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Zurück zum Diplom

In den Ingenieurswissenschaften wollen die Kritiker der Bolognareform nicht verstummen: Zu verschult sei der Studiengang und der Bachelor of Science sei in der Industrie kaum anerkannt. An der TU Dresden setzt man nun wieder verstärkt auf Diplomabschlüsse - mit dem Segen des neu gewählten Rektors Hans Müller-Steinhagen.

Von Thomas Matsche | 19.07.2010
    Eines hat Prof. Hans Müller-Steinhagen in 17 Jahren wissenschaftlicher Arbeit im Ausland gelernt: Wer den Titel des deutschen Diplom-Ingenieurs im Namen trägt, wird weltweit mit Kusshand genommen. Der designierte Rektor der TU Dresden, der sein Amt im August antreten wird, hat deshalb schon mal klargestellt: Diplomabschlüsse haben an der TU einen besonderen Stellenwert. Heißt konkret: Die TU Dresden wird im kommenden Semester weiterhin 16 Diplomstudiengänge im Programm haben. Eine anerkannte Marke, wie den Diplom-Ingenieur, lasse man nicht einfach fallen, so Hans Müller-Steinhagen:

    "Es ist deswegen in meinen Augen ein großer Fehler, wenn wir den Abschluss Diplom-Ingenieur oder Doktor Ingenieur aus unserem Ausbildungsprogramm streichen würden. Damit hätten wir eine Gleichmacherei, die unseren Absolventen eigentlich schaden würde, weil unsere Abschlüsse auch anders sind als vergleichbare Bachelor- oder PhD-Abschlüsse."

    Im sächsischen Wissenschaftsministerium ist man über dieses Bekenntnis des Rektors nicht gerade erfreut. Auch wenn das Hochschulrahmengesetz die Diplomabschlüsse nach wie vor zulässt, so wolle man auch in Sachsen die Bolognareform irgendwann abschließend umsetzen. Auch was die einheitlichen Abschlüsse anbetrifft, meint Ronald Werner, Leiter der Abteilung Hochschulen im sächsischen Wissenschaftsministerium.

    "Also ich denke auch in Sachsen geht es nicht darum, die Bachelor-Master-Struktur zurückzuholen und zu den Diplomstudiengängen und –abschlüssen zurückzuführen. Sondern auch in Sachsen hat sich gezeigt, dass in vielen Studiengängen, in vielen Fächern, in den allermeisten diese Bachelor-Master-Struktur sich als sehr sinnvoll erwiesen hat. Sie hat deutlich mehr Flexibilität eröffnet, was die Studiengestaltung angeht und so gesehen: Also Bachelor-Master ist nicht von Sachsen in Frage gestellt sondern wird von Sachsen weiter umgesetzt."

    Dieser Ruf der Politik hat an der Fakultät der Informatik scheinbar nicht gefruchtet. Dort hat man sich entschieden, nach einem Jahr Bachelor-Master, wieder einen, wenn auch modularisierten, Diplomstudiengang einzurichten. Ab dem Wintersemester wird dieser parallel zum Bachelor-Master angeboten. Die Studierenden können sich dann zwischen einem fünfjährigem Diplomstudium oder dem zweigliedrigen Bachelor-Master entscheiden. Die Inhalte seien nahezu deckungsgleich, so Prof. Andreas Pfitzmann, Dekan der Fakultät Informatik. Aber jetzt könne man sehen, welches Studien-Modell bei den Studierenden gefragter sei:

    "Und ich glaube, dass wir als Fakultät wie auch als Universität nicht in erster Linie eine Verantwortung haben gegenüber den Politikern, denen ihre Wünsche, ihre Programme zu erfüllen sondern vor allen Dingen eine Verantwortung haben gegenüber jungen Menschen. Denen eine Ausbildung zu ermöglichen, die einfach von den Inhalten, von dem Allgemeinwissen so ist, dass man ein Leben darauf aufbauen kann, ein ganzes Berufsleben, wo man oft noch mal wird dazu lernen müssen und so weiter. Und vor dem Hintergrund glaube ich einfach, ich sag es jetzt mal sehr offen, interessiert mich die Meinung von Politikern nicht schrecklich."

    Die Nachfrage nach dem Diplomstudiengang sei riesig, sagt Andreas Pfitzmann. Doch das sei nicht das Ende, sondern eine pragmatische Ergänzung, der Bolognareform. Wenn ein Bachelorstudierender alle seine Prüfungen abgeschlossen hat, kann er auch noch in ein höheres Diplomstudium wechseln. Ebenso soll es auch für einen Diplomstudierenden nach drei Jahren einen sogenannten Notausstieg geben. Grundsätzlich, glaubt Pfitzmann, werde die geringere Fluktuation im Diplomstudium aber für eine bessere Lehr- und Lernsituation sorgen. Dieser Vorstoß könnte auch in anderen Fakultäten der TU Dresden Begehrlichkeiten wecken. Denn im Lehramt ist die Umstellung auf Bachelor-Master gänzlich gescheitert, sagt Steven Seiffert vom StudentInnenRat der TU Dresden:

    "Also da macht es einfach keinen Sinn, weil ich mit einem Bachelor-Lehramt nichts machen kann. Also ich muss zwingend in den Master rein und jetzt haben wir hier auch Kapazitätsprobleme. Das heißt, einige stehen dann auch noch ohne Master da und können damit rein gar nichts anfangen mit ihrem Bachelor."

    Das sieht die Industrie inzwischen auch so, meint Rektor Hans Müller-Steinhagen. Mit einem dreijährigen Bachelor im Ingenieurwesen bekomme man keine berufsqualifizierten Absolventen. Was folgt sind innerbetriebliche Weiterbildungen. Deswegen werde das Diplomstudium an der TU Dresden auch auf lange Sicht wohl weiterhin gefragt bleiben.