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Zum Tod von Hilmar Hoffmann
"Kultur für alle!"

Zivilisierung einer Gesellschaft durch Kultur, Teilhabe für alle - dafür stritt der Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann wie kein Zweiter. Die Arbeit des Sozialdemokraten wurde zum Synonym für eine erfolgreiche und richtungsweisende Kulturvermittlung.

Von Michael Köhler | 02.06.2018
    Hilmar Hoffmann in seinem Arbeitszimmer in Frankfurt am Main, 2015
    Hilmar Hoffmann in seinem Arbeitszimmer in Frankfurt am Main, 2015 (imago/ Heike Lyding)
    "'Kultur für alle' als Programm für die Zukunft ist nicht erledigt!"
    Für Hilmar Hoffman war das stets mehr als eine griffige Formel. Aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, glaubte er an die zivilisierende Kraft der Kultur. Die Reeducation der jungen Bundesrepublik könne auch und gerade mit Kultur in die Hand genommen werden. An der Folkwang Hochschule in Essen hat er sein Regie-Diplom gemacht, wurde Regieassistent in der Ruhrstadt, leitete in den 50ern ein Theater in Oberhausen, wurde dort Volkshochschuldirektor und Gründer der Kurzfilmtage sowie von 1965 - 1970 Kulturdezernent in der Ruhrgebietsstadt.
    "Das Projekt 'Kultur für alle' ist immer noch ein utopisches. Es ist noch längst nicht eingelöst und ich sage heute: 'Kultur für alle' ist eine Prognose und keine Retrospektive. Das heißt, wir müssen, was mit den Steuergeldern aller aufgebracht wird, nämlich kulturelle Infrastruktur, allen Menschen zugänglich machen um ihrer selbst willen."
    Ein Gestalter mit Überzeugungskraft
    Dieses Bekenntnis hat er wie kein Zweiter in den Jahren von 1970 - 1990 umgesetzt. In dieser Zeit war er Kulturdezernent in Frankfurt am Main und hat kulturelle Großprojekte wie die Umgestaltung des Mainufers zum Museumsufer in die Wege geleitet. Darunter waren Häuser für alternative Kultur. Es sind aber auch fünfzehn neue Museen entstanden. Frankfurt hatte unter Hilmar Hoffmann den größten Kulturetat einer europäischen Kommune.
    Norbert Sievers, Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft, deren Gründungsdirektor Hoffmann war.
    "Hilmar Hoffmann, das war ein Gestalter, ein Architekt, der die Idee hatte, der ein Ziel hatte und auch wusste, wie man politische Mehrheiten dafür bekommt und auch andere Führungskreise im großbürgerlichen Kreis gewinnen konnte. Das hat der mit einer unheimlichen Energie gemacht, mit einer unheimlichen Überzeugungskraft und er hat in Frankfurt am Main auch einen Hintergrund, wo man das tun konnte."
    Sein Engagement und seine Autorität waren bei Kanzlern und Präsidenten bekannt und anerkannt.
    "Ein begnadeter Bettler ist er auch. Und wenn er zugreift und wenn er kommt – nach dem Bibelwort: Heute hat ihn der Herr in meine Hand gegeben. – dann weiss man, dieser Mann streitet glaubwürdig für eine Sache, die dringend ist und die immer wieder in den Verdacht gerät, nur verbal erledigt zu werden. "
    Das sagte Bundespräsident Johannes Rau im Januar 2002 zu Hilmar Hofmanns Verabschiedung als Präsident des Goethe Institutes, das er fast zehn Jahre, von 1993 an, geleitet hatte. Stolz war der Sozialdemokrat auch darauf, von Kanzler Helmut Kohl 1993 in das Amt geholt worden zu sein. Als bitter empfand er, ausgerechnet unter Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer gegen Kürzungen in der Mittelzuweisung für die Goethe Institute kämpfen zu müssen.
    Seine Rücktrittsdrohung 1999 zeigte Wirkung. Es wurde nur die Hälfte der beabsichtigten zwanzig Institute geschlossen.
    "Es hat Jahre gedauert, bis wir auch mit Hilfe der Goethe Institute wieder ein Vertrauen haben bilden können in die Demokratie nach 1945."
    Bloß keine "Guggenheimisierung" der Kulturpolitik
    Der belesene Mann sprach gern von Schiller und der Notwendigkeit zur ästhetischen Erziehung des Menschen. Zugleich machte er sich Sorgen um die Finanzierung der öffentlichen Kultur in Deutschland.
    "Die fatale Entwicklung ist, dass wir eine Guggenheimisierung irgendwann mal zu gewärtigen haben, dass viele Städte sich drauf verlassen: Ach, dann sollen doch mal die Sponsoren hier die Kultur in der Stadt bestimmen."
    Der groß gewachsene meinungsstarke Mann mit silbergrauer Mähne vermochte es, Menschen hinter sich für die Kultur zu versammeln. So gründete er, als die Neigung entstand "sich zu Tode zu amüsieren", die Stiftung Lesen mit, der er von 1990 bis 1994 vorstand.
    "Er konnte schon was in die Waagschale legen, mehr als die Dezernenten es heute tun können."
    Kulturpolitik als Mittel zum Frieden
    Für Irritationen sorgte seine Freundschaft mit der zur NS-Zeit bekannt gewordenen Filmemacherin Leni Riefenstahl, für die sich der Filmenthusiast Hoffmann 1996 einsetzte.
    Hilmar Hoffmann war der Typ eines wegweisenden paradigmatischen Kulturpolitikers, der Ideen hatte, der sie umzusetzen vermochte und die Anerkennung der Politik genoss.
    "Es gibt bis heute keine überzeugende Darstellung dessen, was Kulturpolitik beitragen kann, dass wir im nächsten Jahrhundert eine friedliche Zukunft gewinnen. Und daran ist ja Kulturpolitik auch wesentlich beteiligt an dieser Diskussion."
    Dass Kulturpolitik auch Bildungs- und Sozialpolitik ist, und damit ein notwendiges Politikfeld, geht auf Hilmar Hoffmann zurück.
    "'Kultur für alle' als Programm für die Zukunft ist nicht erledigt!"