Freitag, 19. April 2024

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Zum Tod von Gudrun Pausewang
"Man muss die jugendlichen Leser ernst nehmen"

Mehr als 90 Bücher für Jugendliche und Erwachsene hat Gudrun Pausewang geschrieben, die meisten davon sozial und politisch engagiert. Jetzt ist die Autorin 91-jährig gestorben. "Man soll ständig wachsam sein, was im Land politisch vorgeht", forderte Gudrun Pausewang 2004 im Deutschlandfunk.

Gudrun Pausewang im Gespräch mit Ute Wegmann | 25.01.2020
Die Autorin Gudrun Pausewang winkt am 13.10.2017 bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2017 auf der Buchmesse in Frankfurt am Main (Hessen).
Erhielt 2017 den Deutschen Jugendliteraturpreis: Gudrun Pausewang (dpa, Arne Dedert)
"Ich möchte mich nicht von meinen Enkeln und Urenkeln fragen lassen: 'Und du? Warum hast du nichts dagegen getan?' Ich möchte ihnen antworten können: 'Im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten habe ich versucht, etwas gegen die Gefahren unserer Zeit zu tun!'" Das hat Gudrun Pausewang 2011 gesagt, aus Anlass der Atomkatastrophe von Fukushima. Mit den Gefahren der Atomkraft hat Pausewang sich in einem ihrer erfolgreichsten Jugendbücher auseinandergesetzt, in "Die Wolke" von 1987. Gudrun Pausewang ist, wie gestern bekannt wurde, 91-jährig gestorben.
Pausewang wurde 1928 in Ostböhmen geboren. Sie wuchs in einer nationalsozialistisch gesinnten Familie auf – das wurde für ihr späteres Schreiben wichtig. Sie floh nach dem Krieg nach Westdeutschland, wurde Lehrerin. 1956 ging sie nach Lateinamerika, lebte und lehrte in Chile, Venezuela, Kolumbien. 1972 kehrte sie endgültig nach Deutschland zurück und arbeitete bis 1989 als Grundschullehrerin.
Mehr als 90 Bücher
Seit 1959 schrieb Gudrun Pausewang Romane. Mehr als 90 Bücher hat sie veröffentlicht, Erwachsenen-Romane, Bücher über Lateinamerika, Jugendromane wie "Die letzten Kinder von Schewenborn" oder "Au revoir. Bis nach dem Krieg". Die meisten Bücher waren sozial und politisch engagiert. 2017 wurde Gudrun Pausewang mit dem Sonderpreis für das Gesamtwerk beim Deutschen Jugendliteraturpreis geehrt.
Im Gespräch mit Ute Wegmann im Dezember 2004 erklärte Gudrun Pausewang, warum sie neben ihrer sehr produktiven und erfolgreichen Tätigkeit als Schriftstellerin den Lehrerinnen-Beruf nie aufgegeben hat: "Der Beamtenberuf hat mich mit der Freiheit versorgt, die ich brauchte, um nur das schreiben zu können, was ich schreiben wollte." Auf die Frage, mit welchen Themen man Jugendliche erreichen könne, sagte Pausewang: "Ich glaube, man kann Jugendliche mit sehr vielen Themen bewegen. Sie müssen aber über das Buch das Gefühl bekommen, diese Autorin oder dieser Autor nimmt uns ernst." Für sie selbst als Jugendliche sei dieser Aspekt bei der Bewertung eines Buches ungeheuer wichtig gewesen.
Man müsse sich damit abfinden, dass das Lesen heutzutage ein Hobby unter vielen sei, so Gudrun Pausewang. Der Vorteil der heutigen Zeit sei aber, dass man sich Bücher leisten könne. "In meiner Jugend in den 1930er Jahren war die Bevölkerung längst nicht so wohlhabend wie heute."
Aufarbeitung der NS-Zeit
Ein zentrales Thema war für Gudrun Pausewang zeitlebens die Aufarbeitung der Nazizeit: "Man soll ständig wachsam sein und sich ständig mitverantwortlich für das fühlen, was im Land politisch vorgeht, und danach handeln." Eine wichtige Tugend, die ihrer Meinung nach im Erziehungssystem vernachlässigt werde, sei die Zivilcourage.
Auf die Frage, welches ihrer Bücher ihr am wichtigsten sei, verglich Gudrun Pausewang sich mit einer Mutter: "Mir sind sie alle gleich lieb, denn ich habe sie alle mit Herzblut bekommen."