Montag, 29. April 2024

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Zur Krise der FDP

Heinlein: Heute und morgen geht die FDP-Spitze in Klausur. In Berlin will man sich über den künftigen Kurs der Liberalen Gedanken machen. Dieses Nachdenken scheint nicht nur vielen Freidemokraten bitter nötig. Die Spaßpartei ist in heftigen Turbolenzen, das wagemutige Projekt 18 auf Grund gelaufen. Die FDP plagt sich mit einem veritablen Spendenskandal, der sich nach den gestrigen Enthüllungen wohl nicht mehr auf die Person des Jürgen Möllemann beschränken lässt. Die ist eine Entwicklung, die vor allem den Liberalen in Hessen Sorgen macht. Denn dort wird Anfang Februar zeitgleich mit Niedersachsen der Landtag neu gewählt. Vor dieser Sendung habe ich mit der hessischen FDP-Landeschefin Ruth Wagner gesprochen und sie zunächst gefragt, ob die FDP-Spendenaffäre in Nordrhein-Westfalen ihrer Partei im Wahlkampf schadet.

31.10.2002
    Wagner: Wir sind mit 8,2 Prozent der drittbeste Landesverband bei der Bundestagswahl. Wir hatten vor anderthalb Jahren eine Kommunalwahl, in der wir unsere Mandate verdreifacht haben. Wir sind in allen drei Tagen vertreten. Wir haben seit dem November letzten Jahres 800 junge Leute, vorrangig als Neumitglieder, so dass wir eigentlich gut gerüstet sind und ich auch ganz zuversichtlich und optimistisch in diese Wahl gehe.

    Heinlein: Werden Sie denn im Wahlkampf von den Bürgerinnen und Bürgern auf der Straße auf diese Affäre in Nordrhein-Westfalen angesprochen?

    Wagner: Ich werde vorrangig von Journalisten und natürlich auch von Bürgerinnen und Bürgern darauf angesprochen. Wir sowie auch der Landesverband Niedersachsen haben ein hohes Interesse daran, dass die Vorgänge in Nordrhein-Westfalen so schnell wie möglich aufgeklärt werden. Wenn es Straftatbestände gibt, dann sollen sie auch zu den entsprechenden Konsequenzen führen. Ich habe Herrn Möllemann auf dem Parteitag am Wochenende aufgefordert, seine Mandate, die er ja über die FDP errungen hat, niederzulegen und die Partei zu verlassen.

    Heinlein: Und was sagen Sie den Wählerinnen und Wählern? Dies sei eine Affäre Möllemann und geht uns hier in Hessen gar nichts an?

    Wagner: Die FDP in Hessen hat Herrn Möllemann schon ganz deutlich vor einem Jahr gesagt, und ich habe mich dafür von dem Bundesparteitag in Düsseldorf ausbuhen lassen, dass man realistische Ziele haben müsse, dass man vor allem seine Konzepte und Lösungsvorschläge und nicht Events in den Vordergrund stellen müsse. Das war die Kritik der FDP, und die ist nach wie vor beibehalten worden. Ich war eine der ersten, die als die Karsli-Affäre hochkam, den nordrhein-westfälischen Landesverband aufgefordert hat, nicht den Versuch zu unternehmen, die FDP insgesamt aus der Mitte heraus nach rechts zu verschieben und im trüben Braunen zu fischen.

    Heinlein: Frau Wagner, sind Sie damit zufrieden, wie die FDP-Parteispitze diese Affäre um Jürgen Möllemann um NRW-Parteispenden managt?

    Wagner: Ich bin sehr zufrieden damit, dass die Bundesschatzmeisterei und der Bundesvorsitzende von sich aus die Vorwürfe aufgreifen. Anders als CDU und SPD haben wir nicht gewartet bis uns irgendwelche Journalisten darauf bringen. Sondern wir haben von uns aus, als die ersten Hinweise kamen, die Landespartei und die Kreisverbände, die dort betroffen sind, aufgefordert, die Sache aufzuklären. Das unterstütze ich voll.

    Heinlein: Aber die Tatsache, dass Westerwelle nun einräumen musste, dass sein Büro schon deutlich früher als bisher angenommen von diesem Faltblatt gewusst habe, deutet doch nicht darauf hin, dass er alles ganz fest im Griff hat.

    Wagner: Herr Heinlein, das kann ich nicht sagen. Ich werde mir in den nächsten Tagen, die genauen Informationen dazu beschaffen. Ich habe im Moment nur eine Tickermeldung vorliegen. Da möchte ich schon selber die Information haben und mir ein Bild machen. Nach dieser Meldung sieht es so aus, als wenn er selbst die Informationen nicht bekommen hat. Sondern nur seine Mitarbeiter scheinen die Informationen bekommen zu haben.

    Heinlein: Sie haben die CDU-Spendenaffäre angesprochen. Sie selbst haben ja Erfahrung mit der brutalst möglichen Aufklärung von Spendenaffären. Gemeint sind Ihr Koalitionspartner, die CDU in Hessen, und Roland Koch, der Ministerpräsident und sein Schwarzgeld. Sollte sich die FDP ein Beispiel an der Hessen-CDU nehmen?

    Wagner: Nein, ich glaube, dass die FDP sich kein Vorbild nehmen muss, weil sie selber vorbildlich gehandelt hat. Wir haben anders gehandelt als Herr Kohl, der seine Spender nicht genannt hat, und anders als die SPD, die in Köln erst zum Jagen getragen werden musste. Die deutsche FDP hat von sich aus Aufklärung betrieben. Ich glaube, dass genau das richtig ist. Herr Möllemann war der erste, der damals genau das von Kohl verlangt hat, nämlich dass er die Spender nennt. Ich glaube, dass es nicht unbillig ist, nun von Möllemann zu verlangen, dass er genau das auch tut. Wenn er anderen Interviews geben kann und nach Grand Canaria fliegen kann, dann sollte er auch die Spender nennen können.

    Heinlein: Sehen Sie denn Parallelen zwischen den Affären Koch und Möllemann?

    Wagner: Nein, überhaupt nicht, weil der Unterschied ja sicher darin besteht, dass Herr Koch die Aufklärung vorangetrieben hat, indem er Kanther, Wittgenstein und Weyrauch benannt hat. Aber der Unterschied zu uns ist, dass er von Journalisten gesagt bekommen konnte, dass er ein paar Tage vorher die Unwahrheit in der Öffentlichkeit gesagt hat.

    Heinlein: Frau Wagner, nun hat Günter Rexrodt eingeräumt, es habe schon im Wahlkampf 2000 Unregelmäßigkeiten auf dem Konto des NRW FDP-Landesverbandes gegeben.

    Wagner: Das hat nicht Herr Rexrodt eingeräumt, sondern das musste der nordrhein-westfälische Landesverband einräumen.

    Heinlein: Also ist das jetzt keine Affäre Möllemann mehr, sondern eine Affäre der nordrhein-westfälischen FDP?

    Wagner: Ja, das stimmt. Das hat sich ja schon vor einigen Tagen abgespielt, als bekannt wurde, dass auf zwei Sonderkonten Bargeldeinzahlungen von Bundestagskandidaten entdeckt worden sind, die höher als die gesetzlich vorgeschriebene Grenze liegen. Das heißt, nicht Rexrodt hat etwas eingeräumt, sondern er hat es aufgedeckt und die Öffentlichkeit sofort darüber informiert.

    Heinlein: Frau Wagner, blicken wir voraus. Heute und morgen findet die Klausurtagung der Bundes-FDP statt. Wir stark beeinflusst die aktuelle Debatte um Möllemann, das Flugblatt und die Spenden in Nordrhein-Westfalen den künftigen Kurs der Liberalen?

    Wagner: Wir werden das analysieren. Und wir werden auch analysieren, ob es richtig war, Ziele zu setzen, die aus meiner Sicht vor einem Jahr nicht zu erreichen waren. Ich meine unter anderem das Projekt 18. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Ich denke, dass wir sehr genau darüber nachdenken müssen, wie die Ansprachen im Stil, bei den unterschiedlichen Alters- und Berufsgruppen sind. Wir müssen das Programm, die Inhalte und die unterschiedlichen Lösungsvorschläge der FDP stärker in den Vordergrund stellen als die sogenannten Events. Wir werden natürlich überlegen, wie man die Unabhängigkeitsstrategie, die Eigenständigkeit der FDP, die sich gelohnt hat, in die unterschiedlichen Positionen und Strategien der Länder einschweißen kann. Wenn wir in Hessen eine erfolgreiche Koalition haben und überzeugt sind, dass diese Koalition erfolgreich weitergeführt werden muss, dann kann man das miteinander verbinden. Unsere Wahlziele sind nämlich ganz klar, die Zahl der Abgeordneten im hessischen Landtag zu vermehren, drittstärkste Fraktion zu werden, die Koalition mit der CDU fortzusetzen und den liberalen Anteil innerhalb dieser Koalition zu vergrößern.

    Heinlein: Sind Sie trotz der Spendenaffäre optimistisch, dass sie diese Wahlziele auch erreichen?

    Wagner: Selbstverständlich. Wer nicht optimistisch ist, darf keine Politik machen.

    Link: Interview als RealAudio