Montag, 06. Mai 2024

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Zum Tod Raimund Fellingers (Suhrkamp)
"Diese absolute Dienerschaft"

Über vierzig Jahre war Raimund Fellinger die programmbestimmende Persönlichkeit des Suhrkamp Verlags. Die Literatur war dem Arbeiterkind nicht in die Wiege gelegt. Am Samstag ist Fellinger nach schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren gestorben.

Andreas Maier im Gespräch mit Jörg Biesler | 27.04.2020
    Der Cheflektor des Suhrkamp Verlages Raimund Fellinger, aufgenommen bei einem Festakt am 17.07.2012 im Barocksaal der Hansestadt Rostock.
    Raimund Fellinger war auch für die prominentesten Autoren unverzichtbar (dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck)
    Den Beruf des Lektors verglich Raimund Fellinger einmal selbstironisch mit der Arbeit einer Hausfrau, die ihrem Mann den Rücken stärkt und ihm die Flecken aus der Krawatte bürstet. Hinter der bescheidenen Geste verbarg sich ein hochkompetenter Literaturkenner, der über 40 Jahre im Dienste des Suhrkamp Verlages stand. Der 1951 geborene Saarländer studierte ab 1970 in Frankfurt Germanistik, Linguistik und Politikwissenschaft, insbesondere bei Iring Fetscher den Marxismus. 1979 kam er zu Suhrkamp, um dann ein Jahr später 20 Jahre lang die Geschicke der legendären "edition suhrkamp" zu bestimmen. Seit 2006 wurde Fellinger zudem Cheflektor des Suhrkamp Verlages und vier Jahre später auch noch Cheflektor des Insel Verlages. Ein Mann mit Einfluss und immensem literarischen Gespür, der mit so großen Egomanen wie Uwe Johnson, Thomas Bernhard und Peter Handke umzugehen wusste, deren Lektor und Herausgeber er unter anderem war.
    Immer im Dienst der Autoren
    Ein Suhrkamp-Autor der jüngeren Generation ist Andreas Maier. Der 1967 geborene Schriftsteller hatte ein enges Verhältnis zu Raimund Fellinger. Vor wenigen Jahren veranstalteten die beiden einmal im Monat in Frankfurt den sog. "Blauen Montag", eine Gesprächsveranstaltung, in der sie vor Publikum über Literatur, Gott und die Welt sprachen. Dlf-Moderator Jörg Biesler hat im Gespräch mit Andreas Maier zunächst nach dem "Geheimnis Fellingers"gefragt. Wie habe er es geschafft, mit so schwierigen Autoren wie Thomas Bernhard oder Peter Handke eine fruchtbare Zusammenarbeit aufrecht zu erhalten? "Das ist, glaube ich, diese absolute Dienerschaft", sagte Maier im Deutschlandfunk. "Raimund Fellinger hat sich immer als Zuarbeiter empfunden und hat nichts über seine Autoren gestellt. Vor allen Dingen nicht sich selbst." Er sei aber vor allen Dingen ein getreuer Wortarbeiter gewesen. Das sei auch für den aufbrausenden Handke zum Beispiel völlig unverzichtbar gewesen – "diese Arbeit Wort für Wort am Manuskript."
    Eine Stütze für Thomas Bernhard
    Auch er selbst, ergänzte Andreas Maier, habe genau wie Handke die Erfahrung gemacht, dass ein Text dank Fellingers Lektorat "noch einmal ganz viel deutlich näher zu sich selbst" gekommen sei. Auch sei Fellinger unglaublich kundig in der Literatur- und Buchgeschichte Deutschlands gewesen, so Maier auf die Frage von Jörg Biesler, was Fellinger denn noch auszeichne. Er sei ja sehr engagiert gewesen – auch außerhalb des Hauses Suhrkamp. Eminent wichtig sei nicht zuletzt seine Arbeit als Präsident der Internationalen Thomas Bernhard-Gesellschaft gewesen. Im Grunde genommen, so Suhrkamp-Autor Andreas Maier, habe er Bernhard "am Leben erhalten".