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Zulieferer-Streit bei VW
"Volkswagen hat ein sehr riskantes Spiel gespielt"

Nach der Einigung zwischen VW und seinen Zulieferern übt Jörg Bode, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender in Niedersachsen, Kritik am Vorgehen des Konzerns. Die Forderungen der Zulieferer seien im Vergleich zu den Millionen-Kosten eines Produktionsausfalls eher gering gewesen.

Jörg Bode im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 23.08.2016
    Der niedersächsische FDP-Landtagsabgeordnete Jörg Bode.
    Der niedersächsische FDP-Landtagsabgeordnete Jörg Bode. (picture alliance / dpa / Holger Hollemann)
    Ann-Kathrin Büüsker: Gegen kurz nach zehn heute Vormittag gab es die ersten Gerüchte. Dann etwa eine halbe Stunde später die Bestätigung: Ja, es gibt eine Einigung. Nach fast 20 Stunden Verhandlungen in einem Wolfsburger Edelhotel hat sich Volkswagen mit seinen Zulieferern geeinigt.
    Darüber möchte ich nun mit Jörg Bode sprechen. Er ist der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende in Niedersachsen und ehemaliger Wirtschafts- und Verkehrsminister des Landes. Guten Tag, Herr Bode!
    "Die Kuh ist jetzt erst mal vom Eis"
    Jörg Bode: Hallo, Frau Büüsker.
    Büüsker: Herr Bode, ist mit dieser Einigung jetzt wieder alles in Butter?
    Bode: Nun, die Kuh ist jetzt erst mal vom Eis. Aber man muss natürlich aufpassen, dass nicht neue wieder rauflaufen. Das heißt, Volkswagen muss bei seinen Zulieferern auch wirklich fair verhandeln, ihnen auch Luft zum Atmen lassen und genauso aufpassen, dass man nicht in einseitige Abhängigkeiten gerät.
    Büüsker: Das heißt, Sie gehen davon aus, dass Volkswagen bisher nicht fair verhandelt hat mit den Zulieferern?
    Bode: Nun, es gibt bei vielen Zulieferern eher ein Klima der Angst seit den Entwicklungen in Dieselgate, wo man auch gar nicht mit offener Namensnennung sagen will, was eigentlich an Forderungen da ist. Es gibt große Preisnachlässe, die gewährt werden müssen einseitig; genauso werden Verträge verkürzt, neu ausgeschrieben, es wird auch Hinweisen nachgegangen, dass man Unternehmen der Zulieferer ins Ausland drängen will, wo sie günstiger produzieren können. Da wird schon mit harten Bandagen gekämpft in dem Bereich.
    "Wenn man zu sehr an einer Schraube dreht, ist sie irgendwann ab"
    Büüsker: Versucht Volkswagen, da die Kosten des Abgasskandals auf die Zulieferer weiterzugeben?
    Bode: Ja ganz klar. Das ist ja auch offen kommuniziert worden von Volkswagen, dass auch die Zulieferer durch Kostensenkung einen Teil dazu beitragen müssen. Aber das ist wie im Handwerk: Wenn man zu sehr an einer Schraube dreht, ist sie irgendwann ab, und genauso ist es so, wenn man die Preise immer weiter drückt. Irgendwann kann man dafür nicht produzieren.
    Büüsker: Ja. - Das heißt, Sie sehen die Schuld für diesen ganzen Skandal bei Volkswagen?
    Bode: Nun, wer bei diesem konkreten Fall jetzt Schuld ist, das lässt sich so außenstehend nicht sagen. Die Landesregierung hat sich sehr schnell auf die Seite von Volkswagen letzte Woche gestellt. Nach den ganzen Informationen, die man am Wochenende nach und nach bekommen hat, ist die Sache nicht so eindeutig, dass Volkswagen da quasi Opfer ist. Es ist, glaube ich, eine Konstellation entstanden, die man von beiden Seiten hätte vorentspannen können, und dann wäre die Kurzarbeit auch nicht nötig gewesen.
    Büüsker: Was hätte Volkswagen dann anders machen müssen?
    Bode: Volkswagen hat ein sehr riskantes Spiel gespielt. Bei den hohen Millionen-Kosten, die ein Produktionsausfall bedeutet, bei den im Verhältnis dazu eher geringen Forderungen, die von den Zulieferern tatsächlich kamen, da hätte man über Abschlagszahlungen mit weiteren Verhandlungen, glaube ich, den Produktionsabriss locker verhindern können.
    "Krisenkommunikation und Volkswagen, das passt nicht so ganz zusammen"
    Büüsker: Beide Seiten haben jetzt in dieser Einigung Stillschweigen vereinbart. Wenn ein Fall so öffentlich gemacht wird wie dieser Produktionsstopp bei Volkswagen, ist so eine Stillschweigensvereinbarung dann überhaupt legitim?
    Bode: Selbstverständlich ist es legitim von den Vertragspartnern zu sagen, über unsere Einigung wollen wir nicht in der Öffentlichkeit tatsächlich reden. Die Hauptsache ist, glaube ich, für die Öffentlichkeit, aber auch für alle anderen Zulieferer, dass es jetzt wieder weitergeht, dass man möglichst schnell wieder die Produktion aufnimmt, die Abrufe bei den Zulieferern tatsächlich erfolgen. Und ich kann Volkswagen schon verstehen, dass sie da durchaus, sage ich mal, Nachahmer tatsächlich abschrecken wollen, indem sie nicht offenlegen, was alles tatsächlich passiert ist in dieser Sache.
    Büüsker: Aber es gibt jetzt noch gar keinen genauen Zeitplan. Das heißt, auch die Mitarbeiter wissen noch überhaupt nicht, was mit ihnen passieren wird. Wie fair ist das?
    Bode: Es ist so, dass Volkswagen ja die Eskalation tatsächlich zum Produktionsstopp hat kommen lassen, und das ist ja ein sehr komplexes Gebilde. Da muss man zusehen, dass fristgemäß zum jetzigen Zeitpunkt die jeweiligen Teile da sind. Bis dieses System wieder in Gang kommt, da braucht man einen gewissen Vorlauf dafür, und ich glaube, Volkswagen muss selber erst jetzt schauen, wann können wir von allen Zulieferern die Teile zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort haben, damit wir dann wieder loslegen können.
    Büüsker: Auch in dieser Sache hält Volkswagen sich jetzt bedeckt. Wir wissen auch eigentlich gar nicht so richtig, woran die ganze Sache jetzt gekrankt hat, weil Volkswagen in Sachen Information wirklich dichtmacht. Das Unternehmen gibt nicht allzu viel nach draußen. Hat man da in Wolfsburg nicht aus dem Abgasskandal gelernt, wo ja auch die Kommunikation nach draußen ein großes Problem war?
    Bode: Ja. Krisenkommunikation und Volkswagen, das passt nicht so ganz zusammen, muss man, glaube ich, aus den letzten Wochen tatsächlich sagen. Und ich glaube, es sind da komplett unterschiedliche Sachverhalte. Hier ist es sicherlich der zeitliche Zusammenhang, wo man sagt, schon wieder ist das kommunikativ nicht alles glücklich gelaufen. Vielleicht ist es hier auch Prevent, die sagen, sie wollen Stillschweigen haben bei der Vereinbarung. Auch das kann man ja nicht sagen. In der Tat: Volkswagen kann bei Kommunikation durchaus in der Zukunft einiges besser machen.
    "Der Ministerpräsident war quasi auch noch Streittreiber"
    Büüsker: Auch intern? Es schien ja so, als wüsste auch der Aufsichtsrat nicht allzu viel über das, was da vor sich geht.
    Bode: Nun, das ist jetzt eine Sache, die der Aufsichtsrat mal klären sollte. Ich denke, wenn es zu einem Produktionsabriss kommt, hätte der Aufsichtsrat rechtzeitig vorher auch Informationen bekommen müssen und haben sollen. Ob er sie hatte, kann ich nicht beurteilen, aber einige beklagen sich ja darüber, dass sie nicht vorlagen. Genauso hätten übrigens auch die Aktionäre rechtzeitig informiert werden müssen, aber auch da gibt es ja noch ein Nachspiel.
    Büüsker: Herr Bode, Sie saßen ja auch mal im Aufsichtsrat von Volkswagen. Wie war denn das Unternehmen da so in seiner Kommunikationspolitik? War es da besser?
    Bode: Ich kann es nicht wirklich vergleichen, weil ich jetzt nicht weiß, wie es jetzt tatsächlich abläuft. Zu unserer Zeit hat man bei wichtigen Ereignissen sofort Informationen bekommen, wenn nicht mündlich, dann per Mail oder per Fax. Die Kommunikationsmöglichkeiten sind ja alle tatsächlich da. Und es gab auch die Gelegenheit, durchaus das zu besprechen und zum Austausch zu kommen. Nun kann man nicht sagen, früher war alles besser. Vielleicht funktioniert das ja heute auch und die Beteiligten wollten es nicht sagen.
    Büüsker: Wir haben gehört, dass zuletzt die Nachfrage nach dem Golf durchaus gesunken ist. Im Juli gab es 12,6 Prozent weniger Zulassungen. Die Mitarbeiter, die haben jetzt ordentlich Überstunden abgebaut. Man hat die Produktion eine ganze Weile gestoppt. Hat man sich in dieser ganzen Sache auch so ein bisschen gesund gespart?
    Bode: Dass ja auch "Produktionsstopps" geplant waren beim Golf, das war ja auch bekannt. Die waren in den nächsten Monaten vorgesehen, dass man da die Produktion runterfährt. Das würde ja nur funktionieren, wenn es Kurzarbeitergeld geben würde und quasi die Sozialkassen diese Produktionslücken ausfüllen würden. Da fehlt mir nach der Erkenntnislage des Wochenendes aber die Fantasie für, wie die Bundesagentur das genehmigen sollte, denn die Rechtsgrundlage gibt das nicht her.
    Büüsker: Die Landesregierung, die hat jetzt die Zulieferer stark kritisiert. Kann die Regierung als Miteigentümer von Volkswagen eigentlich neutral an diese Sache herangehen?
    Bode: Ja das ist ein großes Problem, das wir bei der Landesregierung in den letzten Monaten schon gesehen haben, dass man sich sofort immer ungeprüft an die Seite von Volkswagen stellt. Hier ja auch. Der Ministerpräsident war quasi auch noch Streittreiber, indem er ja auch noch die Idee mit dem Gerichtsvollzieher ins Spiel gebracht hat öffentlich. Man muss sehen: Die Zulieferer-Unternehmen sind genauso niedersächsische Unternehmen wie Volkswagen zum Großteil. Auch hier gibt es ja niedersächsische Standorte. Und da gehört es sich für eine Landesregierung, tatsächlich für alle Unternehmen gleichermaßen da zu sein und auch Recht für jeden, ungesehen der Person, tatsächlich durchzusetzen und ihm zukommen zu lassen. Und ich glaube, hier hat die Landesregierung starke Defizite.
    "Die Landesbeteiligung ist eine Beteiligung, die man eigentlich nicht haben sollte"
    Büüsker: Müsste man vor diesem Hintergrund, auch vor dem Hintergrund der Abgasaffäre, vielleicht auch noch mal darüber nachdenken, ob die Beteiligung von Niedersachsen am Unternehmen Volkswagen noch zeitgemäß ist?
    Bode: Wir als FDP sagen ja schon seit Jahren und Jahrzehnten, man sollte als Staat sich von den Beteiligungen auch bei Volkswagen trennen und die Privatwirtschaft vernünftige Autos bauen lassen und nicht als Landesregierung versuchen, die bessere Modellpolitik zu machen. Es ist so, dass Niedersachsen diese Beteiligung hat, und wenn man sie hat, dann muss man auch damit vernünftig umgehen. Man muss die Aktionärsrechte wie ein richtiger Aktionär wahrnehmen und man muss genauso gut die Neutralität als Regierung haben, beispielsweise im Bereich Durchsetzung von Rechtsansprüchen, dass man da in der Tat sich nicht einseitig auf eine Seite stellt. Und da gibt es sicherlich persönliche Fehler, die diese Landesregierung begangen hat oder begeht, und wir brauchen einfach Persönlichkeiten in der Regierung, die diese Trennung tatsächlich hinkriegen: einerseits Aktionärsrechte wahrnehmen, andererseits aber für jeden Bürger, für jedes Unternehmen genauso da sind.
    Büüsker: Jetzt sagen Sie als FDP-Vertreter, klar müsste die Regierung da raus. Aber Sie saßen auch im Aufsichtsrat. Warum haben Sie nichts dafür getan, dass Niedersachsen rausgeht aus diesem Aufsichtsrat?
    Bode: Nun, ich habe ja nicht gesagt, Niedersachsen muss aus dem Aufsichtsrat raus; ich habe gesagt, die Landesbeteiligung ist eine Beteiligung, die man eigentlich nicht haben sollte. Im Sinne der sozialen Marktwirtschaft gehört sie nicht in die Hand des Staates. Wir haben es in Koalitionsverhandlungen immer wieder angesprochen, aber die FDP war immer knapp unter der absoluten Mehrheit, so dass wir es alleine leider nicht durchsetzen konnten. Das war ein Punkt, da hatten wir uns halt nicht durchgesetzt, und dann ist es auch so wie ich gesagt habe. Wenn man eine Beteiligung hat, dann muss man auch verantwortungsvoll damit umgehen. Denn es ist ein Vermögenswert, den wir für den Bürger des Landes auch bewahren müssen und auch sinnvoll für die Arbeitsplätze uns dann einsetzen müssen.
    "Natürlich wird der Gewinn sinken von Volkswagen"
    Büüsker: Das heißt, so gesehen hat die ganze Nummer mit dem Produktionsstopp jetzt auch dem Land Niedersachsen geschadet?
    Bode: Ja natürlich hat das geschadet. Jetzt wollen wir mal von der Frage Image tatsächlich Abstand nehmen, uns hier einfach nur die nackten Fakten anschauen. Die Aktienkurse sind natürlich noch mal runtergegangen, als die Erstankündigung war. Das wird jetzt hoffentlich wieder aufgeholt. Natürlich wird der Gewinn sinken von Volkswagen. Niedriger Gewinn, geringere Dividende. Das sind jetzt alles kleinere Beträge, wenn man es mal über die vielen Aktien dann tatsächlich verteilt, aber auch das muss man natürlich im Auge tatsächlich haben. Und es geht auch um die Zulieferer. Andere Zulieferer haben jetzt ja auch auf einmal ihren Betrieb einstellen müssen, mit all den Kosten und Problemen, die damit auch ausgelöst werden.
    Büüsker: … sagt Jörg Bode, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im niedersächsischen Landtag und ehemaliger Wirtschafts- und Verkehrsminister von Niedersachsen. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bode.
    Bode: Vielen Dank, Frau Büüsker! Bis bald!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.