Perthes: Guten Tag, Herr Breker!
Breker: Die Beweispflicht liegt bei Saddam Hussein. Für Juristen ist es klar. Die Iraker brechen ständig die UNO-Resolution 1441. Reicht das für Politiker und Militär für einen Krieg.
Perthes: Sie haben ganz recht. Das ist eine politische Entscheidung und der Mehrzahl der Staaten im UNO-Sicherheitsrat wird das nicht reichen. Sie werden zugeben, dass der Irak nicht zu 100 Prozent kooperiert. Das ist ja im Prinzip die Aussage von Herrn Blix und Herrn el Baradei. Aber er kooperiert 70 oder 80 Prozent. Und vielleicht haben Blix und el Baradei es bei ihrem Besuch in Bagdad geschafft, ihn zur Kooperation von 90 Prozent zu bekommen. Das ist kein Krieggrund, kein Grund für einen Präventivkrieg, gerade gegenüber einem Staat, der unter internationalem Kuratel steht, der also auch abgeschreckt und eingedämmt wird.
Breker: Wie gefährlich kann eigentlich ein solches Land, was derartig kontrolliert wird und unter Druck steht, überhaupt wem gegenüber sein?
Perthes: Das Regime ist gefährlich für die Bürger im eigenen Land. Für die kurdische Minderheit, für die schiitische Mehrheit, für alle Oppositionellen ist das ein gefährliches Regime. Es stellt heute keine Gefahr für seine unmittelbaren Nachbarn dar, auch nicht für Israel etwa. Dazu ist es mit Sicherheit zu sehr eingedämmt. Dafür gibt es zu viele amerikanische Truppen in der Umgebung und dafür ist auch sein eigenes Waffenpotential unter einem Waffenembargo, was auch nicht zu 100 Prozent durchgehalten worden ist, zu sehr geschwächt. Aber es ist doch sehr weitgehend mit den Inspektionen von 1991 bis 1998 geschwächt worden. Experten sagen heute, dass das Rüstungspotential des Irak, was er heute noch hat, 10 - 20 Prozent dessen entspricht, was er 1990 gehabt hat.
Breker: Sollte es zu einem Waffengang kommen, dann weiß Saddam Hussein, dass es um sein Regime geht. Aber es geht möglicherweise auch um seine physische Existenz. Kann man davon ausgehen, dass er in einem solchen Fall alles, was er hat, zu seiner Verteidigung einsetzen wird?
Perthes: Ja, das ist zumindest die Sorge von dem amerikanischen Geheimdienst, vom CIA. Der hat ja vor einigen Monaten sehr deutlich in der inneramerikanischen Debatte gesagt, dass Saddam Hussein zur Zeit keine Bedrohung für die Amerikaner, für die Nachbarn oder die amerikanischen Truppen in der Region darstellt. Aber wenn er zum Äußersten getrieben wird, wenn es tatsächlich um sein Ende geht, dann kann es durchaus sein, dass er zu den irrationalen Handlungen in der Lage ist, die er bislang nicht betrieben hat. Es kann also sein, dass er mit seinem Land oder mit großen Teilen seines Landes mit den Ölquellen untergehen will und möglicherweise das noch einsetzt, was er vermutlich noch an versteckten Waffen hat.
Breker: Eines der potentiell angegriffenen Länder wird dann Israel sein. Kann man von Israel erwarten, dass es sich mit biologischen oder chemischen Waffen zurückhält, wenn es angegriffen wird?
Perthes: Die Amerikaner erwarten das. Sie erwarten das auch, weil sie sich sehr sicher sind, dass Saddam Hussein keine Chance haben wird, Israel zu erreichen. Dafür braucht man ja nicht nur C-Waffen, sondern man braucht auch entsprechende Trägersysteme. Die Militär in Israel und in den USA gehen davon aus, dass man einen solchen Angriff vermeiden kann. Die Opfer einer solchen irrationalen letzten Option von Saddam Hussein wären vermutlich in erster Linie die Iraker selbst und amerikanische Truppen im Land.
Breker: Der Irak hat Kuwait damals mit brennenden Ölquellen hinterlassen. Ist es denkbar, dass Saddam Hussein seine Ölquellen unter dem Motto 'wenn ich sie nicht nutzen darf, dann soll sie auch kein anderer nutzen', verseucht?
Perthes: Denkbar ist das. Gerade in einer solchen Option, wie wir sie diskutiert haben. Das würde zu einem Worst Case-Szenario gehören. Weil es denkbar ist, kann man davon ausgehen, dass bei einer Invasion die Amerikaner sehr schnell versuchen werden, die Ölquellen unter Kontrolle zu bekommen.
Breker: Ist das technisch machbar?
Perthes: Das ist zumindest für die Ölquellen im Süden des Iraks vermutlich relativ einfach, weil sie sehr nah an den Aufmarschgebieten der Amerikaner, in der Nähe von Kuwait stehen.
Breker: Alle Pläne für die Szenarien gehen günstigstenfalls von einem relativ kurzen Zeitraum aus, den dieser Konflikt in Anspruch nehmen würde. Was ist, wenn dies nicht umsetzbar ist, kommt es dann zum Flächenbrand in der Region?
Perthes: Ich denke nicht, dass es zum Flächenbrand in der Region kommt. Die Probleme beginnen ja erst nach dem Krieg. Die Probleme beginnen mit den Flüchtlingswellen und mit der Eskalation zwischen Israelis und Palästinensern, die im Schatten eines solchen Krieges stattfinden können. Die Probleme beginnen beim Wiederaufbau und bei der Verwaltung des Irak. Bei dem Umgang mit den Resten von Partei und Militär sind das wahrscheinlich die realistischen Szenarien. Kriegsplaner und humanitäre Planer müssen sich auch über Worst Case-Szenarien Gedanken machen. Wir müssen mit einem längeren Krieg mit erheblichen Auswirkungen auf die Region gefasst machen. Dazu gehört weniger der Flächenbrand, sondern mehr der Terrorismus. Das heißt, es wird wahrscheinlich mehr Anschläge auf die Interessen westlicher Regionen geben. Das sind sozusagen weiche Interessen. Dazu gehören zum Beispiel Anschläge auf Mc Donalds-Fillialen bis zum Goethe-Institut.
Breker: Vielen Dank, Herr Perthes.
Breker: Die Beweispflicht liegt bei Saddam Hussein. Für Juristen ist es klar. Die Iraker brechen ständig die UNO-Resolution 1441. Reicht das für Politiker und Militär für einen Krieg.
Perthes: Sie haben ganz recht. Das ist eine politische Entscheidung und der Mehrzahl der Staaten im UNO-Sicherheitsrat wird das nicht reichen. Sie werden zugeben, dass der Irak nicht zu 100 Prozent kooperiert. Das ist ja im Prinzip die Aussage von Herrn Blix und Herrn el Baradei. Aber er kooperiert 70 oder 80 Prozent. Und vielleicht haben Blix und el Baradei es bei ihrem Besuch in Bagdad geschafft, ihn zur Kooperation von 90 Prozent zu bekommen. Das ist kein Krieggrund, kein Grund für einen Präventivkrieg, gerade gegenüber einem Staat, der unter internationalem Kuratel steht, der also auch abgeschreckt und eingedämmt wird.
Breker: Wie gefährlich kann eigentlich ein solches Land, was derartig kontrolliert wird und unter Druck steht, überhaupt wem gegenüber sein?
Perthes: Das Regime ist gefährlich für die Bürger im eigenen Land. Für die kurdische Minderheit, für die schiitische Mehrheit, für alle Oppositionellen ist das ein gefährliches Regime. Es stellt heute keine Gefahr für seine unmittelbaren Nachbarn dar, auch nicht für Israel etwa. Dazu ist es mit Sicherheit zu sehr eingedämmt. Dafür gibt es zu viele amerikanische Truppen in der Umgebung und dafür ist auch sein eigenes Waffenpotential unter einem Waffenembargo, was auch nicht zu 100 Prozent durchgehalten worden ist, zu sehr geschwächt. Aber es ist doch sehr weitgehend mit den Inspektionen von 1991 bis 1998 geschwächt worden. Experten sagen heute, dass das Rüstungspotential des Irak, was er heute noch hat, 10 - 20 Prozent dessen entspricht, was er 1990 gehabt hat.
Breker: Sollte es zu einem Waffengang kommen, dann weiß Saddam Hussein, dass es um sein Regime geht. Aber es geht möglicherweise auch um seine physische Existenz. Kann man davon ausgehen, dass er in einem solchen Fall alles, was er hat, zu seiner Verteidigung einsetzen wird?
Perthes: Ja, das ist zumindest die Sorge von dem amerikanischen Geheimdienst, vom CIA. Der hat ja vor einigen Monaten sehr deutlich in der inneramerikanischen Debatte gesagt, dass Saddam Hussein zur Zeit keine Bedrohung für die Amerikaner, für die Nachbarn oder die amerikanischen Truppen in der Region darstellt. Aber wenn er zum Äußersten getrieben wird, wenn es tatsächlich um sein Ende geht, dann kann es durchaus sein, dass er zu den irrationalen Handlungen in der Lage ist, die er bislang nicht betrieben hat. Es kann also sein, dass er mit seinem Land oder mit großen Teilen seines Landes mit den Ölquellen untergehen will und möglicherweise das noch einsetzt, was er vermutlich noch an versteckten Waffen hat.
Breker: Eines der potentiell angegriffenen Länder wird dann Israel sein. Kann man von Israel erwarten, dass es sich mit biologischen oder chemischen Waffen zurückhält, wenn es angegriffen wird?
Perthes: Die Amerikaner erwarten das. Sie erwarten das auch, weil sie sich sehr sicher sind, dass Saddam Hussein keine Chance haben wird, Israel zu erreichen. Dafür braucht man ja nicht nur C-Waffen, sondern man braucht auch entsprechende Trägersysteme. Die Militär in Israel und in den USA gehen davon aus, dass man einen solchen Angriff vermeiden kann. Die Opfer einer solchen irrationalen letzten Option von Saddam Hussein wären vermutlich in erster Linie die Iraker selbst und amerikanische Truppen im Land.
Breker: Der Irak hat Kuwait damals mit brennenden Ölquellen hinterlassen. Ist es denkbar, dass Saddam Hussein seine Ölquellen unter dem Motto 'wenn ich sie nicht nutzen darf, dann soll sie auch kein anderer nutzen', verseucht?
Perthes: Denkbar ist das. Gerade in einer solchen Option, wie wir sie diskutiert haben. Das würde zu einem Worst Case-Szenario gehören. Weil es denkbar ist, kann man davon ausgehen, dass bei einer Invasion die Amerikaner sehr schnell versuchen werden, die Ölquellen unter Kontrolle zu bekommen.
Breker: Ist das technisch machbar?
Perthes: Das ist zumindest für die Ölquellen im Süden des Iraks vermutlich relativ einfach, weil sie sehr nah an den Aufmarschgebieten der Amerikaner, in der Nähe von Kuwait stehen.
Breker: Alle Pläne für die Szenarien gehen günstigstenfalls von einem relativ kurzen Zeitraum aus, den dieser Konflikt in Anspruch nehmen würde. Was ist, wenn dies nicht umsetzbar ist, kommt es dann zum Flächenbrand in der Region?
Perthes: Ich denke nicht, dass es zum Flächenbrand in der Region kommt. Die Probleme beginnen ja erst nach dem Krieg. Die Probleme beginnen mit den Flüchtlingswellen und mit der Eskalation zwischen Israelis und Palästinensern, die im Schatten eines solchen Krieges stattfinden können. Die Probleme beginnen beim Wiederaufbau und bei der Verwaltung des Irak. Bei dem Umgang mit den Resten von Partei und Militär sind das wahrscheinlich die realistischen Szenarien. Kriegsplaner und humanitäre Planer müssen sich auch über Worst Case-Szenarien Gedanken machen. Wir müssen mit einem längeren Krieg mit erheblichen Auswirkungen auf die Region gefasst machen. Dazu gehört weniger der Flächenbrand, sondern mehr der Terrorismus. Das heißt, es wird wahrscheinlich mehr Anschläge auf die Interessen westlicher Regionen geben. Das sind sozusagen weiche Interessen. Dazu gehören zum Beispiel Anschläge auf Mc Donalds-Fillialen bis zum Goethe-Institut.
Breker: Vielen Dank, Herr Perthes.