Durak: Wir, heißt das Hessen, oder heißt Wir die Unionsministerpräsidenten?
Koch: Ich denke, dass das schon nicht nur für das Bundesland Hessen, sondern für die Kollegen in den unionsregierten Ländern gilt, denn die Punkte, an denen wir anstoßen, sind ja mindestens die der Union. Mag sein, dass sozialdemokratische Ministerpräsidentenkollegen durch Loyalität in dem sozialdemokratischen Präsidium daran gehindert sind, das mitzumachen. Das ist eher wahrscheinlich, aber auch kein sozialdemokratischer Ministerpräsident glaubt, dass ein Haushalt, der auf 2 Prozent Wachstum aufbaut, die Wirklichkeit des nächsten Jahres darstellt. Genau das habe ich übrigens in Hessen nicht gemacht. Das ist einer der Gründe, warum die Sparanstrengungen so groß sind, weil ich den Bürgerinnen und Bürgern sagen will, unter welchen realen Bedingungen wir im nächsten Jahr wirtschaften. Kein sozialdemokratischer Kollege glaubt, dass die Bundesanstalt für Arbeit mit einem nachhaltigen gekürzten Bundeszuschuss im nächsten Jahr auskommen kann angesichts der Situation, dass selbst der Bundeswirtschaftsminister einräumt, dass selbst seine Hoffnung auf Konjunktur zu keiner Entlastung am Arbeitsmarkt im nächsten Jahr führen. Aber da stehen fünf Milliarden weniger drin.
Durak: Mag sein, ich habe es nicht richtig verstanden, aber ein eindeutiges Ja, ich werde ablehnen, habe ich nicht gehört.
Koch: Das ist ja, sage ich mal, wieder sehr journalistisch gefragt. Der Deutsche Bundestag hat gestern seine Beratungen aufgenommen. Es gibt sehr viele Imponderabilien - von Steuerreform bis Subventionsabbau -, die in diesem Gesetz drin sind. Es gibt viele Chancen für die Bundesregierung, umzukehren und vernünftig zu werden. Ich sage, wenn der Haushalt so, wie er jetzt ist, in den Bundesrat kommt, dann werden wir Nein dazu sagen, aber bis dahin ist es noch ein Weg von zwei Monaten und viel Hoffnung auf Einsicht der Parlamentarier des Deutschen Bundestages. Insofern sollte ich, glaube ich, weiterhin sagen, wir nehmen schon Parlamentarismus ernst. Gestern war der Aufschlag, und jetzt folgt eine heftige Auseinandersetzung im Deutschen Bundestag, und dann werden wir sehen, was dem Bundesrat zugeleitet wird, und dabei würde ich gerne auch bleiben.
Durak: Gehen wir ins Detail. Gehen wir zu den Punkten, die Sie angedeutet haben, wo Nachbesserungsbedarf aus Ihrer Sicht besteht. Die berühmten Begleitgesetze, die Herr Eichel ja bis zum 24.11., der nächsten Lesung durchbringen müsste. Dazu gehört, um es einzeln konkret zu machen, die Eigenheimzulage. Die Regierung sieht den Markt gesättigt und hofft auf acht bis zehn Milliarden Euro nachhaltig. Ein Gewinn durch Streichen; stimmen Sie zu?
Koch: Sicher nicht. Man muss den Bürgern wiederum sagen, für das nächste Jahr sind es 128 Millionen, die die Bundesregierung damit erspart, also kein Betrag, der sie besonders viel weiterbringt. Strukturell ist die Entscheidung aber falsch. Wir haben nach wie vor in Deutschland eine zu geringe Eigenheimquote im Vergleich zu anderen Ländern. Es sind mit diesen Instrumenten in den letzten Jahren immerhin dazu gekommen, dass statt 30 Prozent 40 Prozent der Bürger in Deutschland Eigentum haben. Wir wollen diese Zahl deutlich höher sehen. Für die CDU wird das eine Grundfrage bleiben, dass Eigenheimförderung, Eigentumsförderung und damit Freiheitssicherung in Deutschland ein wichtiges politisches Ziel bleibt. Über Details, wie die Förderung richtig gesteuert wird, kann man mit uns immer reden; über die Frage, dass im Prinzip eine Summe, wie sie genannt worden ist, im Großen und Ganzen zur Verfügung stehen muss, dabei wird es bleiben. Sicher werden Herr Steinbrück und ich im Rahmen unseres Konzepts darüber reden müssen, ob das auch dem allgemeinen Kürzen von 3 Prozent im Jahr unterfällt. Dazu mache ich keine Aussagen, bevor wir uns geeinigt haben. Aber Streichen der Eigenheimzulage: ein klares Nein.
Durak: Die Arbeitsgruppe Steinbrück-Koch, so hat es ja Bundesfinanzminister Eichel gestern bezeichnet und auch etwas polemisch gesagt, also wenn da nichts kommt, dann legen wir vor. Immerhin hat er aber, ohne Ihre Vorschläge zu kennen, schon mal 1,2 Milliarden Euro vorab in seinem Haushalt eingestellt. Hat er da die Rechnung ohne den Wirt beziehungsweise ohne den Koch gemacht?
Koch: Ich glaube zunächst einmal, dass diese 1,2 Milliarden ein sehr freundliches Kompliment an den Kollegen Steinbrück und mich ist, dass er uns etwas zutraut, das ist ja auch in Ordnung so. In der Tat werden wir in absehbarer Zeit Vorschläge machen, die dem Bundesfinanzminister sicherlich auch die Möglichkeit geben, ein paar Euro einzunehmen, wie den Ländern auch, wenn es einen Subventionsabbau an dieser Stelle gibt.
Durak: Weshalb dauert das so lange, bis Ihre Vorschläge öffentlich werden? Es wird immer geheimnisvoller. Wird das zu einer Sensation wird?
Koch: Ich glaube nicht, dass das zu einer Sensation, aber zu einem handwerklich sauberen Projekt wird. Die Subventionsabbaudiskussionen der letzten Jahre sind ja immer daran gescheitert, dass sie irgendwo so unschlüssig waren, dass zum Schluss die Interessensgruppen sich durchgesetzt haben. Das bleibt auch bei uns eine Gefahr, aber wir haben eigentlich die Absicht, solide abzustimmen, und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun das, so dass ich denke, dass wir am Ende ein Werk haben, zu dem es relativ einfach werden wird, pauschal Ja oder Nein zu sagen. Wenn man es wieder aufschnürt, dann ist die Sache wahrscheinlich wieder am Ende. Deshalb sind wir so sorgfältig darum bemüht, etwas zu machen, bei dem wir glauben, unsere beiden politischen Parteien, die beinahe zu allen Subventionstatbeständen gegensätzliche Meinungen haben, anzusprechen. Das ist ja das Problem, dass Subventionen sich relativ sauber aufteilen lassen in diejenigen, die aus der Sicht der Christdemokraten eher wichtig sind und aus der Sicht der Sozialdemokraten eher wichtig sind. Ein Paket zu schnüren, bei dem beide am Ende Ja sagen können, das ist die Hoffnung, die wir haben, das wäre auch die Kunst, wenn es geht.
Durak: Nächstes Stichwort: Entfernungspauschale. Vom ursprünglichen Regierungsmodell zu Ungunsten der Autofahrer sei man abgerückt, heißt es unter der Hand. Nun könnten 15 Cent für alle kommen. Wäre das etwas, dem Sie zustimmen könnten?
Koch: Also zunächst einmal ist sicherlich richtig, wenn es eine andere Regelung gibt als die, die vorgeschlagen ist, dann werden wir uns das auch anschauen. Der wichtige Punkt ist, dass Pendler nicht benachteiligt werden dürfen. Es gibt ja Volkswirtschaftler, die uns sagen, der Pendler ist selber Schuld, wenn er so weit von seiner Arbeitsstelle weg wohnt, er kann ja näher ran ziehen. Das, denke ich, wollen alle Länderministerpräsidenten, aber insbesondere die unionsgeführten Länder ausdrücklich nicht. Wir wollen, dass die Menschen auch in der Fläche wohnen bleiben und trotzdem nicht zum Arbeitsamt gehen und sagen, jede Arbeit in der Großstadt, die für uns etwas weiter entfernt ist, ist für uns unzumutbar. Auch dort gilt, wenn alle Subventionen verringert werden, wird man auch das überprüfen müssen, aber es muss so sein, dass es für die Pendler zumutbar ist. Die jetzige Regelung, die im Bundestag vorliegt, ist es jedenfalls nicht.
Durak: Alles in einem, die Steuerreform vorziehen oder nicht, dann heißt es, die Union ist uneins. Wie uneins, Herr Koch?
Koch: Meine Position ist, dass ich bisher nicht gesehen habe, dass jemand in der Lage ist, eine solide Finanzierung vorzulegen. Meine Position zur Wahrnehmung der Interessen meines Landes ist, dass ich nicht sehe, dass bei den riesigen Sparanstrengungen, die Sie beschrieben haben, die wir machen, ich es schaffe, einen verfassungsmäßigen Haushalt vorzulegen, wenn ich die Steuerreform vorziehen, finanzieren muss. Das prägt meine Position dazu, nämlich zu sagen, es macht keinen Sinn, eine sehr geringen konjunkturellen Effekt - die Optimisten rechnen da mit 0,25 Prozent mehr Wachstum im kommenden Jahr - mit einer sehr hohen Schuldenlast im nächsten Jahr zu bezahlen. Man darf ja nicht verkennen, wir sind ohne diese Projekte wahrscheinlich schon bei 4 Prozent und damit im Verstoß gegen die Maastricht-Kriterien in einer Weise, wie wir uns nie hätten vorstellen können, und zwar im zweiten Jahr, denn in diesem Jahr wird es ohnehin dazu kommen. Deshalb glaube ich, dass wir über den Begriff Verschuldung nicht nur unter dem moralischen Gesichtspunkt gegenüber unseren Kindern, sondern auch unter dem sehr nüchternen Gesichtspunkt, das Europäische Recht nicht mit Füßen zu treten, das wir selbst geschaffen haben, sehr ernsthaft reden müssen.
Durak: Das war Roland Koch Ministerpräsident von Hessen, herzlichen Dank für das Gespräch.
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