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Zum Ende der Verkehrsnachrichten im Deutschlandfunk
Bye bye, A3!

Nachrichten und Verkehrsmeldungen - das war jahrzehntelang eine Symbiose. Beim Deutschlandfunk ist diese Beziehung nun zu Ende. Das hat Gründe. Sie sollen sie kennen.

Von Marco Bertolaso |
    Autobahn-Beschilderung an der eA48 Richtung Saarbrücken, Trier, Luxemburg mit Richtungsweiser A48, Ludwigshafen, Flughafen Hahn,
    Autobahnschild Luxemburg Trier Saarbrücken (Imago /Augst/Eibner)
    Rückblick. Spätestens in den 1970er-Jahren erfand sich das Radio in Deutschland neu. Die Konkurrenz mit dem aufstrebenden Massenmedium Fernsehen um die Aufmerksamkeit am Abend war verloren. Die neue "Prime Time" für das Radio, also die Zeit mit der stärksten Nutzung, war nun der frühe Morgen. Immer mehr Menschen hörten im Auto zu, auf dem Weg zur Arbeit. Und ähnlich machten sie das auch nachmittags, wenn es wieder nach Hause geht.
    Verkehrsfunk als wichtiger Service
    Für diesen wichtigen Teil der Nachfrage nach Radio schufen viele Sender besondere Servicewellen, bei denen die Verkehrsnachrichten ein zentrales Element waren. Wer auf vier Rädern unterwegs war, der sollte auch alle für ihn wichtigen Hinweise zur Verkehrslage bekommen. Das war ein beachtlicher Nutzen - und begründete nebenbei Hörerbindung.
    Erfindungsreicher Deutschlandfunk
    Der in vielem etwas besondere Deutschlandfunk war nie eine Servicewelle und doch auch hier als Informationssender ein Vorreiter. Schon im März 1964 nahmen wir auf Initiative aus der Nachrichtenredaktion die Verkehrsmeldungen aus der ganzen Bundesrepublik ins Programm. Lange Jahre hörte man sie vor den Nachrichten. Das war in den Sommermonaten oft verbunden mit den von vielen schon vergessenen Reiserufen, die auch einmal prägend zum Rundfunk gehörten.
    Über diese Jahre und andere Aspekte der Geschichte unseres, wie man damals sagte, "Verkehrswarnfunks" hat 1987 Peter Beyersdorf als Nachrichtenchef des Deutschlandfunks ein inzwischen zeithistorisch interessantes Kurzfeature verfasst. Man liest dort zum Schluss: "Ein Letztes, weil uns dazu immer wieder Hörerpost erreicht. Es betrifft die Sprache der Verkehrsmeldungen. Sie gefällt uns auch nicht immer und das immer wieder auftauchende Wort 'Zähflüssigkeit' finde ich auch unschön. Aber die Verkehrsmeldungen werden so kurzfristig aus dem Computer abgerufen und ausgedruckt, dass eine redaktionelle sprachliche Gestaltung meistens nicht mehr möglich ist. Denn letztendlich geht es hierbei in erster Linie um die aktuelle Information für den Autofahrer. Sie muss Vorrang haben vor der sprachlichen Ästhetik, auch wenn es manchmal nicht sehr elegant klingt."
    Das Feature aus dem Jahr 1987 finden Sie hier.
    Bei den technischen Verbesserungen der Übertragung auf die Autoradios hat der Deutschlandfunk ebenfalls Pionierarbeit geleistet. Der Signalton, der den Anfang und das Ende von Verkehrsmeldungen begleitet, wurde von Werner Hinz erfunden, Ingenieur beim Deutschlandfunk und ab 1974 dessen Technischer Direktor. Die Funktion des bald "Hinz-Triller" genannten Tons war eine automatische Umschaltung auf die Verkehrsdurchsagen, auch wenn die Fahrerin oder der Fahrer gerade ein anderes Programm oder Musik von der Kassette hörte.
    Das Blatt wendet sich
    Mit dem scheinbar endlos zunehmenden Verkehr, mit immer mehr Staus und dem nach der Deutschen Einheit noch einmal deutlich weiter wachsenden Autobahnnetz wendete sich langsam aber sicher das Blatt. Was für das Sendegebiet regionaler Sender noch möglich sein mag, das war für den Deutschlandfunk nicht mehr zu schaffen, nämlich einen wirklichen Überblick zu geben, in unserem Fall über die Lage auf den Fernstraßen in ganz Deutschland.
    Immer öfter haben wir uns auf die größten Staus konzentrieren müssen und damit anderen Menschen fälschlicherweise freie Fahrt suggeriert. Das hat ein beachtlicher Teil der Hörerschaft erst in Briefen, dann in Mails und schließlich auch in Sendungen mit Hörerbeteiligung immer vehementer kritisiert. Hinzu kam der technische Wandel. Navigationssysteme und Apps liefern auf die persönlichen Bedürfnisse abgestellten Verkehrsinformationen. Vor einigen Monaten hat eine Umfrage unter den Hörerinnen und Hörern des Deutschlandfunks all das noch einmal belegt, nämlich dass ein bundesweiter Verkehrsfunk weitgehend als nicht mehr zeitgemäß wahrgenommen wird.
    Die Leistung des Sprecherensembles
    In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Verkehrsnachrichten vom Deutschlandfunk-Sprecherensemble nicht nur präsentiert, sondern im Ganzen ebenso engagiert wie kompetent betreut. Die Kolleginnen und Kollegen redigierten die unzähligen Meldungen unter hohem Zeitdruck und destillierten rund um die Uhr "einen möglichst guten Überblick über die Gesamtverkehrslage in Deutschland". Damit habe ich unseren Chefsprecher Gerd Daaßen zitiert, der über das Ende der Verkehrsnachrichten aus Sicht seiner Kolleginnen und Kollegen im Intranet geschrieben hat.
    Klangvolle Namen bleiben unvergessen
    Dort hat er für uns - und nun auch für Sie - noch einmal an einige der klangvollen Namen aus den Verkehrsnachrichten erinnert. Mit dabei waren die Ahlhorner Heide, Bessenbach-Waldaschaff, Geiselwind, Hannoverschmünden/Hedemünden, Heilbronn/Untergruppenbach, Herzsprung, Lederhose, Marktheidenfeld, das Schkeuditzer Kreuz, Sulzemoos, Ulm/Elchingen, Uphusen/Bremen-Mahndorf, Wittstock/Dosse, Ziesar und Zusmarshausen.
    Welcher Stammhörer des Deutschlandfunks wird diese und andere Namen je vergessen können? Sie leben also in gewisser Hinsicht weiter, die Deutschlandfunk-Verkehrsnachrichten. Und wir können guten Gewissens sagen: "Bye, bye, A 3, Auf Wiedersehen, A 10."