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Zukunft der Energieversorgung
Auch die Verfügbarkeit von Strom hat ihren Preis

Umweltorganisationen wie Greenpeace setzen für die Zukunft in der Energieversorgung voll und ganz auf erneuerbare Energien. Der Dachverband der Energie- und Wasserversorger glaubt hingegen, dass fossile Energieträger weiter eine Rolle spielen werden. Auf die Verbraucher kommen auf jeden Fall Veränderungen zu.

Von Philip Banse | 25.11.2015
    Der Prototyp EnerKite EK30, eine mobile Windenergieanlage mit 30 Kilowatt Nennleistung in Form eines Drachens, fliegt auf einem Feld vor einem Windpark bei Husum (Schleswig-Holstein).
    Gehört den Erneuerbaren Energien die Zukunft? (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
    Zentrale und auch für die Lobbyisten der Energiewirtschaft überraschende Erkenntnis: Die 80 befragten Experten, darunter Siemens-Vorstände, Umwelt-Pioniere wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, aber auch Philosophen, Architekten und chinesische Spitzenpolitiker, all diese Experten sehen die Entwicklung in den nächsten 25 Jahren sehr optimistisch. Die Entwicklungsexpertin Tanja Gönner von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit: "Eine deutliche Mehrheit, nämlich über 60 Prozent der Experten glaubt, dass die internationale Gemeinschaft bis 2040 ein Klimaregime mit verbindlichen und ambitionierten Zielen zur Reduktion umgesetzt hat. Also nicht vereinbart, sondern umgesetzt. Das ist als Botschaft gen Paris sehr hilfreich."
    Was aber sind "verbindliche und ambitionierte Reduktionsziele"? Für Umweltorganisationen wie Greenpeace heißt das: Mitte des Jahrhunderts wird keine Energie mehr aus fossilen Energieträgern wie Gas, Öl und vor allem Kohle gewonnen, diese Dekarbonisierung haben sich auch die Industrieländer der G7 ins Protokoll geschrieben. Die erwähnte Greenpeace-Studie geht davon aus, dass in Zeiten ohne Wind und Sonne, der Strom aus Wasserstoff gewonnen wird, der zuvor durch überschüssigen Ökostrom gewonnen wurde. Die Lobbyisten der Energie- und Wasserwirtschaft wollen bis auf Weiteres nicht auf Kohle verzichten. Hildegard Müller, die Chefin des Bundesverbands der deutschen Energie und Wasserwirtschaft, BDEW: "Fossile Kraftwerke bleiben wichtig. Ich will das nur sagen, weil wir trotz aller Innovation, die auch gesehen wird bei Speichern, bei Erneuerbaren et cetera, schon auch weltweit die Notwendigkeit fossiler Kapazitäten positiv gesehen wird."
    Umbau der Energiesysteme wird kommen
    Die Greenpeace-Studie setzt bei der prognostizierten Dekarbonisierung bis Mitte des Jahrhunderts voraus, dass massiv Energie eingespart wird: knapp 18 Prozent weniger Strom als 2012 und ganze 46 Prozent weniger Wärme als 2012. In den Fragen des Energie-Verbands kommt das Wort sparen nicht vor. Auch staatliche Anreize oder Förderung wie Greenpeace sie fordert, sieht Hildegard Müller, die Chefin des BDEW, skeptisch. Und durch die von ihr beauftrage Befragung sieht sie sich bestätigt: "Zentral wird sein, dass die Energiewende nicht nur klimapolitisch, sondern auch ökonomisch Sinn macht. Ein Großteil der Experten ist sicher, dass der Umbau der Energiesysteme weltweit künftig von der zunehmenden Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien angetrieben wird, von Investments und dem Gedanken der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit. Wenn Deutschland hier langfristig eine Art Systemführerschaft entwickeln will, dann nur mit kosteneffizienten und marktlichen Lösungen. Subventionen getriebenen Ausbau werden sich viele Staaten nicht leisten oder leisten wollen und deswegen auch nicht kopieren."
    Wenn die staatliche Regulierung des Energiemarktes weniger schaue, was für die Verbraucher am billigsten ist, sondern mehr fördere, was innovativ und marktgetrieben sei, so ein Ergebnis, könne die Energiewende zum deutschen Exportschlager werden. Beispiel: intelligente Netze. In der neuen, dezentralen Energiewelt gibt es nicht nur 20, sondern Tausende Kraftwerke, Haushalte verbrauchen nicht nur, sie liefern auch Strom. Die befragten Experten fordern etwa, dass Verbraucher durch entsprechende Preise angereizt werden, Strom zu verbrauchen, wenn viel da ist, beziehungsweise auf Strom zu verzichten, wenn er knapp und teuer ist. Doch Verbraucher könnten nicht nur nachts oder tagsüber unterschiedlich Preise zahlen, sagt Norbert Schwieters von der Unternehmensberatung Price Waterhouse Coopers. Verbraucher dürften bald auch mehr zahlen, wenn sie wirklich sicher gehen wollen, überhaupt Strom zu bekommen: "Verfügbarkeit hat ihren Preis, für den Verbraucher und Unternehmen zahlen müssen. Es ist dabei denkbar, dass Versorgungssicherheit über Preissignale hergestellt wird, also über eine Anpassung der Preise die permanente Verfügbarkeit bezahlt wird. Vergleichen sie das etwa mit der Diskussion um einen schnellen Premium-Internet-Zugang. Das ist ja eine Diskussion, die im Moment ja gerade unter dem Stichwort Netzneutralität läuft. Vielleicht wird die Netzneutralität im Strom in Zukunft infrage gestellt."