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Zusammenarbeit mit der PDS soll im Wahlprogramm ausgeschlossen werden

Ensminger: Wunden lecken auf der einen Seite, unverhohlene Freude auf der anderen. Nach dem katastrophalen Ergebnis der SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt steht die Partei nun vor der Aufgabe, die Wähler wieder auf bundespolitischen Kurs zu bringen. Heute Abend will die SPD ihr Wahlprogramm beschließen und nun sieht es so aus, als wolle die Partei den Bundestagswahlkampf auf ein Duell zwischen Kanzler Schröder und dem Herausforderer der Union Stoiber zuspitzen. "Wollt ihr weiter den Bundeskanzler Schröder oder wollt ihr den Stoiber"? Vor dieser Frage stünden die Wähler nun, meinte der Kanzler gestern in Berlin. Unionsvertreter daraufhin: bei der Wahl am 22. September werde es um die Kompetenz der Kandidaten und nicht um ihre Sympathiewerte gehen. - Am Telefon ist nun Kurt Beck, sozialdemokratischer Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz. Guten Morgen!

    Beck: Schönen guten Morgen!

    Ensminger: Herr Beck, was sagen Sie denn, Personenwahlkampf ja oder nein?

    Beck: In der Bundesrepublik hat sich das so entwickelt, dass es immer ein Personenwahlkampf ist. Es ist ja von der CDU begonnen worden, als man damals mit Herrn Kiesinger plakatiert hat "auf den Kanzler kommt es an". Also das ist ganz klar personenbezogen. Natürlich gehört dazu ein Programm, natürlich gehört dazu eine politisch-inhaltliche Vorstellung.

    Ensminger: Aber halten Sie eine Art Duell für richtig?

    Beck: Ja, es war immer ein Duell. Das muss man sagen. Die Medien haben das auch immer so zugespitzt. Warum sollte man dem ausweichen. Warum sollte die SPD dem ausweichen, nachdem wir mit Gerhard Schröder einen Kanzler haben, der eindeutig ein klares Profil hat, der seine Positionen zu vermitteln weiß und wenn sein Kontrahent sich vor einer direkten Medienkonfrontation fürchtet, weil ihm die Sätze häufig daneben geraten, dann muss man im Wahlkampf darauf nicht mehr Rücksicht nehmen als menschlich geboten.

    Ensminger: Nun sagt Unionsfraktionschef Merz, Stoiber habe bessere Kompetenzwerte als der Kanzler Schröder, und ähnlich argumentierte ja auch die CDU-Vorsitzende Merkel. Es könnte ja auch gefährlich sein, so zu fahren wie die SPD es jetzt plant?

    Beck: Nun ja, Herr Merz hat schon häufig Dinge festgestellt, die mit der Realität nicht so sehr viel zu tun haben, aber das wird sich zeigen. Wenn man vor einer solchen "Konfrontation" keine Furcht hat, dann kann man es darauf ankommen lassen, denn es wird ja bei solchen Auseinandersetzungen nicht über das Wetter geredet oder über die Mode des kommenden Frühjahrs, sondern über Politik. Insoweit wird man Inhalt und Person miteinander vergleichen können und es kommt am Ende darauf an, eine Führungspersönlichkeit mit klarem inhaltlichen Profil an der Spitze der Bundesrepublik zu haben. Das ist Gerhard Schröder und das werden wir auch deutlich machen.

    Ensminger: Das ist jetzt nun eine Möglichkeit, die Konsequenzen auch aus der Wahl in Sachsen-Anhalt zu ziehen. Was wäre denn Ihrer Meinung nach noch notwendig, um Zeichen zu setzen für den September?

    Beck: Wir werden natürlich sehr deutlich unser Programm herausstellen und erstens klar machen, dass in den vergangenen vier Jahren Reformen angepackt worden sind, die in der Zeit Kohl versäumt wurden. Ich erinnere an die Steuerreform, die größte in der Geschichte der Bundesrepublik. Ich erinnere daran, dass mit der Rentenreform wirklich ein Paradigmenwechsel vollzogen worden ist, um den heute heranwachsenden Generationen auch eine gesicherte Rente zu geben und die heutigen Rentner abzusichern, und man könnte dem vieles hinzufügen. Insoweit sind in einer weltwirtschaftlich schwierigen Zeit die notwendigen Konsequenzen gezogen worden und es ist parallel dazu ein Konsolidierungskurs für die öffentlichen Finanzen eingeleitet worden, denn die Union hat der SPD einen Schuldenberg ungeahnter Größenordnung übergeben. Da ist Substanz in der Sache, da ist zum zweiten ein klarer verantwortlicher Kurs und in die Zukunft hinein wird es auch darum gehen, dass wir die Familien in unser Bild viel stärker mit hinein einbeziehen. Auch dazu hat die SPD klare und auch finanzierbare, realisierbare Aussagen gemacht.

    Ensminger: Wir kommen gleich noch mal zur Wirtschaftspolitik. Sie haben das Wahlprogramm angesprochen, was das SPD-Präsidium heute beschließen wird. Sie haben gefordert, dass darin jede Form der Zusammenarbeit mit der PDS auf Bundesebene ausgeschlossen werden soll. Steht denn dort überhaupt eine Zusammenarbeit an?

    Beck: Nein, die steht nicht an, aber es wird immer wieder unterstellt.

    Ensminger: Warum fordern Sie das dann?

    Beck: Man tut ja immer so, als ob das nicht wahr sei, was dort seitens des Bundeskanzlers, was seitens der führenden Sozialdemokraten gesagt wird. Deshalb bin ich dafür, in dieser Art und Weise eindeutig und nachlesbar Klarheit zu schaffen.

    Ensminger: Aber das heißt doch, dass Sie glauben, dass Sie mit Taten die Wähler nicht überzeugen können, dass die PDS für Sie nicht in Frage kommt?

    Beck: Was will man mit Taten tun. Etwas was man ausschließt, kann man ja nicht mit Taten belegen, sondern da kann man nur sagen, man tut es nicht und man wird hinterher sehen, dass es so ist. Insoweit lässt sich dort nichts anderes tun, als eine klare Aussage zu machen.

    Ensminger: Und die soll jetzt gemacht werden. - Zum Wahlprogramm noch mal: Es geht natürlich auch um Wirtschaftspolitik. Müntefering meinte gestern, Stoiber sei auch angetreten, Deutschland im Wahlkampf schlecht zu reden und es gebe Anzeichen für einen Konjunkturaufschwung. Da sprach er das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute an, das heute vorgestellt wird, das einen Aufschwung prophezeit. Das ist ja richtig, aber eben nur 0,9 statt 1,3 Prozent, wie es noch im Herbst prognostiziert wurde. Verlässt sich die SPD nicht zu sehr auf die Konjunktur?

    Beck: Nein. Die Konjunktur gehört aber mit dazu. Im übrigen: wie diese Prognose herüber gebracht wird ist eine eigenartige Geschichte. Wir waren ja zu Anfang dieses Jahres - ich rede jetzt nicht vom Herbstgutachten, sondern von Anfang 2002 - dabei, dass alle gesagt haben, na ja, wenn es 0,7 wird, dann ist es schon gut. Jetzt korrigieren die Wirtschaftsweisen nach oben auf die Größenordnung von einem Prozent. Sie korrigieren nach unten auf der Grundlage einer schon lange vergangenen weltwirtschaftlichen Situation. Insoweit glaube ich ist das eine Grundlage, um auch die Arbeitsmarktpolitik wieder erfolgreicher gestalten zu können, denn vor dem Hintergrund einer äußerst schwierigen weltwirtschaftlichen Lage bei der Verflechtung der Bundesrepublik Deutschland in die Weltwirtschaft, bei den inneren Anstrengungen, über 80 Milliarden Solidarleistung in den neuen Ländern, was notwendig ist, was ich unterstreiche, aber was eben erbracht werden muss, haben wir es natürlich ungleich schwerer als unsere europäischen Mitkonkurrenten. Das muss man sehen. Auch in den 90er Jahren noch zu Zeiten von Herrn Kohl waren die Wirtschaftswachstumsraten nie größer als das, was wir jetzt erwarten dürfen.

    Ensminger: Nichtsdestotrotz sieht es ja immer wieder so aus, als würde die Regierung auf die ruhige Hand setzen. Risiken, die Sie ja auch schon angesprochen haben, gibt es: zum Beispiel die Ölpreise, die Nahostkrise. Ist die Frage, ob dem Wähler das gefällt, dass man tatsächlich sagt, die Konjunktur kommt?

    Beck: Ich glaube gerade wenn solche Risiken da sind - die Nahostkrise ist ein Risiko und die Terrorbedrohung ist ein weiteres Risiko; das dürfen wir ja nicht verkennen, was wir erlebt haben am 11. September letzten Jahres. Alle haben gesagt, es wird nichts mehr so sein wie es vorher war. Es ist nichts mehr so wie es war! Nicht in dem dramatischen Umfang, dass wir ständig Angst haben müssen, aber in dem Maßstab, dass die Bedrohung ständig da ist und dass sich vieles im Zusammenleben der Bevölkerung verändert. Insoweit haben sich natürlich die Paradigmen verändert und ich möchte keinen Bundeskanzler haben, der fahrig und schusselig am Ende die Namen durcheinander bringt, nicht mehr weiß mit wem er gerade redet. In einer solchen Zeit ist eine ruhige Hand zu haben als Symbol alles andere als ein Nachteil. Ein Kanzler muss die Ruhe bewahren und klare Konzepte vorgeben und diese Konzepte dann auch international und national umsetzen. Insoweit vertraue ich auf Gerhard Schröder. Diese ganze fahrige Art, nicht zu wissen was gerade Thema ist, das würde mich nicht sehr beruhigen.

    Ensminger: Es gibt ja noch ein weiteres Problem, mit dem in der Regierung wahrscheinlich jetzt alle zu kämpfen haben, denn die IG Metall hat Streiks angekündigt. Der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall Peters hat auch noch einen flexiblen Arbeitskampf angekündigt. Das kann doch gefährlich werden oder?

    Beck: Das ist sicher eine nicht schöne Situation, die wir haben. Ich hoffe, dass man noch einen Weg findet, ohne Arbeitskampf zu einem Ergebnis zu kommen. Die IG Chemie hat ja die Wege gezeigt, wie dies gehen kann. Das ist aber zunächst einmal Sache der Tarifpartner. Ich kann nur raten, aufeinander zuzugehen. Ich kann aber auch nur raten, dass diejenigen, die jetzt als Scharfmacher auftreten, beispielsweise der Wirtschaftsrat der Union, und in einer Zeit, wo die Krankenrate so niedrig ist wie seit vielen, vielen Jahren nicht mehr zu fordern, die Lohnfortzahlung zu streichen oder maßgeblich einzuschränken, wer so jetzt redet, der verschärft die Situation und hilft weder der Arbeitgeber- noch der Arbeitnehmerseite. Er ist einfach nur unverantwortlich.

    Ensminger: Das heißt: Ermahnung an die Gewerkschaften?

    Beck: Das heißt jetzt, was ich gesagt habe, ausdrücklich nicht nur Ermahnung an die Gewerkschaften. Natürlich heißt das, dass die Tarifvertragsparteien eine hohe Verantwortung haben, aber beide Seiten. Ich habe eben von der Politik und hier von der Union und ihrer Wirtschaftspolitik gesprochen, die Öl ins Feuer zu gießen in der Lage und bereit ist mit dem, was sie gerade diskutiert: Stichwort Lohnfortzahlung streichen.

    Ensminger: Herr Beck, kommen wir mal kurz auf ein anderes Thema. Sie sind Bundesbevollmächtigter für die kulturelle Zusammenarbeit mit Frankreich. In Frankreich haben wir ja gerade etwas erlebt, womit wohl kaum jemand gerechnet hat. Der Rechtspopulist Le Pen zieht in die Stichwahlen bei der Präsidentschaftswahl, hat den Sozialisten Jospin geschlagen. Wie bewerten Sie das denn?

    Beck: Ich war entsetzt muss ich sagen. Ich hatte am Sonntag noch Gäste aus Lothringen und wir haben darüber geredet und alle haben gesagt, na ja, der erste Wahlgang, das ist nicht so wichtig, aber im zweiten Wahlgang, das wird dann spannend, da werden wir alle wählen gehen. So haben offensichtlich viele Franzosen gedacht und am Ende war dieses katastrophale Ergebnis da. Man muss sagen, die Franzosen - so ist mein Eindruck - können es selber noch nicht glauben. Ich hatte gestern Gelegenheit, mit dem Kulturattaché der französischen Botschaft in Deutschland zu reden. Mit wem man redet, es ist Entsetzen und Erstaunen und ich bin sehr froh darüber, dass die französische Linke sehr klar und sehr eindeutig und nach wenigen Stunden des Schocks gesagt hat, jetzt bleibt nur, den jetzigen Präsidenten zu unterstützen, denn das darf man Frankreich, das darf man Europa und der Welt nicht antun, dass ein solcher Rechtspopulist, ein solcher Rechtsextremer hier gewählt wird.

    Ensminger: Vielen Dank Kurt Beck, sozialdemokratischer Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz.

    Link: Interview als RealAudio