Freitag, 19. April 2024

Archiv

Zukunft von Siemens
Überall mehr Digitalisierung

Wenn ein Großunternehmen wie Siemens zur Digitalisierung bläst, dann fehlt es weder an Selbstbewusstsein, Führungsanspruch noch an Anglizismen. Der Konzern lässt sich seine Strategie auch einiges kosten, möchte die Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich erhöhen. Die Analysten sind dennoch nur skeptisch bis vorsichtig optimistisch.

Von Michael Watzke | 07.12.2016
    Siemens-Flaggen im Wind, davor laufen Menschen
    Siemens möchte zum Beispiel mit der Cloud deutlich wachsen. (Peter Kneffel, dpa picture-alliancec)
    Siemens beschwört den Erfindergeist. In der neugebauten Firmenzentrale am Wittelsbacher Platz in München hängen Poster von Werner von Siemens, dem Gründer der 169 Jahre alten Firma. Auf dem Podium sitzen Erfinder von heute. Zum Beispiel Adriana Ouda, Siemens-Ingenieurin für Windkraftanlagen:
    "Beim Bau von Windkraftanlagen versuchen wir, möglichst wenig Material wegzuwerfen. Besonders die verwendeten Magnete in den Rotorköpfen sind sehr teuer. Ich habe ein Produktionsverfahren entwickelt, das die Umwelt schont und viel Geld spart."
    Siemens hat Adriana Ouda zur "Erfinderin des Jahres" gekürt und möchte noch mehr Innovationen generieren. "Ingenuity for Life", wie der Konzern das mittlerweile kryptisch in seinem Firmenmotto nennt.
    Die heutige Zukunftsveranstaltung in München hielt der Vorstand komplett in Englisch ab. Siemens-Technologie-Chef Roland Busch verspricht, die Investitionen in Forschung und Entwicklung von vier auf fünf Milliarden Euro zu steigern.
    "Zwischen 2014 und 2017 werden wir die F&E-Ausgaben um ein Viertel erhöhen", verspricht Busch. "Das entspricht unserer Unternehmensstrategie Vision 2020. Wir wollen den Umsatz steigern und profitabler werden."
    Digitalisierung soll Wachstumsschub bringen
    Vor allem die Digitalisierung soll einen Wachstumsschub bei Siemens auslösen. Das Geschäft mit Software, digitalen Diensten und Cloud-Plattformen soll prozentual zweistellig wachsen – und zwar jährlich. Einer der Umsatztreiber soll die neue Cloud-Plattform MindSphere sein. Sie bietet den Kunden ein cloudbasiertes, offenes Betriebssystem für das Internet der Dinge. Auf deutsch: Siemens-Kunden sollen in Zukunft ihre technischen Geräte von einer leicht zu bedienenden Benutzeroberfläche, etwa auf einem Tablet, direkt steuern können. Das reicht vom simplen Kühlschrank bis zum hochkomplexen Magnet-Resonanz-Tomographen. Das neue Siemens-Betriebssystem soll zudem mit jeder Hardware und jeder Cloud betrieben werden können.
    "Der Kunde kann selbst entscheiden, wo und wie er das Betriebssystem benutzt. Siemens liefere die Applikationen dazu", kündigt Technologie-Vorstand Busch an.
    Für all' diese Innovationen und Erfindungen braucht Siemens Personal. Die neugegründete Start-Up-Einheit "Next 47" hat ihre Belegschaft innerhalb eines Jahres kräftig aufgestockt. Der Konzern sucht händeringend Ingenieure, Informatiker und Naturwissenschaftler. An der TUM, der Technischen Universität München, hofft er, sie zu finden.
    "Sobald der neue Forschungscampus in Garching fertiggestellt ist, will Siemens 300 Forscher an der TU München ansiedeln, um besseren Zugang zu Wissenschaftlern der TUM zu erhalten", sagt Siemens-Vorstand Busch.
    Die Analysten, für die Siemens die heutige Veranstaltung abhielt, sind skeptisch bis vorsichtig optimistisch. Entscheidend sei, ob der Konzern seine Profitabilität steigern könne, möglichst auf das Level von General Electric. Der große Siemens-Konkurrent aus den USA hat seine Deutschlandzentrale übrigens jetzt schon in Garching. Direkt neben der TU München.