kein parteipolitische Gezänk am Aschermittwoch
    Neben dem CSU-Chef brachten auch Bayerns Oppositionspolitiker geschlossen ihre Trauer zum Ausdruck und legten am Unglücksort Blumen nieder. Mit dabei Grünen-Chefin Claudia Roth, die trotz Aschermittwoch das parteipolitische Gezänk heute ganz außen vor lassen wollte:
    "Das ist kein politisches Statement, sondern das ist eine Trauerbekundung. Ich komme auch aus Bayern, war vor Kurzem hier. Wir haben hier einen sehr schönen Neujahrsempfang gemacht und dann dieses Unglück. Das lässt die politisches Auseinandersetzungen für einen Moment vergessen.
    Heute nachmittag trafen die Bergungsfahrzeuge der Deutschen Bahn vor Ort ein. Mit ihnen sollen die verkeilten Zugteile voneinander getrennt werden. Das dürfte mindestens zwei Tage dauern. Danach gehen die Ermittlungen in die heiße Phase.