Spengler: Aber man wird gemahnt, natürlich die wachsende Bedrohung für das Bundeswehrkontingent, was zum Beispiel Lageberichte des Bundesnachrichtendienstes nahe legen, zu beachten. Insbesondere Hubschrauber, so meint der Bundesnachrichtendienst, können leicht das Ziel mobiler Flugabwehrwaffen sein. Werden die Hubschrauber in Afghanistan Ihrer Kenntnis nach optimal geschützt?
Rühe: Also in diesem Fall gibt es ja bisher keine Erkenntnisse einer Feindeinwirkung, und Absturzursachen müssen sehr genau untersucht werden, aber ansonsten ist es richtig, dass die Lage nicht stabil ist. Wir haben uns auch im auswärtigen Ausschuss, bevor wir der Entsendung der deutschen Soldaten für ein weiteres Jahr zugestimmt haben, sehr genau informiert, und ich lege besonderen Wert auf die Aussage durch die militärische Führung, die anwesend war, dass keinerlei Wünsche der militärischen Führung offengeblieben sind, das heißt wenn immer wieder auch schweres Gerät und anderes von Abgeordneten gefordert wird, gibt es hier die klare Aussage der Militärs, dass sie das nicht für erforderlich halten, und dass keiner ihrer Wünsche von der politischen Führung abgelehnt worden ist. Nach meiner Erfahrung ist es vernünftig, sich auf das zu stützen, was die Militärs selbst für die Sicherheit für erforderlich halten. Der politische Prozess ist sehr instabil, und der wird letztlich auch entscheidend sein für die Sicherheit der Soldaten, aber es gibt keinen Grund, hier einen pauschalen Vorwurf zu machen, dass man die Ausrüstung der Soldaten in Afghanistan vernachlässigt hätte. Richtig ist, dass für die Bundeswehr zuhause, weil man eben die Priorität auf die Auslandseinsätze legt, immer weniger Geld und immer weniger gute Ausrüstung vorhanden ist.
Spengler: Das heißt Sie bestätigen eigentlich die Meldung des Bundesverteidigungsministeriums, die nämlich Berichte zurückweist, wonach die Bundeswehrführung selber schweres Gerät zum Schutz der Truppe in Kabul gefordert habe oder auch dieses unbemannte Aufklärungssystem Luna?
Rühe: Ja. Ich habe ganz präzise die Bundeswehrgeneräle im Ausschuss gefragt, gibt es irgendeine militärische Forderung, die Sie für notwendig gehalten haben im Interesse der Sicherheit der Soldaten, die abgelehnt worden ist? Und es wurde eine klare Auskunft gegeben, nichts ist abgelehnt worden. Deswegen halte ich auch nichts davon, wenn einzelne Abgeordnete immer wieder über schweres Gerät spekulieren. Sie können nicht mit Leopard-Panzern durch Kabul fahren. Richtig ist, dass für den Fall einer Zuspitzung, falls eine Evakuierung notwendig ist, unsere Soldaten und auch die anderen Soldaten der ISAF abhängig sind von einer engen Zusammenarbeit mit den rund 4.000 Amerikanern, die dort in der Nähe liegen, und deswegen ist es so wichtig, das deutsch-amerikanische Verhältnis zu pflegen, aber noch einmal ganz klar - und das kann ich in der Tat bestätigen: Es gibt keine Wünsche der militärischen Führung, die von der politischen Seite abgelehnt worden sind.
Spengler: Was halten Sie denn von der Forderung, die die FDP jetzt erhoben hat, dass das unbemannte Aufklärungssystem Luna - von dem gibt es offenbar nur ein funktionierendes Exemplar - nach Afghanistan zum Schutz der Truppe gebracht werden sollte?
Rühe: Das muss die militärische Führung beurteilen. Ich würde wirklich empfehlen, dass angesichts dieses tragischen Unfalls jetzt in aller Ruhe aufgeklärt wird, woran es gelegen hat, und im Übrigen wir uns hier in Trauer vereinigen, denn das ist ein fürchterlicher Schlag für die Bundeswehr und vor allen Dingen für die betroffenen Familien. Wir sollten diesen Unfall nicht jetzt nutzen, dass von politischer Seite irgendwelche militärischen Forderungen gemacht werden. Ich habe immer gute Erfahrung damit gemacht, dieses damit den zuständigen Experten, den Militärs zu überlassen. Aufmerksam müsste man in dem Moment werden, wo die militärische Seite etwas für die Sicherheit der Soldaten fordert und dies von der politischen Seite vielleicht aus politischen Gründen abgelehnt wird. Das ist aber nicht der Fall.
Spengler: Zum Irak: Wenn man aufzählt, Patriot-Flugabwehrraketen für Israel, Spürpanzer für Kuwait, Awacs-Syteme in der Türkei, deutsche Soldaten als Schutz für US-Basen. Ist das noch das vom Kanzler versprochene "ohne uns im Irak-Konflikt"?
Rühe: Nein, sicherlich nicht. Das war leichtfertig, fahrlässig und absolut schädlich, aber das ist das Problem des Bundeskanzlers und seiner Glaubwürdigkeit.
Spengler: Aber Sie kritisieren nicht, dass man den Amerikanern und Verbündeten auf diese Weise hilft?
Rühe: Nein, überhaupt nicht. Deswegen sage ich ja, wir müssen das tun, was richtig ist, und es ist richtig, dass man den Verbündeten hilft. Das Glaubwürdigkeitsproblem ist ein Problem des Bundeskanzlers. Natürlich ist das eine Beteiligung, und man kann ja nicht Leuten in dieser Weise helfen, die man für Abenteurer hält oder als Abenteurer bezeichnet, wie der Bundeskanzler das im Sommer gemacht hat. Das ist sein Glaubwürdigkeitsproblem. Aber jetzt kommt es darauf an, die Amerikaner dort zu unterstützen, wo sie Hilfe brauchen.
Spengler: Sollte Deutschland noch mehr tun?
Rühe: Es kommt darauf an, was von uns gefordert wird. Ich finde aber, es muss Schluss sein mit Ablenkungsmanövern, und jeder, der die Awacs-Aufklärungsflugzeuge kennt, weiß, dass die tief in den Irak hineinblicken, 500 km, dass sie natürlich vorher Leitoffiziere an Bord haben, und deswegen wäre es erneut eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn man so tut, als ob es hier nur um Schutz des Bündnisses geht. Ich finde, es müssen ganz nüchtern alle Fakten auf den Tisch, und es muss damit Schluss sein, dass aus politischen Gründen die Dinge einseitig dargestellt werden.
Spengler: Sollte sich Deutschland, falls die UNO militärische Aktionen beschließt, aktiv daran beteiligen?
Rühe: Niemand hat von uns je Soldaten für den Irak verlangt. Worum es im Kern geht, ist politische Unterstützung, und ich finde, Deutschland sollte den Schulterschluss als Mitglied im Sicherheitsrat ab 1. Januar mit den Engländern, Franzosen und Spaniern suchen. Das sind vier europäische Nationen im Sicherheitsrat. Sie sollten eine gemeinsame Analyse des Waffenberichts machen, und sie sollten sich auch als europäische Nationen verabreden, abgestimmt mit den anderen Europäern, wie wir uns dann im Weltsicherheitsrat verhalten. Das ist eigentlich das Wichtigste, was von Deutschland gefordert wird. Im Übrigen, um noch einen wunden Punkt anzusprechen, wenn wir die Fähigkeit, vor Ort in Kuwait zu helfen, durch unsere ABC-Panzer haben, dann müssen wir auch helfen und nicht nur mit dieser Konstruktion für den Fall eines terroristischen Angriffs, sondern natürlich auch für den Fall, dass Saddam Hussein chemische Waffen einsetzt, und deswegen müssen die Soldaten vor Ort in die Lage versetzt werden, dann auch zu helfen.
Spengler: Das heißt da dann konkret wirklich einzugreifen?
Rühe: Ja, das wäre ja verweigerte Hilfeleistung, und ich glaube, wenn wirklich eine solche Situation eintritt, ist es absurd zu glauben - und da schulden wir den Soldaten auch rechtzeitig Klarheit -, dass wir die Hilfe verweigern, wenn es im Zusammenhang mit dem Irak-Konflikt zum Einsatz von chemischen Waffen käme. Es ist eine hölzerne Konstruktion zu sagen, die Soldaten helfen nur bei einem terroristischen Angriff, und auch hier muss die Bundesregierung gerade auch im Interesse der Soldaten rechtzeitig klar sagen, wofür sie zur Verfügung stehen, und es gibt im Grunde keinen Spielraum, dann Hilfe für die Zivilbevölkerung oder auch für amerikanische Soldaten zu verweigern.
Spengler: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio