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Zwangsgeständnisse und Schauprozesse

Der Deutsch-Iraner Wahied Wahdat-Hagh, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung "European Foundation for Democracy", hat das harte Durchgreifen des iranischen Regimes gegen alle Andersdenkenden und Andersgläubigen im Iran verurteilt. Damit versuche man, die breitgefächerte Opposition im Keim zu ersticken.

Wahied Wahdat-Hagh im Gespräch mit Gerwald Herter |
    Gerwald Herter: Auf den Dächern Teherans sind die abendlichen Allah-Akbar-Rufe leiser geworden. Millionen von Menschen waren nach den Präsidentschaftswahlen auf die Straßen gegangen, um gegen die Manipulation der Ergebnisse zu protestieren. Es gab Tote, Hunderte, vielleicht Tausende wurden festgenommen, viele von ihnen sitzen immer noch in Gefängnissen, manche sind schon vor Gericht gestellt worden. Was aber wird aus diesen Menschen? - Der Deutsch-Iraner Wahied Wahdat-Hagh kann uns das sagen. Seit mehreren Jahren wertet er die iranische Presse und das Internet aus. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der "European Foundation for Democracy". Herr Wahdat-Hagh, offizielle iranische Medien berichten von Geständnissen. Demonstranten sollen sich dazu bekannt haben, vom Ausland aus gesteuert worden zu sein. Was halten Sie davon?

    Wahied Wahdat-Hagh: Diese Zwangsgeständnisse sind bekannt, sowohl aus der iranischen Geschichte, aber die erinnern auch an die stalinistischen Schauprozesse. Das muss man vorweg sagen. Solche Schauprozesse haben auch zu Beginn der Revolution stattgefunden, also vor etwa 30 Jahren, als damals Oppositionelle vors Fernsehen geführt wurden und gestanden haben, im Dienste der CIA oder des Auslands gearbeitet zu haben. Heute läuft es anders. Das sind dann nicht mehr irgendwelche Oppositionelle, Führer irgendwelcher Parteien, sondern ganz einfache Demonstranten, junge Leute, Frauen, junge Männer, die vors Fernsehen geführt werden und die eingestehen ja, "Voice of America", also ein amerikanisches, persischsprachiges amerikanisches Satellitenfernsehen gehört und geschaut zu haben, oder BBC Persian gesehen zu haben und von diesen Medien beeinflusst worden zu sein, und deswegen auf die Straße gegangen sind. Die werden quasi vorgeführt als verführte junge Leute, die Opfer westlicher Medien geworden sind.

    Herter: Und wie bringt man die dazu, solche Geständnisse abzulegen?

    Wahdat-Hagh: Sicherlich unter Folter, sicherlich unter Todesangst. Man weiß, dass sogar der ehemalige Mitarbeiter, ein enger Mitarbeiter von Ex-Präsident Mahmad Khatami - er heißt Mohammed Abtahi -, er soll sogar gestanden haben, für eine sanfte Revolution Pläne geschmiedet zu haben, und das sind so abwegige Vorwürfe und Geständnisse, dass man nur traditionell eben auch, wenn man die iranische Geschichte kennt, von Folter- und Prügelstrafen ausgehen muss.

    Herter: Abseits dieser Proteste werden im Iran immer wieder Menschen hingerichtet. Am Wochenende sind 20 Menschen aufgehängt worden wegen Drogenhandels. Ist das ein Zeichen auch an die politischen Gefangenen, dass das Regime hart durchgreifen will?

    Wahdat-Hagh: Die haben das auch gesagt. Der Geheimdienstminister Mohseni-Ejei hat ausdrücklich gesagt, er hat quasi in einer Erklärung die Demonstranten explizit in drei Gruppen eingeteilt: Einmal die Mitläufer, wo möglicherweise in naher Zukunft Teile von ihnen freigelassen werden würden, dann die Konterrevolutionären, also die politisch motivierten Demonstranten und dann Organisatoren, also Gruppen, Einzelpersonen, die die Demonstration organisiert haben und die sogenannte sanfte Revolution vorbereitet haben, und für die sind ganz harte Strafen vorgesehen. Sogar für Menschen, die einfaches Satellitenfernsehen schauen oder mit diesen Sendern zusammenarbeiten, meinetwegen Interviews geben, für die sind Strafen vorgesehen - das hat der Justizchef Ayatollah Schahruti ausdrücklich gesagt - von 10 Jahren bis zur Todesstrafe, wenn solche Aussagen, also Interviews, die diese Leute dann mit ausländischen Sendern geben, zum Beispiel ein Zeichen dafür wären, dass sie Moharreps wären, also kämpferische Ungläubige, das heißt Menschen, die das System politisch vollkommen negieren würden. Das ist die höchste Strafe dann und für diese Leute würde dann die Todesstrafe anstehen.

    Das heißt, man hat sich ganz genau überlegt, wie man jetzt gegen Iraner vorgeht, die im Grunde genommen auch für die Öffnung standen, für einen Dialog standen, dafür standen, dass sie als Intellektuelle mit iranischen Sendern, die aber im Ausland gemacht werden, sprechen. Gerade diese Dialogbereitschaft der iranischen Intellektuellen wird jetzt hoch bestraft.

    Herter: Ist die Opposition im Iran angesichts dieser Repressionen nun völlig erstickt?

    Wahdat-Hagh: Die iranische Opposition ist im Grunde genommen historisch sehr breit gefächert. Man vergisst, dass zu der Opposition Royalisten gehören. Im Iran gibt es sicherlich noch Menschen, die zumindest eine konstitutionelle Monarchie haben wollen. Es gibt immer noch säkulare Nationalisten, es gibt Sozialdemokraten im Iran, es gibt linke sozialistische Bewegungen im Iran, die jetzt gerade wieder sehr stark werden und sich aus dem Exil melden. Die sind natürlich da, aber haben zurzeit keine Möglichkeit, im Land selbst irgendwie aktiv zu werden. Man hat gesehen, dass die friedliche Demonstration, die im Grunde genommen erschlagen wurde, im Keim erstickt wurde.

    Das ist ein sehr schlechtes Zeichen auch für die sehr friedlichen Menschen, die dort einfach zum Beispiel ihren Glauben leben wollen wie die Bahais. Es ist bekannt geworden, dass am 11. Juli zum Beispiel ein Urteil ansteht für die sieben inhaftierten Führungsmitglieder der Bahai, und man erwartet, dass die eine Todesstrafe für diese Menschen aussprechen. Die sind weder politisch, noch sind sie militant und haben lediglich eine friedliche Gemeinde im Iran koordiniert, aber man sieht: Das Regime geht repressiv und hart gegen alle Andersdenkenden und Andersgläubigen im Iran vor.

    Herter: Der Deutsch-Iraner Wahied Wahdat-Hagh im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank nach Berlin.