Stefan Heinlein: Leistung und Vermittlung unter einem Dach, Hilfe aus einer Hand für die Langzeitarbeitslosen, die Jobcenter sollten es möglich machen. Das war ein wichtiger Teil der Hartz-IV-Reformen. Nach etlichen Anlaufschwierigkeiten hat sich die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagenturen und Kommunen inzwischen eingependelt. Doch damit ist künftig wieder Schluss. 2007 bereits hat Karlsruhe diese Mischverwaltung als verfassungswidrig gebrandmarkt. Eine mögliche Änderung des Grundgesetzes scheiterte am Widerstand der Union. Ausgerechnet nun in der Krise muss bis zum Jahresende die Organisation der Jobcenter neu geregelt werden. Ein schwieriges Gesellenstück für die neue Arbeitsministerin Ursula von der Leyen.
Am Telefon ist nun Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Guten Morgen!
Ursula von der Leyen: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Wie schlimm wird künftig das Chaos wieder werden in den Jobcentern?
von der Leyen: Wir möchten gerne, dass sich so gut wie gar nichts ändert für die Langzeitarbeitslosen, dass wir so gut die Umstellung machen, dass die Langzeitarbeitslosen zum Beispiel immer noch in das gleiche Gebäude gehen, sie treffen dort immer noch den Fallmanager, der ihnen den Job vermittelt, sie können über den Flur gehen, da ist dann die Schuldnerberaterin, sie bekommen einen Antrag, den sie abgeben müssen, und sie bekommen mit der Post zum Schluss die beiden Bescheide nach Ende des Vorgangs, wenn man ausgerechnet hat, was sie zum Leben brauchen und was sie als Warmmiete brauchen, in einem Briefumschlag.
Also sie merken: Wir versuchen ganz klar es kundenfreundlich zu machen. Nämlich so, dass die Langzeitarbeitslosen wissen: Das ist mein Jobcenter. Innerhalb des Jobcenters entflechten wir, werden den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes korrekt Rechnung tragen, aber wir achten darauf, dass man ganz unkompliziert, ganz pragmatisch gute Zusammenarbeit auf freiwilliger kooperativer Basis im Jobcenter fortsetzt.
Heinlein: Es ändert sich also nichts für die Langzeitarbeitslosen, sagen Sie. Was ändert sich denn für die Angestellten der Arge, der Arbeitsgemeinschaften?
von der Leyen: Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich gemacht, dass klar sein muss, jeder muss seine Verantwortung tragen, also die Bundesagentur für Arbeit vermitteln in Arbeit, das ausrechnen, was man für den Lebensunterhalt für die Langzeitarbeitslosen braucht, und die Kommune muss das machen, was sie am besten kann, zum Beispiel den Kita-Platz suchen, zum Beispiel eine Suchtberatung organisieren und natürlich sich um die Warmmiete kümmern. Das Entscheidende ist, dass wir in dem gleichen Jobcenter die Angestellten von Kommune oder Bundesagentur für Arbeit miteinander so arbeiten lassen, dass sie Daten austauschen können, dass sie sich miteinander absprechen können. Es muss nur klar sein: Wer ist für was verantwortlich, wer hat was entschieden. Das regeln wir intern. Nach außen hin ist es die Hilfe unter einem Dach, die da realisiert wird.
Heinlein: Was ist aber, wenn manche Kommunen – und Sie sagen, es soll ja freiwillig geschehen – bei dieser freiwilligen Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen nicht mitmachen wollen?
von der Leyen: Erstens muss man sehen, dass ja alle im Land sagen, die Arbeit in den Jobcentern, nämlich dass wir gelernt haben in den letzten fünf Jahren, dass es richtig ist, dass Bundesagentur für Arbeit und Kommune, weil sie unterschiedliche Stärken, aber auch Schwächen haben, sich zusammentun. Diese gemeinsame Arbeit wird ja inzwischen als eine gute Arbeit angesehen und da ist ein großer Erfahrungsschatz auch gewachsen in den letzten fünf Jahren. Den wollen wir erhalten und es ist im Interesse sowohl der Kommune, als auch natürlich der Bundesagentur für Arbeit, dass Menschen in Arbeit vermittelt werden. Das wird günstiger dann für beide, also haben sie beide das gleiche Ziel.
Der Zweite Punkt, der mir wichtig ist: Wir möchten gerne, dass auf Augenhöhe, also als gleichberechtigte Partner, Kommune und Bundesagentur für Arbeit miteinander umgehen. Keiner soll dem anderen sozusagen übergeordnet werden. Deshalb haben wir Musterverträge entwickelt, die ganz viele Dinge zwischen diesen beiden Partnern miteinander regeln können, die verfassungsfest sind. Das ist unsere Aufgabe beim Bundesarbeitsministerium, diese Verfassungsfestigkeit herzustellen, aber deutlich zu machen, auf Augenhöhe könnt ihr miteinander arbeiten.
Wenn nun zwei gar nicht wollen – ich kann mir kaum vorstellen, dass man sagt, das ist das Optimum, denn beide haben ja das gleiche Ziel, in Arbeit zu vermitteln -, aber angenommen, zwei wollen gar nicht, dann gibt es in Deutschland einige wenige Kommunen unter den 400 im Augenblick – ich glaube, es sind an die 20 -, die heute schon eine sogenannte getrennte Aufgabenwahrnehmung haben. Das läuft da auch geräuschlos. Es ist nicht das Optimum und ich bin ganz sicher, dass sowohl die Kommunen vor Ort als auch die Bundesagentur für Arbeit ganz klar sagen, wir wollen optimal dafür sorgen, dass Menschen wieder in Arbeit kommen.
Heinlein: Dennoch, Frau von der Leyen, ist das alles, was Sie jetzt vorschlagen, nur die zweitbeste Lösung. Besser wäre, man lässt alles beim alten und ändert ganz einfach das Grundgesetz?
von der Leyen: Ja, das ist richtig. Das ist eine scheinbar auch attraktive Lösung. Ich höre viele solcher Stimmen. Nur zu sagen, wir ändern das Grundgesetz, ist ja nur eine Einigung erst mal auf einen Weg, dass man die Verfassung so anpassen will, dass sie eine Verwaltungsform gewissermaßen schluckt. Aber das ist noch nicht die Einigung auf ein Ziel, und das ist das Problem der letzten zwei Jahre gewesen. Es sind eben zwei Jahre verstrichen, ohne dass sich wirklich was bewegt hat, weil diskutiert worden ist, was wollen wir denn in der Verfassung konkret so ändern, was ist das Ziel. Da gehen natürlich die Meinungen dann doch wieder weit auseinander. Man darf nicht vergessen: Zurecht braucht man für eine Verfassungsänderung – das ist ja ein großer Akt – eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat, und da müssen sich alle diese auf ein und den gleichen Text einigen, und das ist bisher nicht gelungen.
Heinlein: Rächt es sich jetzt, Frau von der Leyen, dass Sie in der Großen Koalition es nicht geschafft haben, sich zu einigen? Da hatten Sie ja die notwendigen Mehrheiten gehabt.
von der Leyen: Richtig. Das ist ganz richtig! Damals hatten wir die notwendige Mehrheit. Das war das Fenster der Möglichkeiten. Die Einigung auf ein und das gleiche Modell, will ich mal sagen, was dann in der Verfassung festgeschrieben wird, die hat es nicht gegeben. Das zeigt eben schon: Nur Grundgesetzänderung zu sagen, aber nicht die Mehrheit zu haben, dass alle auch dasselbe wollen, das reicht eben nicht. Deshalb will ich einfach ganz pragmatisch den Weg gehen zu sagen, wir haben jetzt noch elf Monate Zeit, das ist wirklich allerhöchste Eisenbahn, jetzt etwas zu tun. Da sind 6,7 Millionen Menschen, die warten auf Hilfe, nämlich die Langzeitarbeitslosen mit ihren Familien. Da sind 75.000 Beschäftigte in den Jobcentern, die müssen wissen, wo der Weg langgeht. Das wird jetzt pragmatisch, unkompliziert und vor allem für die Menschen lebensnah und bürgerfreundlich organisiert.
Heinlein: Pragmatisch, unkompliziert, das hört sich gut an, Frau von der Leyen. Ändern ohne etwas zu ändern, ist das so etwas wie die Quadratur des Kreises, das Sie jetzt anstreben?
von der Leyen: Na ja, es ist schon nicht einfach, das stimmt, aber nun hat das Verfassungsgericht sein Urteil gesprochen, hat gesagt, die Mischverwaltung geht nicht. Wir hätten uns gewünscht, wir hätten so weiter arbeiten können. Jetzt, finde ich, muss man mit Respekt vor der Verfassung, aber mit großem lebensnahen Geschick das eben ändern, was die Verfassung fordert.
Heinlein: Ist es denn sinnvoll, wenn künftig zwei Bescheide verschickt werden? Das heißt doch unter dem Strich mehr Bürokratie und vor allem auch mehr Arbeit für die Jobcenter-Angestellten und auch mehr Kosten.
von der Leyen: Nein, denn die zwei Bescheide sagen eigentlich nur, es wird wieder Klarheit dargestellt, wer ist für was verantwortlich. Der eine Bescheid sagt, was brauchst du zum Leben, den Lebensunterhalt, die Regelleistung, und der andere Bescheid sagt, was ist die Warmmiete, die du brauchst. Das ist bisher auch ausgerechnet worden. Es war nur nicht klar: Macht das eigentlich jemand von der Kommune oder macht das jemand von der Bundesagentur für Arbeit? Das ist der Punkt, wo das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, das geht nicht, dass man nicht weiß, wer eigentlich verantwortlich ist für das, was hinten rauskommt.
Also muss der Bürger oder der Langzeitarbeitslose wissen, gegen wen er sich wendet, wenn er nicht einverstanden ist. Deshalb haben wir im Jobcenter jetzt ganz eindeutig geklärt: Für den Lebensunterhalt und Vermittlung in Arbeit ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig, für die Warmmiete und die sogenannten sozialintegrativen Leistungen die Kommune, damit eben jeder weiß, an wen er sich wenden kann, wenn er nicht einverstanden ist mit dem Ergebnis. Entscheidend ist ein Antrag und zum Schluss in einem Briefumschlag beide Bescheide, dann ist der Weg ganz klar gezeichnet.
Heinlein: Frage zum Schluss, Frau von der Leyen. Sehnen Sie sich angesichts dieser komplizierten Reform, dieser komplizierten Rechtslage manchmal zurück nach Ihrem alten Job, dem Familienministerium? Dort haben Sie sich ja sehr zu Hause gefühlt.
von der Leyen: Ich bin leidenschaftlich gerne Familienministerin gewesen, aber gerade als Arbeitsministerin ist man so mitten drin im prallen Leben, auch was die Probleme der Menschen betrifft, die jetzt mitten in der Krise auch bewegt werden müssen, dass es natürlich eine fantastische Herausforderung und auch Forderung ist, ganz, wie ich finde, auch unkompliziert die Dinge anzugehen. Wir müssen handeln. Wir dürfen jetzt nicht lange uns in theoretische Diskussionen verstricken, sondern wir müssen gucken: Was hilft den Menschen vor Ort. Das ist für mich das Entscheidende.
Heinlein: Wie groß ist denn in Ihrem neuen Job die Versuchung, doch noch in vielen Fragen von Familien und Kindern mitzureden?
von der Leyen: Ich finde, das gehört sich nicht. Jeder hat sein Ressort und es ist eine eiserne Regel, dass man sich nicht in andere Ressorts einmischt. An diese Regel werde ich mich konsequent halten. Bei mir geht es jetzt darum, dass Menschen in Arbeit vermittelt werden, dass natürlich Familienangehörige dadurch auch einen Lebensunterhalt mit haben, aber das oberste Ziel ist Arbeit, sinnvolle Arbeit für die Menschen.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
von der Leyen: Danke Ihnen, Herr Heinlein.
Am Telefon ist nun Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Guten Morgen!
Ursula von der Leyen: Guten Morgen, Herr Heinlein.
Heinlein: Wie schlimm wird künftig das Chaos wieder werden in den Jobcentern?
von der Leyen: Wir möchten gerne, dass sich so gut wie gar nichts ändert für die Langzeitarbeitslosen, dass wir so gut die Umstellung machen, dass die Langzeitarbeitslosen zum Beispiel immer noch in das gleiche Gebäude gehen, sie treffen dort immer noch den Fallmanager, der ihnen den Job vermittelt, sie können über den Flur gehen, da ist dann die Schuldnerberaterin, sie bekommen einen Antrag, den sie abgeben müssen, und sie bekommen mit der Post zum Schluss die beiden Bescheide nach Ende des Vorgangs, wenn man ausgerechnet hat, was sie zum Leben brauchen und was sie als Warmmiete brauchen, in einem Briefumschlag.
Also sie merken: Wir versuchen ganz klar es kundenfreundlich zu machen. Nämlich so, dass die Langzeitarbeitslosen wissen: Das ist mein Jobcenter. Innerhalb des Jobcenters entflechten wir, werden den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes korrekt Rechnung tragen, aber wir achten darauf, dass man ganz unkompliziert, ganz pragmatisch gute Zusammenarbeit auf freiwilliger kooperativer Basis im Jobcenter fortsetzt.
Heinlein: Es ändert sich also nichts für die Langzeitarbeitslosen, sagen Sie. Was ändert sich denn für die Angestellten der Arge, der Arbeitsgemeinschaften?
von der Leyen: Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich gemacht, dass klar sein muss, jeder muss seine Verantwortung tragen, also die Bundesagentur für Arbeit vermitteln in Arbeit, das ausrechnen, was man für den Lebensunterhalt für die Langzeitarbeitslosen braucht, und die Kommune muss das machen, was sie am besten kann, zum Beispiel den Kita-Platz suchen, zum Beispiel eine Suchtberatung organisieren und natürlich sich um die Warmmiete kümmern. Das Entscheidende ist, dass wir in dem gleichen Jobcenter die Angestellten von Kommune oder Bundesagentur für Arbeit miteinander so arbeiten lassen, dass sie Daten austauschen können, dass sie sich miteinander absprechen können. Es muss nur klar sein: Wer ist für was verantwortlich, wer hat was entschieden. Das regeln wir intern. Nach außen hin ist es die Hilfe unter einem Dach, die da realisiert wird.
Heinlein: Was ist aber, wenn manche Kommunen – und Sie sagen, es soll ja freiwillig geschehen – bei dieser freiwilligen Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen nicht mitmachen wollen?
von der Leyen: Erstens muss man sehen, dass ja alle im Land sagen, die Arbeit in den Jobcentern, nämlich dass wir gelernt haben in den letzten fünf Jahren, dass es richtig ist, dass Bundesagentur für Arbeit und Kommune, weil sie unterschiedliche Stärken, aber auch Schwächen haben, sich zusammentun. Diese gemeinsame Arbeit wird ja inzwischen als eine gute Arbeit angesehen und da ist ein großer Erfahrungsschatz auch gewachsen in den letzten fünf Jahren. Den wollen wir erhalten und es ist im Interesse sowohl der Kommune, als auch natürlich der Bundesagentur für Arbeit, dass Menschen in Arbeit vermittelt werden. Das wird günstiger dann für beide, also haben sie beide das gleiche Ziel.
Der Zweite Punkt, der mir wichtig ist: Wir möchten gerne, dass auf Augenhöhe, also als gleichberechtigte Partner, Kommune und Bundesagentur für Arbeit miteinander umgehen. Keiner soll dem anderen sozusagen übergeordnet werden. Deshalb haben wir Musterverträge entwickelt, die ganz viele Dinge zwischen diesen beiden Partnern miteinander regeln können, die verfassungsfest sind. Das ist unsere Aufgabe beim Bundesarbeitsministerium, diese Verfassungsfestigkeit herzustellen, aber deutlich zu machen, auf Augenhöhe könnt ihr miteinander arbeiten.
Wenn nun zwei gar nicht wollen – ich kann mir kaum vorstellen, dass man sagt, das ist das Optimum, denn beide haben ja das gleiche Ziel, in Arbeit zu vermitteln -, aber angenommen, zwei wollen gar nicht, dann gibt es in Deutschland einige wenige Kommunen unter den 400 im Augenblick – ich glaube, es sind an die 20 -, die heute schon eine sogenannte getrennte Aufgabenwahrnehmung haben. Das läuft da auch geräuschlos. Es ist nicht das Optimum und ich bin ganz sicher, dass sowohl die Kommunen vor Ort als auch die Bundesagentur für Arbeit ganz klar sagen, wir wollen optimal dafür sorgen, dass Menschen wieder in Arbeit kommen.
Heinlein: Dennoch, Frau von der Leyen, ist das alles, was Sie jetzt vorschlagen, nur die zweitbeste Lösung. Besser wäre, man lässt alles beim alten und ändert ganz einfach das Grundgesetz?
von der Leyen: Ja, das ist richtig. Das ist eine scheinbar auch attraktive Lösung. Ich höre viele solcher Stimmen. Nur zu sagen, wir ändern das Grundgesetz, ist ja nur eine Einigung erst mal auf einen Weg, dass man die Verfassung so anpassen will, dass sie eine Verwaltungsform gewissermaßen schluckt. Aber das ist noch nicht die Einigung auf ein Ziel, und das ist das Problem der letzten zwei Jahre gewesen. Es sind eben zwei Jahre verstrichen, ohne dass sich wirklich was bewegt hat, weil diskutiert worden ist, was wollen wir denn in der Verfassung konkret so ändern, was ist das Ziel. Da gehen natürlich die Meinungen dann doch wieder weit auseinander. Man darf nicht vergessen: Zurecht braucht man für eine Verfassungsänderung – das ist ja ein großer Akt – eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat, und da müssen sich alle diese auf ein und den gleichen Text einigen, und das ist bisher nicht gelungen.
Heinlein: Rächt es sich jetzt, Frau von der Leyen, dass Sie in der Großen Koalition es nicht geschafft haben, sich zu einigen? Da hatten Sie ja die notwendigen Mehrheiten gehabt.
von der Leyen: Richtig. Das ist ganz richtig! Damals hatten wir die notwendige Mehrheit. Das war das Fenster der Möglichkeiten. Die Einigung auf ein und das gleiche Modell, will ich mal sagen, was dann in der Verfassung festgeschrieben wird, die hat es nicht gegeben. Das zeigt eben schon: Nur Grundgesetzänderung zu sagen, aber nicht die Mehrheit zu haben, dass alle auch dasselbe wollen, das reicht eben nicht. Deshalb will ich einfach ganz pragmatisch den Weg gehen zu sagen, wir haben jetzt noch elf Monate Zeit, das ist wirklich allerhöchste Eisenbahn, jetzt etwas zu tun. Da sind 6,7 Millionen Menschen, die warten auf Hilfe, nämlich die Langzeitarbeitslosen mit ihren Familien. Da sind 75.000 Beschäftigte in den Jobcentern, die müssen wissen, wo der Weg langgeht. Das wird jetzt pragmatisch, unkompliziert und vor allem für die Menschen lebensnah und bürgerfreundlich organisiert.
Heinlein: Pragmatisch, unkompliziert, das hört sich gut an, Frau von der Leyen. Ändern ohne etwas zu ändern, ist das so etwas wie die Quadratur des Kreises, das Sie jetzt anstreben?
von der Leyen: Na ja, es ist schon nicht einfach, das stimmt, aber nun hat das Verfassungsgericht sein Urteil gesprochen, hat gesagt, die Mischverwaltung geht nicht. Wir hätten uns gewünscht, wir hätten so weiter arbeiten können. Jetzt, finde ich, muss man mit Respekt vor der Verfassung, aber mit großem lebensnahen Geschick das eben ändern, was die Verfassung fordert.
Heinlein: Ist es denn sinnvoll, wenn künftig zwei Bescheide verschickt werden? Das heißt doch unter dem Strich mehr Bürokratie und vor allem auch mehr Arbeit für die Jobcenter-Angestellten und auch mehr Kosten.
von der Leyen: Nein, denn die zwei Bescheide sagen eigentlich nur, es wird wieder Klarheit dargestellt, wer ist für was verantwortlich. Der eine Bescheid sagt, was brauchst du zum Leben, den Lebensunterhalt, die Regelleistung, und der andere Bescheid sagt, was ist die Warmmiete, die du brauchst. Das ist bisher auch ausgerechnet worden. Es war nur nicht klar: Macht das eigentlich jemand von der Kommune oder macht das jemand von der Bundesagentur für Arbeit? Das ist der Punkt, wo das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, das geht nicht, dass man nicht weiß, wer eigentlich verantwortlich ist für das, was hinten rauskommt.
Also muss der Bürger oder der Langzeitarbeitslose wissen, gegen wen er sich wendet, wenn er nicht einverstanden ist. Deshalb haben wir im Jobcenter jetzt ganz eindeutig geklärt: Für den Lebensunterhalt und Vermittlung in Arbeit ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig, für die Warmmiete und die sogenannten sozialintegrativen Leistungen die Kommune, damit eben jeder weiß, an wen er sich wenden kann, wenn er nicht einverstanden ist mit dem Ergebnis. Entscheidend ist ein Antrag und zum Schluss in einem Briefumschlag beide Bescheide, dann ist der Weg ganz klar gezeichnet.
Heinlein: Frage zum Schluss, Frau von der Leyen. Sehnen Sie sich angesichts dieser komplizierten Reform, dieser komplizierten Rechtslage manchmal zurück nach Ihrem alten Job, dem Familienministerium? Dort haben Sie sich ja sehr zu Hause gefühlt.
von der Leyen: Ich bin leidenschaftlich gerne Familienministerin gewesen, aber gerade als Arbeitsministerin ist man so mitten drin im prallen Leben, auch was die Probleme der Menschen betrifft, die jetzt mitten in der Krise auch bewegt werden müssen, dass es natürlich eine fantastische Herausforderung und auch Forderung ist, ganz, wie ich finde, auch unkompliziert die Dinge anzugehen. Wir müssen handeln. Wir dürfen jetzt nicht lange uns in theoretische Diskussionen verstricken, sondern wir müssen gucken: Was hilft den Menschen vor Ort. Das ist für mich das Entscheidende.
Heinlein: Wie groß ist denn in Ihrem neuen Job die Versuchung, doch noch in vielen Fragen von Familien und Kindern mitzureden?
von der Leyen: Ich finde, das gehört sich nicht. Jeder hat sein Ressort und es ist eine eiserne Regel, dass man sich nicht in andere Ressorts einmischt. An diese Regel werde ich mich konsequent halten. Bei mir geht es jetzt darum, dass Menschen in Arbeit vermittelt werden, dass natürlich Familienangehörige dadurch auch einen Lebensunterhalt mit haben, aber das oberste Ziel ist Arbeit, sinnvolle Arbeit für die Menschen.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
von der Leyen: Danke Ihnen, Herr Heinlein.