Donnerstag, 16. Mai 2024

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Zur Ausweitung der Lungenkrankheit SARS

Probst: Angesichts der rasanten Ausweitung der Lungenkrankheit SARS hat die Volksrepublik drastische Quarantänebestimmungen erlassen. Gestern wurden ja schon Schulen in der Hauptstadt geschlossen, heute alle Gefängnisse der Stadt und ein Großteil des Krankenhauses wurde abgeriegelt. Bei Verdachtsfällen werde man auch Fabriken, ja ganze Dörfer unter Quarantäne stellen, hieß es. Professor Hans Wilhelm Doerr ist Leiter des Instituts für medizinische Virologie an der Universitätsklinik Frankfurt und jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Doerr.

24.04.2003
    Doerr: Guten Tag.

    Probst: Nachdem China das SARS-Problem ja lange heruntergespielt, zunächst sogar verschweigen hatte, wird nun in einer Art und Weise gehandelt, die an Aktionismus erinnert, wenn man auch an die Fernsehbilder denkt. Würden Sie diese Einschätzung teilen oder halten Sie die Vorgehensweise für angemessen?

    Doerr: Für weitgehend angemessen. Wenn man überhaupt etwas tut, dann muss man es jetzt tun und das wichtigste Mittel ist ja Unterbrechung der Infektionskette.

    Probst: Heißt das, wenn man also da die Bahnhofshallen mit Sprühmitteln benetzt sieht oder die Fußböden abspritzt, das ist eine angemessene Vorbeugung?

    Doerr: Man kann natürlich zur Ansicht neigen, das sei etwas übertrieben, aber auf der anderen Seite wird der Erreger durch Schmierkontakt übertragen und es ist ja eine Maßnahme, die man relativ einfach durchführen kann. Da sage ich auch: lieber etwas zu viel als zu wenig

    Probst: Schmierkontakt heißt?

    Doerr: Jemand scheidet den Erreger mit dem Stuhl aus. Bei normaler Toilettenbenutzung, das wissen wir von vielen anderen Beispielen, können winzigste Mengen des Erregers dennoch an die Hand geraten, das schmiert man irgendwo hin und wenn das jetzt unter unhygienischen Bedingungen, zum Beispiel da, wo auch Kakerlaken wimmeln, in großer Menge abgeschmiert wird, kann der nächste da hingreifen und sich infizieren.

    Probst: Die chinesische Hauptstadt Peking hat heute einen weiteren starken Anstieg von Patienten mit SARS gemeldet, 80 neue Fälle und auch etliche Todesfälle seien hinzugekommen. Muss man daraus schließen, dass die Behörden, obwohl sie sich gegenüber der Weltgesundheitsorganisation ja etwas offener jetzt gerieren, immer noch mit einem Teil der Wahrheit hinterm Berg halten?

    Doerr: Das glaube ich nicht. Ein Mitarbeiter von uns ist auch in Peking und hat mir gestern telefonisch gesagt, jetzt habe er doch den Eindruck, dass sich die WHO-Experten frei bewegen können, sie können zum Beispiel in alle Krankenhäuser hinein, wie sie möchten und können da vor Ort recherchieren.

    Probst: Das Ausmaß ist ja weitgehend regional begrenzt, abgesehen mal von Toronto, Kanada, wo es auch mehrere Todesfälle gegeben hat. Kann man trotzdem von einer Epidemie sprechen?

    Doerr: In China haben wir auf jeden Fall eine, zunächst mal im Süden, im Kanton Hongkong und der Provinz Guandong und dann in der Hauptstadt Peking. Peking ist immerhin eine Stadt mit 14 Millionen Einwohnern, relativ dazu haben wir sicher keine explosive Epidemie, aber eben doch eine Ausbreitung. Man muss alles tun, um die Sache einigermaßen im Keim zu ersticken.

    Probst: Wenn die Weltgesundheitsorganisation, das Auswärtige Amt, glaube ich, auch, eine Reisewarnung inzwischen herausgegeben hat, ist das angemessen?

    Doerr: Für Urlauber ja, Geschäftsreisende können aber ihrem Auftrag nachgehen bei entsprechenden Vorsichtsmaßnehmen. Mundschutz in mehrfacher Ausfertigung im Gepäck.

    Probst: Sie selber würden also ohne Bedenken, wenn Sie eine Tagung in Hongkong hätten, hinfliegen?

    Doerr: Ja und auch unser Mitarbeiter sagt, dass natürlich die Geschäftsreisenden dort ihrer Tätigkeit nachgehen können. Wie gesagt, man muss vorsichtig sein.

    Probst: Herr Professor Doerr, zum Schluss kurz: Den Auslöser dieser Epidemie, eine Variante des Corona-Virus, hat man ja relativ schnell identifiziert. Lässt sich vorhersagen, wie schnell man auch ein Gegenmittel entwickeln kann?

    Doerr: Das kann ich leider nicht vorhersagen. Die Sache ist folgende: Corona-Viren waren zwar bisher schon immer beim Menschen verbreitet, aber nur harmlose Erkältungskrankheiten, also hat man bisher auch keine Gegenmittel entwickelt. Auf der anderen Seite kann man mit etwas Glück schon auch relativ kurzfristig ein Gegenmittel finden. Die Frage ist ganz offen. Langfristig wird man sicherlich etwas finden.

    Probst: Das war Professor Hans Wilhelm Doerr, Leiter des Instituts für medizinische Virologie an der Universitätsklinik in Frankfurt. Herr Professor Doerr, ich danke Ihnen.

    Doerr: Bitteschön.