Geißler: Guten Morgen!
Capellan: Herr Geißler, wird Jürgen Möllemann langsam zum Jörg Haider Deutschlands?
Geißler: Ich glaube das wird er schon werden, denn er will ja die 18 Prozent bekommen. Da will er, wie er ausdrücklich sagt, zum Beispiel auf die Stimmen von 800.000 Muslimen, die wahlberechtigt sind, nicht verzichten. Nun sind das keine Rechtsradikalen; das ist klar.
Capellan: Herr Geißler, was spricht dagegen, dass sich eine etablierte demokratische Partei wie die FDP auch um Wähler am rechten Rand kümmert?
Geißler: Was soll das heißen, sich um Wähler am rechten Rand kümmern?
Capellan: Na ja, Westerwelle hat selbst gesagt, wir müssen auch die ansprechen, die bei vergangenen Wahlen, ob im Land oder im Bund, die Republikaner zum Beispiel gewählt haben.
Geißler: Das ist richtig, aber dann muss man natürlich auch die richtige Zielsetzung propagieren. Es geht ja nicht an, rechtsradikale Wähler zu gewinnen, indem man die rechtsradikalen Parolen übernimmt. Dann verändert man die Struktur der eigenen Partei. Diese Diskussion haben wir auch in anderen Parteien gehabt und Gott sei Dank ist man bei der klaren Linie geblieben, dass nämlich eine Politik doch aufbauen muss auf den zentralen Werten unserer Republik. Das ist die Anerkennung der Menschenwürde, und zwar unabhängig davon ob jemand Deutscher oder Ausländer ist oder etwa Christ oder Jude. Wenn jemand diese Grundsätze verlässt, dann begibt er sich eben auf rechtsradikales Territorium.
Capellan: Heißt das, Herr Geißler, in Ihren Augen ist Jürgen Möllemann ein Antisemit?
Geißler: Ich glaube er gibt dem Antisemitismus insoweit eben Vorschub. Das kann ich noch nicht sagen, ob er Antisemit ist, aber die Einseitigkeit der Kritik an Israel ist eben etwas, was eigentlich mit der bisherigen außenpolitischen Konzeption der Liberalen nicht zu vereinbaren ist, denn er zeigt ja eine unverhohlene Sympathie zum Beispiel für die Selbstmordanschläge. Das hat er ausdrücklich gesagt, dass er auch das verstehen könne, dass er selber persönlich, wenn er in der Lage wäre, genauso handelte. Er unterstützt damit eine der heimtückischsten Kriegsführungen, die bisher in der Weltgeschichte praktiziert worden ist, die dazu auch noch aufgebaut ist auf einer religiösen Lüge. Deswegen glaube ich, dass es unverantwortlich ist. Natürlich will er mit solchen Parolen das, was an Ressentiments eben nach wie vor bei 15, 20 Prozent der Leute vorhanden ist, auch gegen die Juden, mobilisieren.
Capellan: Nun geht es ja um die Frage, wie weit darf ein deutscher Politiker mit der Kritik an der israelischen Regierung gehen? Erhard Eppler hat gesagt, da hat leider der falsche Mann eine richtige Diskussion angestoßen. Würden Sie das unterschreiben?
Geißler: Nein, das kann ich nicht unterschreiben. Ich schätze Erhard Eppler sehr, aber das ist keine richtige Diskussion. Die richtige Diskussion wäre, wenn er als Präsident der deutsch-arabischen Gesellschaft zum Beispiel die religiösen Führer der Muslime von Kairo bis Teheran auffordern würde, die Wahrheit zu sagen, die darin besteht, dass Selbstmord nach Auffassung des Propheten und des Koran eine schwere Sünde ist und dass infolgedessen kein junger Mensch, der mit Dynamitgürteln einen Bus in die Luft sprengt, ins Paradies kommt, sondern er landet in der Hölle. Dann möchte ich einmal die jungen Leute sehen, die freiwillig so etwas machen, wenn sie eben nicht im Paradies, sondern in der Hölle landen. Es ist hier eine unglaublich verlogene Diskussion im Gange, auch im gesamten arabischen Bereich. Die Israelis können sich ja gegen diese heimtückischen Anschläge kaum wehren und deswegen schlagen sie selber um sich. Das kann man ja gar nicht bestreiten. Aber man muss die eigentliche Ursache sehen, auch die Ursache, die darin liegt, dass außer Jordanien und Ägypten bisher kein arabisches Land Israel anerkannt hat. Diese Länder befindet sich alle im heiligen Krieg. Natürlich kann man die konkrete Israel-Politik kritisieren, aber von einem Deutschen muss man erwarten, nach dem, was in Deutschland passiert ist - und das war ja die Ursache auch für den Exodus nach Israel -, dass eine gerechte Beurteilung der Lage in Palästina vorgenommen wird.
Capellan: Herr Geißler, ist die FDP als Koalitionspartner für die Union noch tragfähig? Ist Möllemann noch ministrabel?
Geißler: Wenn die Liberalen diese grundsätzliche Verschiebung ihrer Inhalte nicht bereinigen, dann wird es sehr schwer werden. Ich sage noch einmal ausdrücklich: Es geht nicht um die Kritik am konkreten Verhalten einer israelischen Regierung, sondern es geht darum - und die Aussage von Westerwelle ist ja schon bezeichnend -, dass man versuchen will - und Möllemanns Politik hier offenbar mit einbezogen -, rechtsradikale Wähler zu gewinnen mit einer Veränderung der bisherigen Inhalte. Das was Möllemann da gesagt hat mit Emanzipation der Demokraten ist politischer Schwachsinn.
Capellan: Heiner Geißler mit einer deutlichen Aussage heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio
Capellan: Herr Geißler, wird Jürgen Möllemann langsam zum Jörg Haider Deutschlands?
Geißler: Ich glaube das wird er schon werden, denn er will ja die 18 Prozent bekommen. Da will er, wie er ausdrücklich sagt, zum Beispiel auf die Stimmen von 800.000 Muslimen, die wahlberechtigt sind, nicht verzichten. Nun sind das keine Rechtsradikalen; das ist klar.
Capellan: Herr Geißler, was spricht dagegen, dass sich eine etablierte demokratische Partei wie die FDP auch um Wähler am rechten Rand kümmert?
Geißler: Was soll das heißen, sich um Wähler am rechten Rand kümmern?
Capellan: Na ja, Westerwelle hat selbst gesagt, wir müssen auch die ansprechen, die bei vergangenen Wahlen, ob im Land oder im Bund, die Republikaner zum Beispiel gewählt haben.
Geißler: Das ist richtig, aber dann muss man natürlich auch die richtige Zielsetzung propagieren. Es geht ja nicht an, rechtsradikale Wähler zu gewinnen, indem man die rechtsradikalen Parolen übernimmt. Dann verändert man die Struktur der eigenen Partei. Diese Diskussion haben wir auch in anderen Parteien gehabt und Gott sei Dank ist man bei der klaren Linie geblieben, dass nämlich eine Politik doch aufbauen muss auf den zentralen Werten unserer Republik. Das ist die Anerkennung der Menschenwürde, und zwar unabhängig davon ob jemand Deutscher oder Ausländer ist oder etwa Christ oder Jude. Wenn jemand diese Grundsätze verlässt, dann begibt er sich eben auf rechtsradikales Territorium.
Capellan: Heißt das, Herr Geißler, in Ihren Augen ist Jürgen Möllemann ein Antisemit?
Geißler: Ich glaube er gibt dem Antisemitismus insoweit eben Vorschub. Das kann ich noch nicht sagen, ob er Antisemit ist, aber die Einseitigkeit der Kritik an Israel ist eben etwas, was eigentlich mit der bisherigen außenpolitischen Konzeption der Liberalen nicht zu vereinbaren ist, denn er zeigt ja eine unverhohlene Sympathie zum Beispiel für die Selbstmordanschläge. Das hat er ausdrücklich gesagt, dass er auch das verstehen könne, dass er selber persönlich, wenn er in der Lage wäre, genauso handelte. Er unterstützt damit eine der heimtückischsten Kriegsführungen, die bisher in der Weltgeschichte praktiziert worden ist, die dazu auch noch aufgebaut ist auf einer religiösen Lüge. Deswegen glaube ich, dass es unverantwortlich ist. Natürlich will er mit solchen Parolen das, was an Ressentiments eben nach wie vor bei 15, 20 Prozent der Leute vorhanden ist, auch gegen die Juden, mobilisieren.
Capellan: Nun geht es ja um die Frage, wie weit darf ein deutscher Politiker mit der Kritik an der israelischen Regierung gehen? Erhard Eppler hat gesagt, da hat leider der falsche Mann eine richtige Diskussion angestoßen. Würden Sie das unterschreiben?
Geißler: Nein, das kann ich nicht unterschreiben. Ich schätze Erhard Eppler sehr, aber das ist keine richtige Diskussion. Die richtige Diskussion wäre, wenn er als Präsident der deutsch-arabischen Gesellschaft zum Beispiel die religiösen Führer der Muslime von Kairo bis Teheran auffordern würde, die Wahrheit zu sagen, die darin besteht, dass Selbstmord nach Auffassung des Propheten und des Koran eine schwere Sünde ist und dass infolgedessen kein junger Mensch, der mit Dynamitgürteln einen Bus in die Luft sprengt, ins Paradies kommt, sondern er landet in der Hölle. Dann möchte ich einmal die jungen Leute sehen, die freiwillig so etwas machen, wenn sie eben nicht im Paradies, sondern in der Hölle landen. Es ist hier eine unglaublich verlogene Diskussion im Gange, auch im gesamten arabischen Bereich. Die Israelis können sich ja gegen diese heimtückischen Anschläge kaum wehren und deswegen schlagen sie selber um sich. Das kann man ja gar nicht bestreiten. Aber man muss die eigentliche Ursache sehen, auch die Ursache, die darin liegt, dass außer Jordanien und Ägypten bisher kein arabisches Land Israel anerkannt hat. Diese Länder befindet sich alle im heiligen Krieg. Natürlich kann man die konkrete Israel-Politik kritisieren, aber von einem Deutschen muss man erwarten, nach dem, was in Deutschland passiert ist - und das war ja die Ursache auch für den Exodus nach Israel -, dass eine gerechte Beurteilung der Lage in Palästina vorgenommen wird.
Capellan: Herr Geißler, ist die FDP als Koalitionspartner für die Union noch tragfähig? Ist Möllemann noch ministrabel?
Geißler: Wenn die Liberalen diese grundsätzliche Verschiebung ihrer Inhalte nicht bereinigen, dann wird es sehr schwer werden. Ich sage noch einmal ausdrücklich: Es geht nicht um die Kritik am konkreten Verhalten einer israelischen Regierung, sondern es geht darum - und die Aussage von Westerwelle ist ja schon bezeichnend -, dass man versuchen will - und Möllemanns Politik hier offenbar mit einbezogen -, rechtsradikale Wähler zu gewinnen mit einer Veränderung der bisherigen Inhalte. Das was Möllemann da gesagt hat mit Emanzipation der Demokraten ist politischer Schwachsinn.
Capellan: Heiner Geißler mit einer deutlichen Aussage heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio