Lange: Die Behörde in Wien bemängelt unter anderem, es gibt hoch angereichertes Uran im Iran, von dem wir nichts wissen, und da sagen die Iraner, wir wissen es eigentlich auch nicht. Das klingt nicht sehr überzeugend.
Thränert: Iran ist dabei, eine Urananreicherungsanlage zu bauen. Wir haben lange Zeit erklärt, dass es sich hierbei um eine Eigenentwicklung handelt, das ist eine Gaszentrifugenanlage. Offenbar haben sie aber nun, wie sich jetzt herausstellt, diese Anlagenteile doch importiert, und sie behaupten nun, dass, nachdem die Wiener Atomenergiebehörde dort Spuren hochangereicherten Urans gefunden hat, das damit zusammenhängen muss, dass die importierten Zentrifugen von demjenigen Land, von dem sie eingeführt worden sind, vorher kontaminiert, also mit einem solchen hochangereicherten Uran verschmutzt worden seien. Wie glaubwürdig das ist, ist eben die große Frage, und das ist eben das, was ich vorhin gesagt habe, Iran ist jetzt gefordert, hier Transparenz zu zeigen, die vollen Informationen über die Geschichte und die Entstehung seines Anreicherungsprogramms offen zu legen, und dann wird man auch dazu übergehen, mit Iran entsprechend zu kooperieren.
Lange: Nun gibt es ja auch offenbar auch im Iran selbst eine Art Richtungskampf, wie man nun auf das Ultimatum reagieren soll. Was hören Sie da? Welche Richtung ist da stärker? Was ist am Ende diejenige, die sich vielleicht durchsetzen wird?
Thränert: Vielleicht zunächst, die Wiener Atomenergiebehörde hat es in ihrer entsprechenden Resolution ausdrücklich vermieden, von einem Ultimatum zu sprechen, aber es ist natürlich schon eine gewisse Fristsetzung, bis zu der sich die Iraner nicht nur entscheiden müssen, wie sie mit dem Zusatzprotokoll umgehen wollen, sondern auch wie sie eben die Geschichte ihres Anreicherungsprogramms aufklären wollen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Zunächst hat offiziell die iranische Seite erklärt, sie wollten auf diese Frist nicht eingehen beziehungsweise haben zunächst den Verhandlungssaal verlassen. Wahrscheinlich ist es jetzt so, dass einige im Iran argumentieren, wenn man jetzt einknickt und gegenüber den westlichen Staaten, vor allen Dingen den USA sozusagen sich zurückhält beziehungsweise auf die Forderung eingeht, dass man dann eben noch weitere Zugeständnisse machen muss, und einige werden argumentieren, dass man es vielleicht so machen sollte wie Nordkorea, das heißt eine harte Haltung einnehmen, um somit die USA und andere westliche Länder an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Lange: Stichwort Nordkorea. Ist das ein plausibles Kalkül, das vielleicht das Regime in Teheran tatsächlich verfolgt, dass man sich mit Atombomben, die man irgendwann mal besitzen wird, praktisch unangreifbar macht?
Thränert: Es gibt sicherlich aus einer iranischen Perspektive heraus ganz gute Gründe. Ich meine, Iran ist von Atomwaffenstaaten quasi umgeben. Der Nachbar Pakistan, Israel verfügt über sie, die amerikanische Flotte im Persischen Golf und auch der nördliche Nachbar Russland. Von daher gibt es gute strategische Gründe, und Iraner haben auch gewisse Ansprüche, was ihren Stolz und ihren Status anbelangt, und denken, dass man als Atomwaffenstaat eine größere Anerkennung bekommt. Insofern werden sie sicherlich auch die Geschichte mit Nordkorea sehr eingehend verfolgen, und sollte es Nordkorea gelingen, mit seiner Drohpolitik Amerika in die Knie zu zwingen, dann wird man sich in Teheran fragen, ob man das nicht auch machen kann.
Lange: Also die Beteuerung von Präsident Khatami, keine Atomwaffen, nur friedliche Nutzung ist beabsichtigt, die nehmen Sie nicht so ganz ernst?
Thränert: Ich glaube, dass Khatami, was dieses Nuklearprojekt anbelangt, nicht der entscheidende Faktor ist. Ich glaube vielmehr, dass der ehemalige Präsident Rafsandschani hier der treibende Faktor ist. Was er letzten Endes und diejenigen, die mit ihm an einem Strang ziehen, mit diesem Projekt verfolgen, darüber kann man noch kein abschließendes Urteil fällen, aber die meisten Experten, übrigens auch europäische Experten, kommen immer mehr zu der Schlussfolgerung, dass es hier um ein Atomwaffenprogramm geht.
Lange: Nun haben wir im Irak gerade erlebt, wie die USA versucht haben, die internationale Staatengemeinschaft in Stellung zu bringen für ihre Ziele, hinter denen sie ihre eigentlichen Absichten etwas verborgen haben. Sehen Sie die Gefahr oder die Möglichkeit, je nach Sichtweise, dass es in puncto Iran genauso funktioniert?
Thränert: Ich glaube nicht, dass man in Washington derzeit ernsthaft über militärische Optionen diskutiert. Das wird sicherlich etwas sein, worüber man nachdenkt, aber es wird im Moment sicherlich nicht ganz oben auf der Liste der Optionen stehen. Eine andere Frage ist, wie Israel reagieren wird, denn die israelische Regierung hat klipp und klar erklärt, dass sie ein atomar bewaffneten Iran nicht akzeptieren könnten.
Lange: Wenn ich mich recht entsinne, ist doch auch einmal ein iranischer Kernreaktor von israelischen Flugzeugen bombardiert worden.
Thränert: Nein, das war ein irakischer Reaktor 1981, und hier hat sich übrigens auch gezeigt, dass zwar das damalige irakische, also das Atomprogramm Saddam Husseins um Jahre zurückgeworfen wurde, aber keineswegs gestoppt wurde. Das ist natürlich ein Argument gegen diejenigen, die jetzt möglicherweise mit militärischen Optionen liebäugeln.
Lange: Könnte es auch zum Kalkül des Iran gehören, dass er genauso gut damit spekuliert, dass George Bush vom US-Kongress nicht noch mal so ein Blanko-Scheck bekommt wie für den Irak?
Thränert: Ja, das könnte durchaus sein, dass man versucht, mit kleineren Zugeständnissen den Spaltpilz in die amerikanische Diskussion selber, aber auch zwischen Amerika und seinen europäischen Verbündeten zu treiben. Das ist sicherlich eine Strategie, die in Teheran überlegt wird, aber ich meine, es ist schon so, dass die westliche Welt gut beraten wäre, hier an einem Strang zu ziehen, denn in der Tat wäre ein nuklear bewaffneter Iran nicht nur eine große Problematik für die Region, sondern auch der gesamte nukleare Nichtverbreitungsvertrag würde natürlich auf der Kippe stehen. Weitere Staaten könnten sich dann entschließen, sich nicht mehr an diese Normen gebunden zu fühlen und eigene Kernwaffenprojekte durchzuführen.
Lange: Das war Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik, vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio