Freitag, 29. März 2024

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Zukunftsforscher Matthias Horx
"Angstprognosen sind immer falsch"

"Angst macht wach, aber Angst macht auch dumm", sagte der Zukunftsforscher Matthias Horx im Dlf. Deswegen würden sich von Angst geleitete Zukunftsprognosen auch nie bewahrheiten. Und weil man in den sozialen Medien insbesondere über Angst und Panikmache Aufmerksamkeit erlange, habe er sich dort abgemeldet.

Matthias Horx im Gespräch mit Karin Fischer | 01.01.2019
    Der Unternehmensberater und "Trend- und Zukunftsforscher" Matthias Horx
    Der Unternehmensberater und "Trend- und Zukunftsforscher" Matthias Horx (picture alliance / Gregor Fischer / dpa)
    "Wenn man Zukunft verstehen will, muss man multidisziplinär arbeiten", erklärt Matthias Horx seinen Beruf. "Man muss Ökonom sein, man muss Kulturantrhopologe sein, man muss etwas vom Menschen verstehen - und über Technologie."
    Jemand, der vor 100 Jahren sehr zutreffende Zukunftsprognosen abgegeben hätte, sei beispielsweise John Elfreth Watkins gewesen - dieser habe um 1900 im Ladies Home Journal, einer großen Frauenzeitung in den Vereinigten Staaten, den Artikel "Die Welt in 100 Jahren" verfasst. "Und er hat im großen und ganzen alles richtig gemacht. Er hat Bevölkerungszahlen und das Alltagsleben im 20. und 21. Jahrhundert und das Wohlstandsleben und die Technologie vorher gesagt: Die meisten Menschen werden ein Auto haben, es wird Flugverkehr geben. Und das war damals ja fast noch alles undenkbar."
    Von den Alltagsbedürfnissen her die Zukunft entdecken
    Dass Watkins mit seinen Prognosen recht haben sollte, habe daran gelegen, dass er eine ganz andere Denkweise hatte, mit der er auf die Welt schaute, so Horx. "Er war nämlich überhaupt kein Futorologe, und er musste auch nichts Sensationelles ausdrücken, damit er gehört wird. Nein, er war eher eine Art Buchhalter, er war unter anderem Museumskurator in einem Hausfrauenmuseum - und deshalb hat er von den Bedürfnissen her gedacht, von den Alltagsbedürfnissen. Und er war auch Okönom, er hat sich überlegt, was braucht es dazu, dass sich jeder eine Waschmaschine leisten kann? Könnten Autos billiger werden? Er hat eben diesen ganzheitliche, praktischen, pragmatischen Ansatz mit gesundem Menschenverstand gehabt - und damit lag er am nächsten mit dem, was wir dann tatsächlich erlebt haben."
    Andere Zukunftsforscher, die demgegenüber nicht in der Lage seien, Modelle zu konstruieren, würden die Trends, die es ohnehin schon gebe, als Zukunft verkaufen. "Das ist sozusagen der Billig-Heini-Trick auf dem Prognose-Markt", erklärte Horx.
    Angst trübt den Blick
    Was die öffentlichen Debatte über Zukunft angehe, so spiel die Angst eine wesentliche Rolle. "Und Angst macht wach, das ist ja ein evolutionärer Impuls, aber Angst macht auch dumm", erklärt Horx. "Deshalb sind auch alle Angstprognosen immer falsch." Aus diesem Grund habe er sich auch aus den Sozialen Medien verabschiedet.
    Zudem müsse man sich vergegenwärtigen, dass man heute in einer "Hypermedialisierung" leben – "das bedeutet, Medien reflektieren die Wirklichkeit nicht mehr, sondern sie machen sie." Deswegen müsse man sich aus dem Meinungs- und "Angstmach-Gelärm" ein Stück weit heraushalten, weil das lediglich Aufmerksamkeitszwecken diene. "Die Medien kämpfen ja seit dem Internet ganz extrem alle um Aufmerksamkeit, von ihr hängt das Überleben von Medienkanälen ab." Deswegen würden gerade die apokalyptischen Warnungen nach oben gedreht, weil man damit Aufmerksamkeit erhalten würde.
    Ewiges Leben? - "Langweilig"
    Der Traum vom ewigen Leben, das in der Zukunft durch den Fortschritt möglich werden könnte, sei trügerisch. "Wenn Sie die Lebensspanne ausdehnen, wird es natürlich dazu führen, dass wir immer gelangweilter werden - weil die Knappheit des Lebens das ist, was uns vital hält, das, was uns in Spannung hält, das, was uns überhaupt zu Menschen macht." Deswegen sei es letzendlich ein philosophisches oder ein kognitives Problem wie wir mit den Technologien umgingen.
    "Angenommen, wir hätten jetzt eine Pille, die Unsterblichkeit verheißt - ich bin mir sicher, dass ein großer Teil die gar nicht nehmen würde - und zwar der klügere."