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Zum Auftakt des Mannesmann-Prozesses

Meurer: In Düsseldorf beginnt heute der so genannte Mannesmann-Prozess, und darüber möchte ich mich unterhalten mit Ulrich Hocker, den Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Herr Hocker, es hat ja ziemlich viele Diskussionen und auch Rückendeckung gegeben, zum Beispiel für Josef Ackermann aus der Wirtschaftsindustrie, auch aus der Politik. Finden Sie es richtig, dass es heute diesen Prozess gibt?

    Hocker: Also ob es richtig ist, müssen wir dann entscheiden, wenn wir alle Details erfahren haben über dieses Verfahren, inwieweit da gekungelt worden ist. Mich hat schon alarmiert, dass die Wirtschaftsprüfer der KPMG dort einiges gefunden hat. Ich finde es nicht richtig, wenn ganz Deutschland über die Höhe der Abfindung letztendlich sich aufregt, denn wir müssen wissen, hier haben die Aktionäre auf der einen Seite sagenhafte 144 Milliarden DM durch die Handlung von Herrn Esser Wertsteigerung erfahren, und da relativiert sich der große Betrag von 60 Millionen DM.

    Meurer: Aber können Sie sich erinnern, dass es jemals in der deutschen Wirtschaft eine so hohe Abfindung gegeben hat?

    Hocker: Nein, das ist einmalig, aber Sie dürfen auch nicht vergessen, es war die erste unfreundliche Übernahme eines großen deutschen DAX-Wertes, und es waren erstmalig Wertsteigerungen deswegen in kürzester Zeit für Aktionäre zu erfahren in Höhe, wie gesagt, von 144 Milliarden DM.

    Meurer: Nur: Mussten dann gleich auch die ganzen pensionierten Vorstände wieder mit millionenschweren Abfindungen bedacht werden?

    Hocker: Das ist so ein wenig Marktwirtschaft, und wenn ich über die Grenzen hinaus nach England, in die USA, aber auch in Schweiz blicke, da haben wir natürlich bei großen Kapitalmarkttransaktionen, besonders im Bereich der Investmentbanker, sehr hohe Tantiemen, die bezahlt werden.

    Meurer: Tantiemen auch an Ehemalige, die nicht mehr aktiv im Unternehmen arbeiten?

    Hocker: Das ist ein Detail, über das es sich auch lohnt zu diskutieren, besonders dann, wenn es ehemalige Chefs sind, die dann im Aufsichtsrat sitzen und dann im Aufsichtsrat mehr kriegen, obwohl für die Bezahlung des Aufsichtsrats die Hauptversammlung zuständig ist. Darüber lohnt es sich zu diskutieren.

    Meurer: Ist das Ihr Haupteinwand, dass der Aufsichtsrat oder ein bestimmtes Gremium des Aufsichtsrates nicht hätte hinter verschlossenen Türen solche Entscheidungen treffen dürfen, sondern dass das in anderer Form hätte geschehen müssen?

    Hocker: So einfach lässt sich das jetzt nicht sagen. Der Aufsichtsrat ist nach dem deutschen System des Aktienrechts für die Dotierung des Managements des Vorstandes zuständig. Für die Dotierung des Aufsichtsrates ist allerdings die Hauptversammlung zuständig. Wenn der Aufsichtsrat Verträge abschließt, dann hat er jetzt nach dem deutschen Corporate Governance Codex sicherlich auch die Verpflichtung, dass die Angaben zur Dotierung individualisiert veröffentlicht werden. Das ist neu. Da haben wir draus gelernt. Aber grundsätzlich bleibt der Aufsichtsrat für das Heuern und Feuern von Managern zuständig.

    Meurer: Sie sprechen diesen Codex an, Corporate Governance, also gute Unternehmensführung, den es damals noch nicht gegeben hat, aber heute. Wäre nach heutigen Richtlinien das Verfahren wie bei Mannesmann vor vier Jahren klar ein Verstoß gegen diesen Codex?

    Hocker: Wenn man davon ausgeht, dass das alles verschwiegen worden ist, dann wäre es ein Verstoß. Hätte man es transparent gemacht, dann wäre es kein Verstoß. Es ist jetzt nachträglich transparent geworden, aber wir verlangen in der Zwischenzeit dank dieses Codex weitergehende Transparenz in der Dotierung von Managern.

    Meurer: Nun wissen Sie, dass wir seit längerem eine Diskussion haben über die Gehälter von Managern, von Vorstandsvorsitzenden, Vorstandsmitgliedern. Teilen Sie den Eindruck, dass in deutschen Vorständen mehr abkassiert wird als in der Vergangenheit?

    Hocker: Sie haben laut einer Studie der DSW, der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, im letzten Jahr 1,25 Millionen durchschnittlich bekommen. Das ist ein Zuwachs gegenüber dem vorletzten Jahr um ca. 7 Prozent. Die absolute Summe ist im Vergleich zum internationalen Niveau eher normal. Die Steigerung ist doch erwähnenswert und ist relativ hoch.

    Meurer: Nehmen Sie Anstoß daran?

    Hocker: Daran nehmen wir Anstoß.

    Meurer: Was kann man tun, dass deutsche Vorstände sich nicht selber bedienen?

    Hocker: Man kann nur den Aufsichtsrat stärken, was der Gesetzgeber auch macht, und man kann letztendlich mehr dafür sorgen und überhaupt darauf Einfluss nehmen, dass Berufsaufsichtsräte in den Aufsichtsrat kommen.

    Meurer: Halten Sie es für möglich, dass der Prozess heute, der in Düsseldorf beginnt und sich vermutlich lange hinziehen wird, sozusagen eine Warnung sein wird und vielleicht eine heilsame Wirkung in Deutschlands Vorstandsetagen entfalten wird?

    Hocker: Ich bin sicher, denn kein Prozess wird genauer beobachtet von diesen Kreisen wie der so genannte Mannesmann-Prozess. Man weiß jetzt, dass die Rechtssprechung, die Staatsanwaltschaften sich dem Thema annehmen. Man wird sicherlich nach den neuen Corporate Governance Regeln mehr Transparenz üben. Aber auf der anderen Seite darf es auch nicht so sein, dass bei jeder Dotierung eines Vorstandes letztendlich für den Aufsichtsrat ein Rechtsgutachten geschrieben wird. Dann wären die Aufsichtsräte unbeweglich.

    Meurer: Danke für das Gespräch.