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Zur Debatte um die Trennung von Amt und Mandat

Durak: Die Bündnisgrünen sind nicht mehr kopflos. Ihre beiden Vorsitzenden, Claudia Roth und Fritz Kuhn, bleiben so lange im Amt, bis es eine neue Führung gibt. Die wird entweder im September auf dem Parteitag komplett neu gewählt oder es gelingt vorher, Landes- und Kreisverbände vorher doch noch zu einer Art Lex Roth-Kuhn zu bewegen, die beiden beides erlaubt, Amt und Mandat. Es kommt also Arbeit auf die Führung zu, Überzeugungsarbeit. Am Telefon ist Claudia Roth, schönen guten Morgen.

    Roth: Guten Morgen, Frau Durak.

    Durak: Ist der Wochenendschock überwunden?

    Roth: Ja, die Grüne Partei ist immer für Überraschungen gut. Das war eine große Überraschung, das gebe ich zu, nach einem sehr erfolgreichen Wahlkampf, dem besten Ergebnis, das wir in unserer ganzen Geschichte hatten, dann doch ein bisschen eine Dusche zu kriegen – aber jetzt geht es weiter.

    Durak: Die Grünen sind wie sie sind. Ich formuliere es mal so mit meinen Worten, Frau Roth und eine solche basisdemokratische Entscheidung wie die vom Wochenende, ist die nicht eigentlich das letzte Unterscheidungsmerkmal Ihrer Partei gegenüber anderen, was innerparteiliche Demokratie betrifft?

    Roth: Die Entscheidung des Parteitags ist überhaupt nicht zu kommentieren. Sie ist demokratisch legitimiert und die Frage der Trennung von Amt und Mandat ist eine Frage, die in der Tat nur bei unserer Partei so eine Bedeutung hat. Bei anderen Parteien war das nie ein wichtiges Thema. Und es ist ja nun wichtig zu sagen und zu fragen, welche Strukturen sind geeignet um Machtkonzentrationen zu vermeiden, welche Strukturen sind richtig um der Partei einen eignen Raum zu geben...

    Durak: Und wie beantworten Sie diese Frage, Frau Roth?

    Roth: Ich glaube, wir haben uns als Bundesvorstand sehr ernsthaft mit dieser Frage beschäftigt und gesagt, wie kann man Partei und Fraktion miteinander verknüpfen, haben deshalb einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der es nur einem Drittel der Bundesvorstandsmitglieder erlaubt hätte, überhaupt ein Mandat zu haben und der es nicht erlaubt hätte, dass zum Beispiel Minister oder Fraktionsvorsitzende im Bundesvorstand sind. Gleichwohl hat dieser Kompromissvorschlag bei uns nicht die nötige Mehrheit bekommen, bei uns müssen solche Mehrheiten zwei Drittel sein, also gibt es gar keine Kommentare. Der Parteitag hat entschieden.

    Durak: Aber ein bisschen hinderlich ist das schon, wenn eine Minderheit die Mehrheit kippt.

    Roth: Das ist aber genau unsere Satzung, dass bei Satzungsfragen es zwei Drittel Mehrheit der Delegierten braucht. Ich habe das nicht zu kommentieren, das ist die Basis unserer Partei.

    Durak: Aber diese Basis behindert doch die effektive, professionelle politische Arbeit der Regierungspartei.

    Roth: Mag sein, dass andere das anders sehen. Das eine Drittel, das nicht diesem Kompromiss zustimmen konnte, hat bestimmt Einwände, Befürchtungen und bestimmte Prinzipien gehabt, die sie bei unserer Partei weiter sehen wollen. Ich finde das sehr spannend, jetzt hat ja ein Diskussionsprozess in der Partei begonnen, da müssen auch nicht die Parteivorsitzenden Überzeugungsarbeit leisten, wir haben uns an einen Beschluss der Partei zu halten. Aber jetzt beginnt die Diskussion in den Kreisverbänden, viele haben beschlossen, neuen Anträge einzubringen und diese Debatte wird uns auch wieder im Dezember begegnen.

    Durak: Werden Sie erneut kandidieren, wenn es nicht gelingt, eine Satzungsänderung herbeizuführen – und der Termin dafür ist ja schon der kommende Sonntag?

    Roth: Wissen Sie, ich muss Ihnen sagen, dass sich dieses Thema mir nicht stellt...

    Durak: Wieso nicht?

    Roth: Es war nicht so einfach am Samstag, diese Entscheidung mitzuerleben, ich habe mich aber dazu entschlossen, zwei Dinge zu tun. Erstens jetzt nicht alles hinzuwerfen und zu sagen: ach, jetzt bin ich eingeschnappt, sondern zu sagen: wir machen ganz normal und selbstverständlich die Geschäfte bis zum nächsten Parteitag im Dezember. Gerade jetzt braucht doch auch die neue Regierung Stabilität, jetzt muss es darum gehen, den Koalitionsvertrag zügig umzusetzen, gerade jetzt müssen wir uns als Bündnisgrüne mit einer daniederliegenden FDP und deren Skandalen auseinandersetzen. Jetzt muss Politik gemacht werden und das tue ich. Zweitens habe ich mich auch entschlossen, dass ich mein Bundestagsmandat, das ich gewonnen habe, bekommen habe von vielen Wählerinnen und Wählern, nicht zurückgebe, wie ich es schon mal getan habe, sondern Loyalität gegenüber den Wählerinnen und Wählern heißt auch, dass ich jetzt diese Arbeit im Bundestag tue.

    Durak: Und die Überzeugungsarbeit überlassen Sie den Kreis- und Landesverbänden, den Führungen dort?

    Roth: Es kann nicht sein, dass ein Bundesvorstand hergeht und sagt: dieser Beschluss hat uns nicht so gefallen, jetzt versuchen wir von oben dieser Partei noch mal was anderes vorzuschlagen. Ich halte mich an den Beschluss. Einzelne Verbände setzen sich noch mal sehr intensiv mit dieser Frage auseinander, denn die Frage ist ja durchaus legitim, ob es sinnvoll war, nicht einen Kompromiss zu suchen, der eine sehr erfolgreiche Arbeit eines erfolgreichen Bundesvorstandes weiter ermöglicht hätte.

    Durak: Wo sehen Sie denn Unterstützung für eine Satzungsänderung? Ein Landesverband fällt schon mal weg, Niedersachsen, deren Landesvorsitzender hat sich heute morgen geäußert und sagt nein.

    Roth: Das müssen die Kreis-, Orts- und Landesverbände selbst entscheiden. Wenn es noch einmal zur Debatte kommt, wie man eine möglichst starke Partei haben kann in schwierigen Zeiten, wo es darum geht, eine rot-grüne Politik kraftvoll durchzusetzen, das muss man dann sehen. Das muss jetzt die Partei entscheiden. Ich habe viele Monate mein Bestes dafür getan, die Entscheidung am Parteitag ist gefallen und es ist jetzt nicht die Arbeit des Bundesvorstandes sondern die, die aus der Partei herauskommt.

    Durak: Joschka Fischer hat es da sehr viel einfacher. Er hat offiziell kein Parteiamt inne, wird aber als heimlicher Vorsitzender und Minister als jemand gesehen und erlebt, der die Geschicke und Entscheidungen der Bündnisgrünen trägt. Welche Rolle spielt er in der Führung?

    Roth: Joschka Fischer war Spitzenkandidat, hat mit dazu beigetragen, dass dieser Wahlkampf sehr fulminant gewonnen worden ist. Joschka ist Bundesaußenminister, außen Minister, innen grün und spielt eine entscheidende Rolle bei den Grünen aber er ist nicht heimlicher Vorsitzender sondern er ist grünes Mitglied, das sich sehr engagiert um die Geschicke der Partei kümmert.

    Durak: Und das letzte Wort hat nicht er?

    Roth: Das letzte Wort, haben wir gesehen und das ist richtig so, hat bei uns eine gewählte Bundesversammlung aus gewählten Delegierten und das ist gut so, dass bei uns in der Partei die Delegierten entscheiden und das nicht von oben kommt.

    Durak: Wenn es auf dem Parteitag zu entscheiden gilt. Dankeschön. Das war Claudia Roth, die Bundesvorsitzende der Bündnisgrünen. Herzlichen Dank, Frau Roth, für das Gespräch.

    Roth: Dankeschön, Frau Durak, Wiederhören.