Heuer: Schnelle Abschiede vom politischen Amt machen in diesen Tagen Schule. Nach der Entlassung von Bundesverteidigungsminister Scharping vergangene Woche, hat gestern der brandenburgische Justizminister Kurt Schelter seinen Rücktritt erklärt. Dem Doppelmitglied in CSU und CDU wurden seine undurchsichtigen Immobiliengeschäfte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre zum Verhängnis. Seine Geschäftspartner von damals sind inzwischen wegen Betruges und Untreue verurteilt. Die Steuerfahndung München hat Schelter selbst ins Visier genommen. Jetzt zahlt Kurt Schelter für seine 4,8 Millionen Euro teuren Immobiliengeschäfte, Kreditzinsen nicht mitberechnet, also mit dem Amtsverzicht. Kommissarisch hat Schelters Amtgeschäfte zunächst der christdemokratische Innenminister Brandenburgs, Jörg Schönbohm, übernommen. Herr Schönbohm, Kurt Schelter hat seinen Rücktritt in einem Brief an Ministerpräsident Platzeck damit begründet, Schaden von seinem Amt abwenden zu wollen, der "durch die Berichterstattung über seine Privatsphäre drohe". Sind die Medien schuld?
Schönbohm: Nein, natürlich nicht. Die Medien können sozusagen über das berichten, was geschehen ist, aber der Artikel in einem namhaften Wochenmagazin, auf den sich Schelter bezieht, ist natürlich eine Zusammenfassung mit Ergebnissen aus allen möglichen Recherchen, aber das Entscheidende ist - und das, glaube ich, ist das Wichtige -, dass der Eindruck entstanden ist, dass Kurt Schelter als Justizminister nicht mehr unabhängig ist und sachgerecht entscheiden kann, und darum hat er diesen Weg gefunden. Dass er verbittert ist über die Art und Weise, wie er zum Rücktritt gezwungen wurde, nachdem er eine sehr erfolgreiche Arbeit gemacht hat, muss man verstehen. Auch Minister sind Menschen.
Heuer: Schelter beklagt sich ausdrücklich über den brandenburgischen Regierungssprecher Eberhard Thomas, weil er dem Spiegel gegenüber unbefugt Gerüchte bestätigt habe, die Schelters Personal- und Besoldungsunterlagen betreffen. Hätte Herr Thomas schweigen müssen?
Schönbohm: Er hätte das, was gefragt, behauptet oder vermutet wurde, so nicht bestätigen können oder dürfen. Das ist richtig. Aber Gerüchte waren in der Welt, und ein bestätigtes Gerücht durch einen Regierungssprecher ist eine Tatsache. Solange es nicht bestätigt ist, ist es ein Gerücht. Und das ist das, was Kurt Schelter auch persönlich sehr betroffen gemacht hat, weil er vermutet, dass möglicherweise etwas anderes dahinter stand.
Heuer: Aber falsch waren die Gerüchte ja nicht?
Schönbohm: Ich will zu Gerüchten nichts sagen. Herr Schelter hat sich dazu geäußert, und andere ebenfalls. Ich glaube, das ist jetzt auch nicht mehr entscheidend. Entscheidend ist, dass die Veröffentlichung am Montag auf dem Markt war und wir nach gemeinsamen Beratungen - ich selber bin Schelter freundschaftlich verbunden und habe mit ihm gesprochen - zu der Entscheidung gekommen sind, dass für ihn, für die Landesregierung und für die CDU sein schneller Rücktritt das Beste ist, und das haben wir gemacht, und ich glaube, das ist das, was zählt.
Heuer: Dennoch müssen wir nochmals einen Blick auf die Vorgänge werfen, die zu diesem Rücktritt geführt haben. Die Staatsanwaltschaft hatte beim Amtsgericht München einen Strafbefehl gegen Kurt Schelter beantragt, und später haben sich dann Richter, Ankläger und Anwälte auf eine Einstellung dieses Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße geeinigt. Mir ist nicht ganz klar, sind die steuerrechtlichen Ermittlungen gegen Herrn Schelter bereits eingestellt?
Schönbohm: Mit diesem Zahlen der Geldbuße sind sie eingestellt. Aber Einzelheiten des Verfahrens kenne ich nicht, will ich nicht wissen und muss ich auch nicht wissen, wenn ich das so sagen darf. Aber rechtlich gesehen ist der Vorgang, um den es hier gegangen ist, mit dem Zahlen der Geldbuße eingestellt.
Heuer: Haben Sie also von den Immobiliengeschäften Kurt Schelters oder von seinen hohen Schulden nicht gewusst?
Schönbohm: Ich habe das am Freitag Abend erfahren. Nachdem klar war, dass das im Spiegel steht, hat mich Schelter darüber unterrichtet, und das ganze Ausmaß der Diskussion habe ich am Sonnabend festgestellt, als ich den Bericht des Spiegels gelesen habe.
Heuer: Kurt Schelter hat rasch gehandelt. Am Montag erschien der Spiegel-Bericht. Am Dienstag hat er das Rücktrittsgesuch eingereicht. Heute wird er entlassen. Hat die durch die Fälle Scharping und Özdemir neu entbrannte Debatte über Politik und Moral den Rücktritt des Justizministers beschleunigt?
Schönbohm: Also ich glaube, dass das mit eine Rolle spielt. Aber bei uns ging es auch darum, dass wir gesagt haben, die Vorwürfe gegen ihn muss er ausräumen, und er kann nicht als Justizminister wochenlang über diese Dinge diskutieren, ohne dass er beschädigt wird. Und ich denke, dass beides zusammenkam, die persönliche Situation und die öffentliche Diskussion nach Scharping und Özdemir.
Heuer: Der Bundestag will jetzt Konsequenzen ziehen. Schneller als gedacht, nämlich noch in dieser Legislaturperiode, soll die Offenlegungspflicht der Nebeneinnahmen und Tätigkeiten von Abgeordneten verschärft werden, und zwar auf Initiative von SPD und Grüne. Die FDP und die Union waren in erster Lesung dagegen. Sind Sie dafür, dass die Abgeordneten künftig alle Nebeneinkünfte und Tätigkeiten und Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften im Bundestagshandbuch offen legen müssen?
Schönbohm: Wenn wir nur noch Beamte im Bundestag haben wollen, dann sollten wir diesen Weg gehen, aber ich denke, es ist wichtig, dass wir Menschen im Bundestag haben, die alle Berufsgruppen repräsentieren, also Selbständige, Handwerkmeister, Unternehmer. Und ich glaube, da sind irgendwo die Grenzen überschritten. Wir haben jetzt schon im Bundestag den Öffentlichen Dienst überrepräsentiert, und wenn dieser Weg weitergegangen wird, wird man nur noch einen Öffentlichen Dienst haben, denn der Öffentliche Dienst hat traditionsgemäß keine Nebeneinkünfte. Ob ein Handwerkmeister, der erfolgreich einen Betrieb führt, will, dass die Einkünfte, die sein Sohn oder seine Frau erzielt, an denen er zum Teil beteiligt ist, in die Öffentlichkeit gelangen, wage ich zu bezweifeln. Also man muss da sehr vorsichtig sein. Sowohl Abgeordnete als auch Minister haben den Anspruch darauf, dass ihre Privatsphäre so geschützt wird, wie die aller anderen auch, die immer nach Datenschutz rufen.
Heuer: Aber wenn man nichts zu verbergen hat, kann man das doch transparent machen. Gerade in der jetzigen Diskussion haben die Wähler darauf Anspruch, oder nicht?
Schönbohm: Ja, wir leben aber auch in einer Neidgesellschaft, wie Ihnen vielleicht nicht entgangen ist, und wir haben die Situation, dass sehr wenige Leute sehr viel arbeiten, vielleicht auch damit mehr Geld verdienen als andere, und dann heißt es: Wieso haben sie so viel Geld? Also ich bin dafür, diese Sache mit Augenmaß anzugehen und nicht zu glauben, alles offen legen, dann ist das Problem gelöst. Die Frage ist: Wem gegenüber offen legen? Wenn man das offen legt gegenüber dem Bundestagspräsidenten und nicht gegenüber der Öffentlichkeit, ist das eine ganz andere Sache, aber ich finde, es muss sichergestellt werden, dass nicht gegen den eigenen Willen Dinge veröffentlicht werden. Dass man sie einem kundigen Gremium, das zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, zustellt, damit hätte ich keine Probleme. Aber eine öffentliche Diskussion, die sich jeder über seine Vermögensverhältnisse gefallen lassen muss, ist nicht zumutbar, und dann würden wir endgültig ein Beamtenparlament haben. Das kann ich Ihnen mit Sicherheit vorhersagen.
Heuer: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Schönbohm: Nein, natürlich nicht. Die Medien können sozusagen über das berichten, was geschehen ist, aber der Artikel in einem namhaften Wochenmagazin, auf den sich Schelter bezieht, ist natürlich eine Zusammenfassung mit Ergebnissen aus allen möglichen Recherchen, aber das Entscheidende ist - und das, glaube ich, ist das Wichtige -, dass der Eindruck entstanden ist, dass Kurt Schelter als Justizminister nicht mehr unabhängig ist und sachgerecht entscheiden kann, und darum hat er diesen Weg gefunden. Dass er verbittert ist über die Art und Weise, wie er zum Rücktritt gezwungen wurde, nachdem er eine sehr erfolgreiche Arbeit gemacht hat, muss man verstehen. Auch Minister sind Menschen.
Heuer: Schelter beklagt sich ausdrücklich über den brandenburgischen Regierungssprecher Eberhard Thomas, weil er dem Spiegel gegenüber unbefugt Gerüchte bestätigt habe, die Schelters Personal- und Besoldungsunterlagen betreffen. Hätte Herr Thomas schweigen müssen?
Schönbohm: Er hätte das, was gefragt, behauptet oder vermutet wurde, so nicht bestätigen können oder dürfen. Das ist richtig. Aber Gerüchte waren in der Welt, und ein bestätigtes Gerücht durch einen Regierungssprecher ist eine Tatsache. Solange es nicht bestätigt ist, ist es ein Gerücht. Und das ist das, was Kurt Schelter auch persönlich sehr betroffen gemacht hat, weil er vermutet, dass möglicherweise etwas anderes dahinter stand.
Heuer: Aber falsch waren die Gerüchte ja nicht?
Schönbohm: Ich will zu Gerüchten nichts sagen. Herr Schelter hat sich dazu geäußert, und andere ebenfalls. Ich glaube, das ist jetzt auch nicht mehr entscheidend. Entscheidend ist, dass die Veröffentlichung am Montag auf dem Markt war und wir nach gemeinsamen Beratungen - ich selber bin Schelter freundschaftlich verbunden und habe mit ihm gesprochen - zu der Entscheidung gekommen sind, dass für ihn, für die Landesregierung und für die CDU sein schneller Rücktritt das Beste ist, und das haben wir gemacht, und ich glaube, das ist das, was zählt.
Heuer: Dennoch müssen wir nochmals einen Blick auf die Vorgänge werfen, die zu diesem Rücktritt geführt haben. Die Staatsanwaltschaft hatte beim Amtsgericht München einen Strafbefehl gegen Kurt Schelter beantragt, und später haben sich dann Richter, Ankläger und Anwälte auf eine Einstellung dieses Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße geeinigt. Mir ist nicht ganz klar, sind die steuerrechtlichen Ermittlungen gegen Herrn Schelter bereits eingestellt?
Schönbohm: Mit diesem Zahlen der Geldbuße sind sie eingestellt. Aber Einzelheiten des Verfahrens kenne ich nicht, will ich nicht wissen und muss ich auch nicht wissen, wenn ich das so sagen darf. Aber rechtlich gesehen ist der Vorgang, um den es hier gegangen ist, mit dem Zahlen der Geldbuße eingestellt.
Heuer: Haben Sie also von den Immobiliengeschäften Kurt Schelters oder von seinen hohen Schulden nicht gewusst?
Schönbohm: Ich habe das am Freitag Abend erfahren. Nachdem klar war, dass das im Spiegel steht, hat mich Schelter darüber unterrichtet, und das ganze Ausmaß der Diskussion habe ich am Sonnabend festgestellt, als ich den Bericht des Spiegels gelesen habe.
Heuer: Kurt Schelter hat rasch gehandelt. Am Montag erschien der Spiegel-Bericht. Am Dienstag hat er das Rücktrittsgesuch eingereicht. Heute wird er entlassen. Hat die durch die Fälle Scharping und Özdemir neu entbrannte Debatte über Politik und Moral den Rücktritt des Justizministers beschleunigt?
Schönbohm: Also ich glaube, dass das mit eine Rolle spielt. Aber bei uns ging es auch darum, dass wir gesagt haben, die Vorwürfe gegen ihn muss er ausräumen, und er kann nicht als Justizminister wochenlang über diese Dinge diskutieren, ohne dass er beschädigt wird. Und ich denke, dass beides zusammenkam, die persönliche Situation und die öffentliche Diskussion nach Scharping und Özdemir.
Heuer: Der Bundestag will jetzt Konsequenzen ziehen. Schneller als gedacht, nämlich noch in dieser Legislaturperiode, soll die Offenlegungspflicht der Nebeneinnahmen und Tätigkeiten von Abgeordneten verschärft werden, und zwar auf Initiative von SPD und Grüne. Die FDP und die Union waren in erster Lesung dagegen. Sind Sie dafür, dass die Abgeordneten künftig alle Nebeneinkünfte und Tätigkeiten und Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften im Bundestagshandbuch offen legen müssen?
Schönbohm: Wenn wir nur noch Beamte im Bundestag haben wollen, dann sollten wir diesen Weg gehen, aber ich denke, es ist wichtig, dass wir Menschen im Bundestag haben, die alle Berufsgruppen repräsentieren, also Selbständige, Handwerkmeister, Unternehmer. Und ich glaube, da sind irgendwo die Grenzen überschritten. Wir haben jetzt schon im Bundestag den Öffentlichen Dienst überrepräsentiert, und wenn dieser Weg weitergegangen wird, wird man nur noch einen Öffentlichen Dienst haben, denn der Öffentliche Dienst hat traditionsgemäß keine Nebeneinkünfte. Ob ein Handwerkmeister, der erfolgreich einen Betrieb führt, will, dass die Einkünfte, die sein Sohn oder seine Frau erzielt, an denen er zum Teil beteiligt ist, in die Öffentlichkeit gelangen, wage ich zu bezweifeln. Also man muss da sehr vorsichtig sein. Sowohl Abgeordnete als auch Minister haben den Anspruch darauf, dass ihre Privatsphäre so geschützt wird, wie die aller anderen auch, die immer nach Datenschutz rufen.
Heuer: Aber wenn man nichts zu verbergen hat, kann man das doch transparent machen. Gerade in der jetzigen Diskussion haben die Wähler darauf Anspruch, oder nicht?
Schönbohm: Ja, wir leben aber auch in einer Neidgesellschaft, wie Ihnen vielleicht nicht entgangen ist, und wir haben die Situation, dass sehr wenige Leute sehr viel arbeiten, vielleicht auch damit mehr Geld verdienen als andere, und dann heißt es: Wieso haben sie so viel Geld? Also ich bin dafür, diese Sache mit Augenmaß anzugehen und nicht zu glauben, alles offen legen, dann ist das Problem gelöst. Die Frage ist: Wem gegenüber offen legen? Wenn man das offen legt gegenüber dem Bundestagspräsidenten und nicht gegenüber der Öffentlichkeit, ist das eine ganz andere Sache, aber ich finde, es muss sichergestellt werden, dass nicht gegen den eigenen Willen Dinge veröffentlicht werden. Dass man sie einem kundigen Gremium, das zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, zustellt, damit hätte ich keine Probleme. Aber eine öffentliche Diskussion, die sich jeder über seine Vermögensverhältnisse gefallen lassen muss, ist nicht zumutbar, und dann würden wir endgültig ein Beamtenparlament haben. Das kann ich Ihnen mit Sicherheit vorhersagen.
Heuer: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio