Heinlein: 800 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger. Nicht wissen, was man seiner Familie, seinen Kindern zu essen geben soll, das ist schrecklicher Alltag in vielen Ländern der sogenannten Dritten Welt. Verhungern ist ein stiller, ein unspektakulärer Tod. Es sind banale Krankheiten wie Masern oder Durchfall, die chronisch unterernährte Menschen dahinraffen. Vor allem Kinder sind die ersten Opfer. Tag für Tag sterben über 24000 Menschen an Hunger, eine Tatsache, vor der sich unser Nitrofen-Skandal wie ein Luxusproblem ausnimmt. Den weltweiten Hunger um die Hälfte zu reduzieren, so lautete der Beschluss des Welternährungsgipfels vor fünf Jahren in Rom. Bis zum Jahr 2015 sollte dieses ehrgeizige Ziel erreicht werden. Seit gestern nun soll auf dem Folgegipfel ebenfalls in Rom Bilanz gezogen werden. 5000 Delegierte sind angereist. Eine Mammutkonferenz, über die wir jetzt am Tagungsort in der italienischen Hauptstadt reden wollen mit der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium, Uschi Eid (Bündnis 90/Die Grünen). Guten Morgen!
Eid: Guten Morgen Herr Heinlein.
Heinlein: Frau Eid, Bush, Blair, Chirac und auch unser Bundeskanzler, sie fehlen in Rom. Das war anders vor fünf Jahren. Wird denn der weltweite Hunger in den westlichen Hauptstädten inzwischen nicht mehr ernst genommen?
Eid: Doch, selbstverständlich. Ich glaube auch nicht, dass man den Erfolg einer solchen Konferenz daran messen kann, ob nun die Staatsoberhäupter da sind. Die Bundesregierung wird hier vertreten durch die Landwirtschafts- und Verbrauchsministerin und durch mich aus dem Entwicklungsministerium und wir haben hier auch einen großen Erfolg vorzuweisen. Uns ist zum Beispiel gelungen - und das weiß ich nicht, ob es denn Staatsoberhäuptern gelungen wäre -, dass wir einen neuen Ansatz in die Abschlussdeklaration dieser Konferenz hineingebracht haben, nämlich einen Ansatz, der dem Menschen das Recht auf Nahrung gewährt. Denn bisher hat man zu einseitig auf die Produktion, auf die Landwirtschaft gesetzt und meinte, man kann den Hunger nur dadurch bekämpfen, dass man höhere Erträge erzielt. Ich glaube das ist zu einseitig und wir haben einen etwas erweiterten Ansatz jetzt hineingebracht und darauf können wir sehr stolz sein.
Heinlein: Was soll denn dieser Verhaltenskodex für das Recht auf Nahrung bewirken?
Eid: Zunächst einmal ist der Ansatz Recht auf Nahrung ein Ansatz, der am Bedürfnis nach ausreichender und angemessener Nahrung ansetzt. Er ist also kein agrarsektorbezogener Ansatz, sondern er stellt die gefährdeten Gruppen, also die Menschen und ihre Haushalte in den Vordergrund und soll ihnen die Möglichkeit verschaffen, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen: entweder indem sie Einkommen erwirtschaften können oder indem sie die Nahrungsmittel für den eigenen Verbrauch produzieren können. Nun ist es gelungen, einen solchen Verhaltenskodex in diese Deklaration hineinzubringen, allerdings natürlich als Freiwilligkeit und es wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die im Laufe der nächsten zwei Jahre solche Richtlinien erarbeiten soll.
Heinlein: Freiwilligkeit sagen Sie also. Was unterscheidet diesen Kodex von der Unverbindlichkeit vorangegangener Beschlüsse, denn die Bilanz von Rom ist ja recht ernüchternd nach fünf Jahren?
Eid: Ein Verhaltenskodex soll natürlich dann auch in nationales Recht umgesetzt werden, so dass Menschen in Entwicklungsländern auch das Recht zum Beispiel einklagen können, wenn Kleinbauern von ihren Ländereien vertrieben werden. Dann wird ihnen das Recht auf Nahrung verweigert. Das heißt also, es in nationale Gesetzgebung umwandeln, dass Agrarreformen durchgesetzt werden, dass es gesicherte Bodenrechtsverhältnisse gibt, dass es eine faire Markt- und Preispolitik gibt. Diese Dinge sollen dann in nationale Gesetze gegossen werden, so dass die Menschen auch dieses, ihr Recht einklagen können auf der nationalen Ebene.
Heinlein: So weit also zu den Absichtserklärungen, Frau Eid, aber die Zahlen sind doch recht ernüchternd, denn vom Ziel, den Hunger in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, ist man doch nach wie vor weit entfernt. Woran liegt es?
Eid: Sie haben Recht. Das ist natürlich ein sehr hochgestecktes Ziel, aber ich bin auch dafür, dass man sich hochgesteckte Ziele vornimmt, um dann in einem gemeinsamen Kraftakt in der internationalen Staatengemeinschaft auch dieses Ziel erreichen zu wollen. Aber es geht nicht nur darum, dass man auf Konferenzen gute Absichtserklärungen formuliert, sondern es geht darum, dass vor Ort Reformen in der Landwirtschaft, im Agrarsektor durchgeführt werden. Ich habe eben schon zum Beispiel die Agrarreformen genannt, die dringend erforderlich sind. Die wurden auch 1996 beschlossen. Aber können Sie mir ein Land der Dritten Welt nennen, wo wir ungerechte Besitzverhältnisse haben, welches in den letzten sieben Jahren eine Agrarreform durchgeführt hat? - Also hier ist man in Ländern des Südens sehr zögerlich. Wir müssen Frauen viel stärker berücksichtigen, denn Frauen sind weit mehr von Armut und Hunger betroffen und sie tragen aber gleichzeitig aber verstärkt zur Ernährungssicherung und zur Einkommensbeschaffung bei. Sie sind aber noch nicht gleichberechtigt. Sie haben in vielen Ländern noch kein Recht, Boden zu besitzen, den sie selber bearbeiten, oder auch kein Recht, Kredite von der Bank zu bekommen, um dieses Geld in der Landwirtschaft zu investieren.
Heinlein: Frau Eid, Reformen in den Entwicklungsländern ist das eine; Geld, Entwicklungshilfe, konkrete Schritte von Seiten der Industriestaaten ist das andere. Mit welcher Strategie, mit wie viel Geld, mit welchen Instrumenten soll denn dieses Ziel von Seiten der entwickelten Welt, von Seiten der westlichen Staaten erfüllt werden?
Eid: Nun wir müssen einmal unterschieden. Wir haben ja verschiedene Hungerursachen. Wenn es darum geht, Naturkatastrophen zu bekämpfen, dann sehen wir jetzt im südlichen Afrika: die Bundesregierung hat einige Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit müssen wir immer rechnen. Aber es geht ja um die strukturellen Ursachen, die diesen schleichenden Hunger, den Sie ja am Anfang genannt haben, diesen stillen Tot bekämpfen. Da ist es natürlich dringend notwendig, dass die internationale Staatengemeinschaft auch Finanzen zur Verfügung stellt, um Reformen vor Ort zu unterstützen.
Heinlein: Und geschieht dies?
Eid: Und die Bundesregierung hat 8,5 Millionen Euro jetzt zu diesem FAO-Gipfel zur Verfügung gestellt.
Heinlein: Sind Sie mit diesem Geld zufrieden?
Eid: Nein. Es geht ja darum, dass alle Regierungen der Industrienationen hier helfen, und es geht vor allem darum, dass man das Geld dann auch für Reformen vor Ort einsetzen kann. Ich glaube da sind auch die Politiker und die Regierungen im Süden gefordert, denn die haben zum Teil sehr zögerlich diese Reformen durchgeführt.
Heinlein: Ganz kurz zum Schluss Frau Eid: Den Hunger in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, ist dieses Ziel noch zu erreichen?
Eid: Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, und ich bin immer noch optimistisch, gerade jetzt auch nach diesem Gipfel hier in Rom.
Heinlein: Zum Welternährungsgipfel in Rom heute Morgen hier im Deutschlandfunk die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium Uschi Eid. - Frau Eid, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Rom!
Link: Interview als RealAudio
Eid: Guten Morgen Herr Heinlein.
Heinlein: Frau Eid, Bush, Blair, Chirac und auch unser Bundeskanzler, sie fehlen in Rom. Das war anders vor fünf Jahren. Wird denn der weltweite Hunger in den westlichen Hauptstädten inzwischen nicht mehr ernst genommen?
Eid: Doch, selbstverständlich. Ich glaube auch nicht, dass man den Erfolg einer solchen Konferenz daran messen kann, ob nun die Staatsoberhäupter da sind. Die Bundesregierung wird hier vertreten durch die Landwirtschafts- und Verbrauchsministerin und durch mich aus dem Entwicklungsministerium und wir haben hier auch einen großen Erfolg vorzuweisen. Uns ist zum Beispiel gelungen - und das weiß ich nicht, ob es denn Staatsoberhäuptern gelungen wäre -, dass wir einen neuen Ansatz in die Abschlussdeklaration dieser Konferenz hineingebracht haben, nämlich einen Ansatz, der dem Menschen das Recht auf Nahrung gewährt. Denn bisher hat man zu einseitig auf die Produktion, auf die Landwirtschaft gesetzt und meinte, man kann den Hunger nur dadurch bekämpfen, dass man höhere Erträge erzielt. Ich glaube das ist zu einseitig und wir haben einen etwas erweiterten Ansatz jetzt hineingebracht und darauf können wir sehr stolz sein.
Heinlein: Was soll denn dieser Verhaltenskodex für das Recht auf Nahrung bewirken?
Eid: Zunächst einmal ist der Ansatz Recht auf Nahrung ein Ansatz, der am Bedürfnis nach ausreichender und angemessener Nahrung ansetzt. Er ist also kein agrarsektorbezogener Ansatz, sondern er stellt die gefährdeten Gruppen, also die Menschen und ihre Haushalte in den Vordergrund und soll ihnen die Möglichkeit verschaffen, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen: entweder indem sie Einkommen erwirtschaften können oder indem sie die Nahrungsmittel für den eigenen Verbrauch produzieren können. Nun ist es gelungen, einen solchen Verhaltenskodex in diese Deklaration hineinzubringen, allerdings natürlich als Freiwilligkeit und es wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die im Laufe der nächsten zwei Jahre solche Richtlinien erarbeiten soll.
Heinlein: Freiwilligkeit sagen Sie also. Was unterscheidet diesen Kodex von der Unverbindlichkeit vorangegangener Beschlüsse, denn die Bilanz von Rom ist ja recht ernüchternd nach fünf Jahren?
Eid: Ein Verhaltenskodex soll natürlich dann auch in nationales Recht umgesetzt werden, so dass Menschen in Entwicklungsländern auch das Recht zum Beispiel einklagen können, wenn Kleinbauern von ihren Ländereien vertrieben werden. Dann wird ihnen das Recht auf Nahrung verweigert. Das heißt also, es in nationale Gesetzgebung umwandeln, dass Agrarreformen durchgesetzt werden, dass es gesicherte Bodenrechtsverhältnisse gibt, dass es eine faire Markt- und Preispolitik gibt. Diese Dinge sollen dann in nationale Gesetze gegossen werden, so dass die Menschen auch dieses, ihr Recht einklagen können auf der nationalen Ebene.
Heinlein: So weit also zu den Absichtserklärungen, Frau Eid, aber die Zahlen sind doch recht ernüchternd, denn vom Ziel, den Hunger in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, ist man doch nach wie vor weit entfernt. Woran liegt es?
Eid: Sie haben Recht. Das ist natürlich ein sehr hochgestecktes Ziel, aber ich bin auch dafür, dass man sich hochgesteckte Ziele vornimmt, um dann in einem gemeinsamen Kraftakt in der internationalen Staatengemeinschaft auch dieses Ziel erreichen zu wollen. Aber es geht nicht nur darum, dass man auf Konferenzen gute Absichtserklärungen formuliert, sondern es geht darum, dass vor Ort Reformen in der Landwirtschaft, im Agrarsektor durchgeführt werden. Ich habe eben schon zum Beispiel die Agrarreformen genannt, die dringend erforderlich sind. Die wurden auch 1996 beschlossen. Aber können Sie mir ein Land der Dritten Welt nennen, wo wir ungerechte Besitzverhältnisse haben, welches in den letzten sieben Jahren eine Agrarreform durchgeführt hat? - Also hier ist man in Ländern des Südens sehr zögerlich. Wir müssen Frauen viel stärker berücksichtigen, denn Frauen sind weit mehr von Armut und Hunger betroffen und sie tragen aber gleichzeitig aber verstärkt zur Ernährungssicherung und zur Einkommensbeschaffung bei. Sie sind aber noch nicht gleichberechtigt. Sie haben in vielen Ländern noch kein Recht, Boden zu besitzen, den sie selber bearbeiten, oder auch kein Recht, Kredite von der Bank zu bekommen, um dieses Geld in der Landwirtschaft zu investieren.
Heinlein: Frau Eid, Reformen in den Entwicklungsländern ist das eine; Geld, Entwicklungshilfe, konkrete Schritte von Seiten der Industriestaaten ist das andere. Mit welcher Strategie, mit wie viel Geld, mit welchen Instrumenten soll denn dieses Ziel von Seiten der entwickelten Welt, von Seiten der westlichen Staaten erfüllt werden?
Eid: Nun wir müssen einmal unterschieden. Wir haben ja verschiedene Hungerursachen. Wenn es darum geht, Naturkatastrophen zu bekämpfen, dann sehen wir jetzt im südlichen Afrika: die Bundesregierung hat einige Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Damit müssen wir immer rechnen. Aber es geht ja um die strukturellen Ursachen, die diesen schleichenden Hunger, den Sie ja am Anfang genannt haben, diesen stillen Tot bekämpfen. Da ist es natürlich dringend notwendig, dass die internationale Staatengemeinschaft auch Finanzen zur Verfügung stellt, um Reformen vor Ort zu unterstützen.
Heinlein: Und geschieht dies?
Eid: Und die Bundesregierung hat 8,5 Millionen Euro jetzt zu diesem FAO-Gipfel zur Verfügung gestellt.
Heinlein: Sind Sie mit diesem Geld zufrieden?
Eid: Nein. Es geht ja darum, dass alle Regierungen der Industrienationen hier helfen, und es geht vor allem darum, dass man das Geld dann auch für Reformen vor Ort einsetzen kann. Ich glaube da sind auch die Politiker und die Regierungen im Süden gefordert, denn die haben zum Teil sehr zögerlich diese Reformen durchgeführt.
Heinlein: Ganz kurz zum Schluss Frau Eid: Den Hunger in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren, ist dieses Ziel noch zu erreichen?
Eid: Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, und ich bin immer noch optimistisch, gerade jetzt auch nach diesem Gipfel hier in Rom.
Heinlein: Zum Welternährungsgipfel in Rom heute Morgen hier im Deutschlandfunk die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium Uschi Eid. - Frau Eid, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Rom!
Link: Interview als RealAudio