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Zuwanderungsgesetz
"Eine bestimmte Zahl von Menschen für bestimmte Berufe"

Beim Grundrecht auf Asyl im Rahmen des Grundgesetzes könne es keine Begrenzung geben, sagte Armin Laschet im Dlf. Darüber hinaus brauche Deutschland aber eine "qualifizierte Zuwanderung". Er sprach sich für ein Zuwanderungsmodell nach kanadischem Vorbild aus.

Armin Laschet im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 07.10.2017
    Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, CDU, beantwortet in Düsseldorf Fragen von Journalisten; Aufnahme vom 4. Oktober 2017
    Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, CDU, beantwortet in Düsseldorf Fragen von Journalisten; Aufnahme vom 4. Oktober 2017 (picture alliance / Federico Gambarini/dpa)
    Jürgen Zurheide: In der Union steht morgen ein ganz besonders wichtiger Termin auf der Tagesordnung, da treffen sich CDU und CSU, sie wollen die Koalitionsgespräche vorbereiten. Wie man so schön sagt: Die Schwesterparteien sitzen zusammen. Und dieses Wort und dieser Begriff, den kann man nicht ohne jede Ironie in diesen Tagen aussprechen. Wir wissen, die Rahmenbedingungen sind nicht besonders schön nach dem Bundestagswahlergebnis, die Kanzlerin steht in der Kritik und Horst Seehofer von der CSU steht auch in der Kritik. Dabei müssen sie vorbereiten, was in der Jamaika-Koalition diskutiert werden könnte und müsste. Über all das wollen wir reden mit Armin Laschet, dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden CDU-Vorsitzenden, ich begrüße ihn am Telefon, guten Morgen, Herr Laschet!
    Armin Laschet: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Zunächst einmal die Frage: Die Gespräche morgen, das wissen wir, aber wann beginnen denn die richtigen Koalitionsgespräche? Da fragt ja schon der eine oder andere ungeduldig nach!
    "Nach Sonntag haben wir Klarheit, dann wird es erste Gespräche geben"
    Laschet: Ja, das wird sich nach dem morgigen Tag dann erweisen. Wir wissen ja, dass auch noch alle die Parteien, die potenziell in diese Jamaika-Koalition gehen könnten, derzeit noch gegeneinander im Wahlkampf, im Wettbewerb in Niedersachsen stehen. Aber ich denke, nach Sonntag haben wir da Klarheit, dann wird es erste Gespräche geben. Lange wird es nicht mehr dauern.
    Zurheide: Sie meinen jetzt diesen Sonntag oder die Niedersachsen-Wahl?
    Laschet: Ja gut, es wird ja sich am Montag das Präsidium der CDU mit der ganzen Frage von Sondierungen beschäftigen, dann wird man sicher Einladungen aussprechen. Und ob der erste Termin nun vor oder nach der Niedersachsen-Wahl ist, das kann man im Moment nicht sagen. Ich vermute eher, nach der Niedersachsen-Wahl.
    Zurheide: Sie gehen aber fest davon aus, morgen zwischen CDU und CSU, da wird man sich einigen. Sie ahnen jetzt, welches Wort da kommt, man kann es ja fast nicht mehr hören, dieses Wort mit der Obergrenze. Will ich aber erst mal hinten anstellen! Ist das das wichtigste Streitthema zwischen CDU und CSU, also die Zuwanderung?
    Laschet: Das ist jetzt ein Thema, das große öffentliche Aufmerksamkeit erregt, aber ich glaube, das ist sicher nicht das wichtigste Thema, das diese nächste Koalition vor sich hat. Wir werden mit der CSU am Sonntag auch sprechen natürlich über die Frage der Rentensysteme, Mütterrente – ja oder nein –, der Pflegeversicherung, vielen anderen auch sozialen Fragen, die man ja klären muss, bevor man in Gespräche geht.
    Und für mich selbst ist die Frage des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen als Industrieland für ganz Deutschland mit Stahlindustrie, mit Chemieindustrie, mit Aluminium, mit Glas eine sehr wichtige, denn da haben die Grünen zum Teil sehr unterschiedliche Auffassungen. Und hier müssen wir dann auch innerhalb der Union eine Klärung herbeiführen, was sind unsere Schwerpunkte.
    Zurheide: Aber ist das nicht genau ein Teil des Problems, dass die gesamte öffentliche Debatte sich um ein Thema rankt, wo ich nicht sage, dass es keine Probleme gibt, aber - da würde ich Ihnen voll zustimmen - das jedenfalls nicht im Zentrum der nächsten Legislaturperiode stehen kann? Ist man da nicht der AfD schon viel zu sehr auf den Leim gegangen, ist das nicht der Grundfehler auch des Wahlkampfes gewesen? Sagen Sie jetzt nicht, das waren die Medien!
    "Den Rechtspopulisten Stimmen wegnehmen, indem man Probleme löst"
    Laschet: Na ja, es waren nicht die Medien alleine, aber es hat keinen Wahlkampf ja über das Flüchtlingsthema gegeben. Und manche haben dann bemängelt, dass man dazu keinen Wahlkampf geführt hat. Und andere haben gesagt, es ist zu viel darüber geredet worden. Das Fernsehduell hat aus meiner Sicht fast die Hälfte seiner Zeit mit einem Thema verbracht, dessen Wirkung eigentlich gelöst war und wo die Flüchtlingszahlen zurückgingen. Aber wie auch immer es war, es ist jedenfalls ein Thema, das Menschen bewegt in Ost und West, aufwühlt, wo quer durch Familien drüber diskutiert wird. Und deshalb muss man es einfach jetzt lösen. Und ich glaube immer, man kann Rechtspopulisten Stimmen wegnehmen, indem man Probleme löst, und nicht indem man kontrovers darüber diskutiert.
    Zurheide: Dann lassen Sie uns das kurz abhandeln! Jetzt gibt es so Forderungen, die da heißen: Grundgesetzveränderungen beim Thema Asyl wird es nicht geben, das sagt Herr Trittin zum Beispiel von den Grünen. Sie stimmen dem vermutlich zu, oder?
    Laschet: Ich habe noch keinen gehört, der gefordert hatte, man müsse das Grundgesetz ändern, das steht nicht zur Debatte.
    Zurheide: Einwanderungsgesetz, ist so was mit der CSU zu machen? Ich weiß auch, Sie sind da eher positiv.
    Laschet: Das halte ich für denkbar. Ich glaube, man muss den gesamten Bogen klären. Das Erste ist, wenn man das Grundgesetz nicht ändert, heißt das, dass jeder, der individuell für sich eine politische Verfolgung nachweisen kann, Asyl auch in Zukunft genießt. Und dafür gibt es natürlich bei einem Grundrecht rechtlich keine Grenze.
    Das andere ist die Frage: Der, der aus anderen Gründen nach Deutschland kommt, beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen, da muss man sagen, das ist nicht von diesem Artikel 16a und 16 gedeckt. Wer nicht schutzbedürftig ist, muss das Land wieder verlassen. Aber wir brauchen dennoch qualifizierte Zuwanderung, das ist heute glaube ich zwischen fast allen Parteien unstrittig. Die CSU nennt es in ihrem Bayern-Plan Fachkräftezuwanderungsgesetz, nimmt nicht das Wort "Einwanderung", aber in der Substanz ist es das Gleiche. Man nimmt eine bestimmte Zahl von Menschen für bestimmte Berufe, wo wir heute schon eklatanten Mangel haben, denen gibt man die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen. Und diese Zahl kann man natürlich auch begrenzen, so wie das die Kanadier beispielsweise mit ihrem Modell auch machen. Hier halte ich einen Konsens für möglich, auch in einer Jamaika-Koalition.
    Zurheide: Das heißt, Obergrenze nicht bezogen auf Asyl, sondern auf etwas anderes, Ihr Parteifreund Kufen, der Oberbürgermeister von Essen hat das ja in diesen Tagen auch gefordert, der steht Ihnen politisch auch nah, weil er auch Integrationspolitik macht, der sagt auch: Wenn man sich manche Stadtteile anguckt, dann sieht man, dass da einiges aus dem Ruder gelaufen ist und dass da auch politisch am Ende Vertrauen verloren gegangen ist. Wie kriegt man das hin?
    Flüchtlingskrise: mit der "sozialen Frage" verbunden
    Laschet: Ja, ich glaube, das … Er ist Oberbürgermeister von Essen, einer Stadt im Ruhrgebiet. Wir haben ja im Ruhrgebiet erlebt, dass in vielen Städten die AfD zweistellige Ergebnisse hatte. Das liegt jetzt nicht nur an der Flüchtlingskrise, sondern an vielen sozialen Problemen, die sich in bestimmten Städten ballen. Da haben Sie Rumänen und Bulgaren, die in die Städte angeworben werden, dann in Schrottimmobilien untergebracht werden. Diese Frage muss man lösen.
    Man hat generell zu wenig Aufstiegschancen, sowohl für Zuwanderer als auch für deutsche Kinder, deren Eltern vielleicht nicht helfen können. Da kommt manches zusammen und ich glaube, das hat der Oberbürgermeister Kufen angesprochen. Und deshalb würde ich mir wünschen, dass man das Thema auch breiter sieht und nicht nur auf die Flüchtlingskrise hin, sondern auf die soziale Frage, die dann mit den vielen Städten verbunden ist.
    Zurheide: Das heißt, da eine Obergrenze, sagen Sie, kann man sich vorstellen, so wie Sie es vorhin definiert haben?
    Laschet: Bei was, meinen Sie?
    Zurheide: Sie haben gesagt, eine Obergrenze nicht beim Asyl, weil das nicht geht, aber wir alle wissen, das sind maximal ein Prozent derjenigen, die zu uns kommen, aber bei allen anderen kann man auch eine Obergrenze festlegen?
    Laschet: Ja klar. Sie können für die Zuwanderung, die Sie nach Deutschland haben, sagen: Wir nehmen im Jahr 50, 70, 100, 1.000 wie auch immer, die qualifiziert - nicht in die Sozialsysteme, sondern in den Arbeitsmarkt einwandern - auf. Und dann muss man die Größe festlegen, wie Integration gelingen kann. Und so ähnlich machen es die Kanadier mit ihrem Punktesystem, wo sie pro Jahr genau festlegen, was brauchen wir und was können wir in diesem Jahr schaffen.
    "So ähnlich machen es die Kanadier mit ihrem Punktesystem"
    Zurheide: Jetzt erzählen Sie uns ein bisschen was aus den internen Debatten bei der CDU! Jens Spahn hat gestern bei der Jungen Union gesagt: Na ja, also, kritisch wird da nicht diskutiert. Was machen Sie da in den Vorständen? Oder ist Jens Spahn nicht immer dabei, wenn Sie der Kanzlerin auch mal sagen, das solltest du anders machen?
    Laschet: Ich erlebe dauernd, dass in der Union kritisch diskutiert wird. Manche sagen ja, das ist sogar das Problem, dass in der Union viel zu viel kritisch diskutiert wird, und nicht nur in den Gremien, sondern sogar in der Öffentlichkeit. Das ist ja immer der Spagat bei jeder Partei: Wenn kritisch diskutiert wird, sagen die Leute, die sind zerstritten, und wenn nicht öffentlich gestritten wird, heißt es, bei uns darf man nicht diskutieren. Mein Eindruck ist: So viel, wie in den letzten zwei, drei Jahren zwischen CDU und CSU und auch innerhalb der Parteien kritisch diskutiert worden ist, haben wir vielleicht seit Jahrzehnten nicht mehr kritisch diskutiert. Und ich glaube, die Bürger erwarten allerdings jetzt irgendwann auch mal, dass man sagt: Was ist denn jetzt eure gemeinsame Haltung? Und da hoffe ich auf den kommenden Sonntag.
    Zurheide: Und letzte Frage: Braucht es danach einen Parteitag, wenn denn so eine Koalition ausgehandelt werden sollte und zustande kommen sollte? Ich glaube, Sie glauben ja eher, dass es gelingen kann mit Jamaika. Braucht es dann einen Parteitag, oder wer muss zustimmen? Das Hinterzimmer oder der Parteitag?
    Laschet: Na, bisher war es auch nicht das Hinterzimmer, sondern der Bundesausschuss. Das ist so eine Art kleiner Parteitag. Aber über diese Frage werden wir sicher auch im Präsidium sprechen. Ich kann mir das vorstellen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen auf einem Landesparteitag den Koalitionsvertrag beschlossen. Denkbar ist das. Ich bin skeptisch bei diesen Mitgliederbefragungen, denn das ist ein Riesenaufwand und bei einer Mitgliederbefragung kann man in der Regel auch nicht diskutieren. Man kann ja nur seinen Bogen dann von zu Hause zurückschicken mit Ja oder Nein. Ich wünsche mir, dass wir ein Gremium haben, das dann auch noch mal über den Vertrag diskutieren kann. Und FDP und Grüne werden ja das Gleiche machen.
    Zurheide: Armin Laschet war das im Deutschlandfunk zum Gespräch, was morgen ansteht, und zu denen in den nächsten Wochen. Herr Laschet, ich bedanke mich heute Morgen für das Gespräch!
    Laschet: Bitte schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.