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Zum Ruhme Portugals

Bei großen Anlässen lässt das kleine Portugal sich nicht lumpen. Zur Unterzeichnung des EU-Reformvertrages lud es in das Hieronymuskloster nach Lissabon - ein wahrhaft beeindruckender und historisch bedeutender Ort. Jochen Faget berichtet.

    Der Soldat mit Pickelhaube stößt in seine Trompete. Das Kavallerie-Regiment der Guarda Nacional Republicana, der Nationalgarde, ist angetreten. Ein etwas nervöser Polizist nebenan hört über Sprechfunk, der Staatsgast wird gleich kommen. Und dann geht es los.

    Standartenträger voran, die blitzenden Säbel gezogen, reiten die Soldaten mit Prunk und Pomp an der manuelinischen Fassade des Hieronymiten-Klosters vorbei. Staatsgäste werden grundsätzlich hier empfangen. Bei großen Anlässen lässt das kleine Portugal sich nicht lumpen.

    1502 zum Beispiel, als König Manuel I. den Befehl gab, das Kloster Santa Maria bei dem Fischerdörfchen Belém am Ufer des Tejo-Flusses zu errichten. Zu Gottes und der Portugiesen Glorie, weil Vasco da Gama kurz vorher den Seeweg nach Indien entdeckt hatte. Und damit hatte Portugals goldenes Zeitalter begonnen: das Imperium, der Gewürzhandel, unendlicher Reichtum.

    Das Kloster Santa Maria de Belém, das Mosteiro dos Jerónimos, spiegelt noch heute diese große Zeit wider: Das Kirchenschiff getragen von mächtigen Säulen ist es in der portugiesischen Spielart der Gotik, der Manuelinik, erbaut. Europäischer Stil verbindet sich mit Elementen aus den sagenumwobenen neu entdeckten Ländern: Vorher nie gesehene Pflanzen und Tiere wurden in die elegante Fassade gemeißelt, zusammengehalten von steinernen Tauen - eine Anspielung auf die damals so wichtige Seefahrt. Das Jerónimos-Kloster verpflichtet:

    "In diesem mehr als 400 Jahren alten Kreuzgang vereinen sich heute die Vergangenheit und die Zukunft Portugals","

    erklärte der damalige Ministerpräsident Mário Soares am 12. Juni 1985, als im Mosteiro dos Jerónimos feierlich der Beitrittsvertrag Portugals zur Europäischen Gemeinschaft unterzeichnet wurde.

    ""Das Kloster ist ein Symbol der portugiesischen und damit der europäischen Kultur"

    und ein beliebtes Ausflugsziel der Lissabonner. Erstens hält die Straßenbahn fast vor der Klostertür. Und zweitens hat das Belém-Viertel Charme, auch wenn es längst kein Fischerdorf mehr ist:

    "Allein schon das Licht von Belém ist fantastisch,"

    schwärmt diese Frau.

    "Diese Klarheit! Und dann die Monumente! Es ist einfach toll, hier spazieren zu gehen, eine Kunstausstellung im Kulturzentrum neben den Kloster anzuschauen, am Fluss entlang bummeln oder ein Belém-Küchlein essen."

    Wer das nicht tut, ist selbst schuld. 1837 wurde das Café eröffnet, in dem diese Delikatessen nach natürlich geheimem, altem Klosterrezept von nebenan gebacken werden. Pasteis de Belém sind kleine, noch ofenwarme Sahnecreme-Törtchen, die mit Zimt überpudert werden. Zwar sind die Plätze in dem Traditionscafé beim Jerónimos-Kloster fast immer voll. Aber um ihre Pasteis zu genießen, nehmen Lisabonner auch längere Wartezeiten in Kauf. Dafür sitzt am nächsten Tisch dann schon mal höchste Prominenz:

    "Der Staatspräsident ist unser Nachbar, der kommt oft zum Frühstück hierher,"

    erzählt Vítor Domingues, der Geschäftsführer.

    "Unser Café ist eben sehr beliebt. Er sitzt dann bei den anderen Gästen und unterhält sich über alles Mögliche, außer über Politik."

    Die findet nämlich hochoffiziell protokollarisch im Kloster Santa Maria de Belém statt: Während draußen die Militärkapelle spielt, legt drinnen jeder Staatsgast Portugals einen Kranz nieder. Nicht wie sonst in aller Welt üblich, an einem Kriegerdenkmal, sondern am reich verzierten Steinsarg von Luís Vaz de Camões, Portugals Nationaldichter aus dem 16. Jahrhundert, der in den "Lusiaden" die Entdeckungen seiner Landsleute besungen hat.

    Das Mosteiro dos Jerónimos ist eben wirklich etwas ganz besonderes. Aber das hat Mário Soares schon vor mehr als 20 Jahren gesagt, als hier Portugals EU-Beitritt besiegelt wurde:

    "Es ist das Denkmal eines Traums, der Wirklichkeit wurde. Des Traums der Entdeckungen, der der Welt neue Welten gegeben hat. Es ist eine Referenz unserer jahrhundertelangen Geschichte."