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Zur Finanzaffäre der hessischen CDU

    Meurer: In Hessen ist das politische Klima derzeit reichlich vergiftet. Erst der Eklat während der aktuellen Stunde letzte Woche mit einer Rüge gegen einen CDU-Abgeordneten wegen eines ausländerfeindlichen Zwischenrufes, dann am Wochenende die neuen Vorwürfe gegen Ministerpräsident Roland Koch. Eine CDU-nahe Akademie für politische Bildung, die übrigens im gleichen Haus residiert wie die CDU-Geschäftsstelle in Wiesbaden, soll als Spendenwaschanlage fungiert haben. Eine 50.000-Mark-Spende vom Süßwarenhersteller Ferrero wurde durch Scheinquittungen kaschiert. Für Koch sind das allerdings nur mediale Seifenblasen. Alles sei doch schon bekannt gewesen. Auch die Führung der hessischen FDP hält weiterhin zum Ministerpräsidenten. Wie lange noch? - Am Telefon begrüße ich nun Peter Engelmann. Er ist Chef der Jungliberalen in Hessen. Guten Morgen Herr Engelmann!

    Engelmann: Schönen guten Morgen.

    Meurer: Wie sehen Sie denn die neuen Vorwürfe gegen Roland Koch?

    Engelmann: Ob die Vorwürfe tatsächlich neu sind oder nicht, das spielt inzwischen ja gar keine Rolle mehr. Wie Sie sagen, das Klima ist vergiftet und das ist ein Zustand, der so nicht weiter ertragbar ist. Die normale Politik in Hessen findet ja überhaupt nicht mehr statt.

    Meurer: Und was kann man an dem Zustand ändern? Wie kann man das ändern?

    Engelmann: Die Forderung von Seiten der FDP oder der Jungliberalen an die FDP ist, sich ganz dringend abzusetzen und deutlich zu sagen, dass die CDU ein Problem hat und nicht die FDP und dass die CDU gefälligst dafür zu sorgen hat, dass diese ganze Geschichte jetzt ein Ende hat und endlich so aufgeklärt wird, dass nicht scheibchenweise immer das an die Öffentlichkeit kommt, was gerade in der Gefahr steht, durch den "Spiegel" oder durch andere Medien veröffentlicht zu werden. Das hat ja alles nichts mehr mit brutalstmöglicher Aufklärung zu tun, sondern das was Roland Koch betreibt ist, in der Tat nur das zuzugeben, was wirklich gerade in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Da spielt es auch gar keine Rolle, ob Roland Koch direkt verwickelt ist oder nicht. Er trägt auf jeden Fall die politische Verantwortung für die ganzen Vorgänge in seiner Geschäftsstelle.

    Meurer: Bedeutet das, er sollte zurücktreten?

    Engelmann: Diese Forderung haben wir ja schon vor einem halben Jahr in Rotenburg vertreten, denn es ist genau der Zustand eingetreten, vor dem wir gewarnt haben. Scheibchenweise kommt das ganze an die Öffentlichkeit und das ganze wird ein Schrecken ohne Ende. Wir hätten uns gewünscht, das ganze wäre mit einem Paukenschlag zu Ende gegangen und man hätte wieder Politik machen können. So ist es ein Zustand, der für die FDP höchst schädlich ist, weil wir in einem Boot sitzen, in das wir überhaupt nicht hineingehören. Das ist ein CDU-Problem und kein FDP-Problem.

    Meurer: Bleibt mittlerweile der FDP-Führung schon fast überhaupt nichts anderes mehr übrig, als diesen Kurs unverdrossen weiterzufahren, die Sache einfach schon zu weit gelaufen ist?

    Engelmann: Das ist in der Tat der Eindruck, den man haben kann. Die Äußerungen, die man gestern gehört hat, "Augen zu und durch", so sage ich das jetzt mal, ist nicht das, was wir uns wünschen. Wir wünschen uns sehr deutlich eine Abgrenzung von Roland Koch und dieser Skandalmannschaft. Die CDU muss Leute finden, mit denen man unbelastet weiterarbeiten kann. Ich denke, so ist der Zustand auf jeden Fall unerträglich und er ist inzwischen auch demokratieschädlich. Die Leute haben ja einen Eindruck von Politik, als ob das tatsächlich hier in Hessen eine Bananenrepublik sei.

    Meurer: Wieso klammert sich die FDP-Führung in Hessen an die Zusammenarbeit mit Roland Koch? Die Koalition müßte sie ja nicht unbedingt beenden. Es müßte ja nicht unbedingt Neuwahlen geben?

    Engelmann: Das ist ja genau das, was wir sagen. Wir hätten ja nach Rotenburg oder in Rotenburg gerne gehabt, dass man sagt, ohne Roland Koch kann es weitergehen. Nur muss man inzwischen natürlich auch deutlich sehen: Nicht nur Roland Koch ist ein Problem, sondern es sind viele Leute in der CDU. In der Geschäftsstelle der CDU scheint es ja überhaupt gar kein Unrechtsbewusstsein darüber zu geben, dass man Kassenbücher eben nicht vernichtet, dass man Spenden nicht aufteilt und ähnliches mehr. Daran sind ja inzwischen viele Leute beteiligt, so dass es sich nicht nur auf eine Person beschränkt. Wie gesagt, die politische Verantwortung liegt auf jeden Fall bei Roland Koch und diese Verantwortung sollte er eigentlich auch wahrnehmen und endlich seinen Hut nehmen und sagen, ich kläre auf als CDU-Vorsitzender und als Ministerpräsident kommt jemand dran, der unbelastet ist, damit die erfolgreiche Regierungsarbeit - wir haben ja in Hessen ein neues Hochschulgesetz, es werden wieder Straßen gebaut - auch in die Öffentlichkeit vermittelt werden kann.

    Meurer: Im Moment ist es ja so, dass die FDP-Führung nach außen zumindest an Roland Koch festhält. Haben Sie den Eindruck, dass sich das in den nächsten Tagen und Wochen ändern könnte?

    Engelmann: Ich bin mir da nicht sicher. Ich glaube eher nicht. Ich glaube, man ist intern auch sauer, auch diejenigen, die an Roland Koch festhalten, dass dieser Zustand so ist wie er ist. Nur man ist natürlich ein Stück weit an die Aussagen von Rotenburg gebunden. Man kann da ja nicht immer Kehrtwendungen machen von Seiten derer, die an Roland Koch festhalten. Wie gesagt, die Gruppe, die damals schon gesagt hat, es ist auf Dauer kein Zustand, die hat offensichtlich Recht behalten. Es war ein Fehler, damals nicht Schluss zu machen und Roland Koch zu sagen, mit Dir geht es leider nicht weiter. Wir fühlen uns insoweit halt bestätigt.

    Meurer: Die Basis der FDP oder derjenige Teil, der damals Schluss machen wollte, scheint sich aber im Moment relativ ruhig zu verhalten. Aus Loyalität zur FDP-Führung, aus falsch verstandener Loyalität?

    Engelmann: Nein. Ich denke, es kommt den Leuten inzwischen einfach zu den Ohren, zur Nase und sonstigen Organen heraus, was dort bei der CDU los ist. Es ist ja inzwischen fast peinlich, dieser Koalition anzugehören. Insoweit denke ich, man möchte lieber unentdeckt bleiben. Ich kann mir das nicht anders erklären als ein gewisser Überdruss. Alle 14 Tage kommt irgend etwas neues. Vor 14 Tagen hatten wir diese Ferrero-Geschichte, dass Geld kam, was auch nicht verbucht wurde. Jetzt haben wir zerrissene Kassenbücher. Es ist ja wirklich erstaunlich: die CDU lässt sich immer neues einfallen. So viel Ideenreichtum hätte man ja der CDU gar nicht zugetraut.

    Meurer: Also ist dies alles Ihrer Meinung nach nicht nur eine mediale Seifenblase?

    Engelmann: Nein. Ich denke, gerade das Kassenbuch ist eine Neuerung. Diese Ferrero-Geschichte war komplett neu, und sehr ärgerlich an dieser Geschichte ist ja, dass das jetzt auch als alter Hut abgetan wird, obwohl diese Geschichte Roland Koch offenbar zu dem Zeitpunkt, als er Herrn Müller vor die Tür setzte, schon bekannt war. Herr Müller, das waren ja auch so aufgeteilte Spenden, die offenbar von Ferrero kamen. Aber als es damals hoch kam, hat kein Mensch von Ferrero geredet und dass da noch ganz andere Geldsummen im Spiel sind. Hinterher heißt es jetzt, das ist alles alt. Das mag für die handelnden Leute bei der CDU alt gewesen sein; für die Öffentlichkeit und für uns ist es auf jeden Fall neu.

    Meurer: Die FDP-Führung in Hessen, nicht nur sie, natürlich auch die CDU, aber die FDP-Führung in Hessen sagt, wir warten darauf, bis wirklich die Staatsanwaltschaft etwas gegen Roland Koch vorbringen kann. Die Staatsanwaltschaft sagt, im Moment laut Stand unserer Ermittlungen liegt nichts vor. Andererseits prüft die Staatsanwaltschaft in Wiesbaden ja nur strafbare Vergehen, nicht Verstoß gegen das Parteiengesetz. Muss diese Linie von der FDP geändert werden und man sich nicht an eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft koppeln?

    Engelmann: Ja, das haben wir schon sehr früh gesagt. Es kann nicht sein, dass erst Konsequenzen gezogen werden, wenn die halbe Landesregierung irgendwie im Gefängnis sitzt. Das ist einfach auch nicht das Kriterium, um das es geht. Es geht um politische Glaubwürdigkeit. Die ist inzwischen völlig verspielt. Und es geht darum, dass man im Parteiengesetz ja Lehren aus der Flick-Affäre gezogen hat, nämlich im Sinne von Transparenz. Genau die Transparenz hat die CDU an jeder Stelle, an der sie nur konnte, umgangen. Das ist ein Zustand, der in einer Demokratie wirklich völlig unerträglich ist. Es ist ja kein Wunder, wenn sich die Leute von einem solchen Staat ein Stück weit auch abwenden und dann Gruppen entstehen, die eben mit Demokratie nichts am Hut haben. Das ist wie gesagt der Eindruck einer Bananenrepublik und den kann die FDP so eigentlich nicht tolerieren.

    Meurer: Das war der Chef der Jungliberalen in Hessen, Peter Engelmann. - Danke Ihnen und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio