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Zum Tod von Roger Willemsen
Der Anspruch, "genau zu sein"

Roger Willemsen gehörte zu den bekanntesten deutschen Intellektuellen. Der Bestsellerautor und Fernsehmoderator war vielseitig wie kaum ein anderer. Tabuthemen schien es für ihn nicht zu geben.

    Roger Willemsen
    "Der Sinn des Lebens besteht darin, die gegebene Frist sinnvoll zu nutzen." (Deutschlandradio Kultur / Nicolas Hansen)
    Das wurde schon in seiner ersten Fernsehsendung "0137" deutlich, die im Pay-TV-Sender Premiere 1991 startete, und Willemsen zum Shootingstar in der Moderatorenszene avancierte. Angesiedelt zwischen Politik und Boulevard führte er mehr als 600 Interviews mit Prominenten wie Audrey Herpburn und Palästinenserführer Jassir Arafat. Aber auch mit Unbekannten sprach er, darunter mit einem geflohenen Bankräuber und einem "Menschenfresser". Dabei war er stets ein brillianter Rhetoriker und ein interessierter Beobachter. Für seinen Anspruch, "genau zu sein" und seine unverwechselbare Gesprächsführung erhielt Willemsen denn auch 1992 den Bayerischen Fernsehpreis und ein Jahr später den Adolf-Grimme-Preis.
    Schreiben und Reisen gehörten unzertrennlich zusammen
    Später moderierte er im ZDF die Talk-Shows "Willemsens Woche" und "Willemsens Zeitgenossen" und im Schweizer Fernsehen den "Literaturclub". Aber auch das Schreiben und Reisen gehörten untrennbar zu seinem Leben. Er verfasste vor allem essayistische Reisebücher. Zuletzt war er erfolgreich mit seinem dokumentarischen Buch "Das Hohe Haus. Ein Jahr im Parlament". Dort hatte er das Geschehen im Bundestag von der Besucher-Tribüne aus verfolgt.
    Das größte Glück ist die Produktivität
    In einem Interview, das er der Katholischen Nachrichten-Agentur anlässlich seines 60. Geburtstags im vergangenen Jahr gab, sagte er: "Der Sinn des Lebens besteht darin, die gegebene Frist sinnvoll zu nutzen. Nicht nur Spaß zu haben." Das größte Glück sei für ihn die Produktivität. Zudem war Willemsen vor allem sein Engagement für Frauen und Mädchen in Afghanistan wichtig. Der KNA sagte er, ein bleibender Wunsch sei die Vorstellung, ein Picknick in der afghanischen Steppe zu machen.
    Roger Willemsen, 1955 in Bonn geboren, studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte unter anderem in Florenz und Wien. Neben dem Studium arbeitete er als Reiseleiter, Nachtwächter und Museumswärter. Willemsen starb gestern in seinem Haus in Wentorf bei Hamburg an den Folgen einer Krebserkrankung, die im vergangenen Sommer festgestellt wurde. Er zog sich danach aus der Öffentlichkeit zurück.
    "Willemsen hat die Gesellschaft mit Kreativität kulturell belebt"
    Kulturstaatsministerin Monika Grütters würdigte Willemsen als engagierten Weltbürger. In Berlin erklärte die CDU-Politikerin, Willemsen habe die Gesellschaft mit seiner großen Kreativität kulturell belebt und zugleich als scharfer Beobachter der Verhältnisse auch den Politikern einen Spiegel vorgehalten.
    (sh/tgs)