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Zukunft des Sportfernsehens
Abschied vom "Umsonst Fußball schauen"

Die Spiele der europäischen Fußball-Königsklasse Champions League werden künftig nicht mehr im Free-TV ausgestrahlt. Die Zukunft des Sportfernsehens liegt im Internet - und dort nicht immer bei einem Anbieter pro Verein.

Von Matthis Jungblut | 11.07.2017
    ILLUSTRATION - Der Screenshot eines Fußball-Bundesligaspiels ist am 21.10.2016 in Hamburg im Volksparkstadion auf dem Monitor eines iPad zu sehen. Im Hintergund sitzt ein Kamermannann des Pay-TV-Senders Sky.
    Fußballspiele gucken - zukünftig nur noch im Internet gegen Bezahlung? (dpa / Axel Heimken)
    Wenn man den Sportmedien-Blogger Phillip Ostsieker fragt, ob die Vergabe der Champions League Rechte ein Wegweiser für die Zukunft des Sportfernsehens ist, bekommt man eine klare Antwort.
    "Wenn man sich die Rechtevergaben seit 1963 anguckt, dann hat man immer das Gefühl, dass es unantastbar ist, dass man die Bundesligarechte als Allgemeingut gesehen hat, die sich eben jeder ohne Zusatzkosten - unabhängig von der Rundfunkgebühr - anschauen kann. Ich glaube, diese Zeiten sind vorbei."
    TV-Gelder - Einnahmequelle für Vereine
    "Umsonst Fußball schauen", davon müssen Fans sich wohl bald verabschieden. Der Grund: Die Ausschüttung der TV-Gelder innerhalb der Liga ist eine immer wichtigere Einnahmequelle der Vereine. Die Deutsche Fußball Liga verkauft die Übertragungsrechte an verschiedene Anbieter und verteilt am Ende der Saison die Gewinne an ihre Mitglieder. Wer wie viel bekommt, hängt immer vom Tabellenplatz.
    Das kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk und auch das deutsche Privatfernsehen sich nicht mehr leisten. Also wird es in Zukunft wohl neue Player auf dem Sportrechte-Markt geben. Das können Pay-TV-Anbieter wie Sky oder Eurosport sein oder - und das glaubt Philipp Ostsieker - Internetkonzerne wie Amazon, Google oder Facebook.
    Einer, der ebenfalls auf einen Wandel des Sportfernsehens setzt, ist Benjamin Reininger. Er ist Marketing Director der Perform Group, die den Streamingdienst DAZN betreibt.
    "Ich denke, die Sehgewohnheiten gehen vom klassischen linearen Fernsehen in Richtung Streaming-Diensten. Das ist bei Musik passiert, das ist im Bereich Fiktion passiert: Serien und Filme, die wir heute bei Netflix und Amazon gucken. Das ist eben auch unser Ansatz, dass wir davon ausgehen, dass das auch im Sport passieren wird."
    Streaming-Dienst - der Fan entscheidet was er sieht
    Der Streaming-Dienst DAZN besteht in Deutschland seit ungefähr einem Jahr. Geldgeber ist der russischstämmige US-Milliardär Leonard Blavatnik, einer der reichsten Männer der Welt. Bisher hat DAZN vor allem US-Sport oder kleinere Sportarten gezeigt. Jetzt ändert sich das aber. Ab kommender Saison zeigt DAZN für 10 Euro im Monat die Bundesliga-Highlights, ab 2018 Spiele der Champions League. Das Besondere einer Streaming-Plattform: Der Fan entscheidet selbst, was er sieht und wann er es sieht.
    "Wir selbst wollen nicht als Programmdirektor fungieren, sondern dem Sportfan die Auswahl überlassen. Das kann eine Kleinsportart sein: Feldhockey oder auch Rugby. Und diese Sportart steht gleichberechtigt auf unserer Plattform - wie das größte Spiel der Premier League, der Bundesliga oder im spanischen Fußball der 'el Classico'."
    Das Ende des linearen Sportfernsehens - das könnte man auch die totale Kontrolle über den User bezeichnen und über das, was er sieht. Dabei analysiert DAZN das Verhalten seiner Nutzer, so wie es Spotify und Netflix bereits tun. Benjamin Reininger:
    "Wir wollen auf jeden Fall verschärft in Personalisierung gehen, das heißt: Die Auffindbarkeit optimieren, dem Nutzer noch bessere Vorschläge machen, was diese Woche vielleicht relevant sein kann für ihn, basierend auf seinen Sehgewohnheiten."
    Das ist die Wunschvorstellung von DAZN.
    Alle Spiele vom Verein - nur über mehrere Anbieter
    Die Realität könnte aber auch so aussehen: Dann Fußballfans brauchen künftig gleich mehrere Anbieter auf einmal, um ihren Verein zu sehen.
    Ein erster Schritt dahin ist schon getan. In der kommenden Saison kann man erstmals mit einem Sky-Abo nicht mehr alle Bundesligaspiele sehen. Das Medienunternehmen Discovery hat die Rechte für einzelne Spiele gekauft und zeigt sie über den Sender Eurosport 2, der ebenfalls nur gegen Bezahlung zu empfangen ist.
    Der Rechteinhaber - bei der Bundesliga ist das die Deutsche Fußball Liga - muss sich entscheiden: An wie viele Anbieter verkaufe ich mein Produkt? Bisher gilt: Je mehr Käufer, desto mehr Anbieter, desto mehr Geld für die DFL. Wie weit dabei aber die Akzeptanz der Fans geht, ist die spannende Frage, sagt Philipp Ostsieker.
    "Am Ende entscheiden natürlich die Nutzer, aber die Rechteanbieter werden es natürlich so stark wie möglich versuchen auszureizen. Ob eben der Weg, dass man den Kundenzugang zu seinem Produkt so erheblich einschränkt, ob das langfristig die richtige Option ist, wage ich zu bezweifeln."
    Die DFL muss also eine Balance finden. Die Vereine wollen Geld, die Fans wollen unkompliziert und günstig Fußball schauen. Und immer mehr Medienkonzerne, die wittern das große Geschäft. Facebook testet ab kommender Saison zum Beispiel die Übertragung der Fußball-Champions-League in den USA, um sich für die nächste Vergaberunde 2021 vorzubereiten. Wohin die Reise dann geht, das weiß niemand, sagt Benjamin Reininger.
    "Aber das alle Übertragungen - egal in welchem Bereich - internetbasiert sind: 100 Prozent. Davon bin ich überzeugt."