Koch-Mehrin: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Frau Koch-Mehrin, ist Macht verführerisch?
Koch-Mehrin: Mit Sicherheit, aber das hat in diesem Falle nicht so sehr mit Macht zu tun, sondern vor allen Dingen mit Grundsätzen und Prinzipien. Da geht es ja vor allem um die Tätigkeit von Herrn Buttiglione und seine Einstellung zu diesen wesentlichen Fragen in der Europapolitik.
Müller: Das ist für Sie persönlich inakzeptabel?
Koch-Mehrin: Das ist für mich inakzeptabel. Es sind ja auch nicht nur seine Äußerungen während der Anhörung, die uns da auf die Barrikaden treiben, sondern es hat sich ja auch in seinen Handlungen bisher gezeigt, dass er seine Überzeugung natürlich versucht, in Politik umzusetzen. Er hat sich ganz aktiv in dem Verfassungskonvent dafür eingesetzt, dass das Diskriminierungsverbot gegenüber Homosexuellen aus der Grundrechtecharta der EU herausgenommen wird. Das ist mehr als nur eine Äußerung.
Müller: Blicken wir doch vielleicht noch einmal zurück auf gestern Abend. Der designierte Präsident Barroso hat ja noch einmal für seine Mannschaft geworben, auch in der FDP-Fraktion. Das war ja so etwas wie ein Gang nach Canossa. Hat er Sie überzeugen können?
Koch-Mehrin: Er hat uns leider nichts Neues präsentieren können. Wir waren immer klar in unserer Forderung. Wir haben gesagt, wir würden für diese Kommission stimmen, wenn Herr Buttiglione ein anderes Portfolio erhält. Wir finden die Kommission ansonsten nämlich hervorragend. Es gibt zahlreiche liberale Kommissare, die wesentlichen Portfolios, die mit Wirtschaftspolitik zu tun haben, sind sehr gut, sehr liberal besetzt. Wir würden gerne für diese Kommission stimmen, gäbe es eben nicht Herrn Buttiglione auf dem Ressort Innen- und Rechtspolitik. Diese Forderung kannte Herr Barroso, er hat uns gestern Abend nur noch einmal wiederholt, was er schon im Plenum berichtet hat und er hat dann erläutert, warum er nichts Weiteres machen könne. Aber so richtig überzeugt hat er eben damit niemand.
Müller: Niemand, sagen Sie. Wie ist die Probeabstimmung ausgegangen?
Koch-Mehrin: Die Probeabstimmung ist so, dass mehr als zwei Drittel der Fraktion gegen diese Kommission stimmen wollen, es sei denn, Herr Barroso präsentiert heute im Plenum noch mal eine andere Lösung.
Müller: Sie sagen, man ist dagegen. Aber das heißt ja jetzt übersetzt, ein Drittel wird ihn dann doch mittragen?
Koch-Mehrin: Wird sich entweder enthalten oder ihn mittragen. Mittragen werden ihn zum Beispiel die dänischen Liberalen und auch der Venstre-Partei, die eine eigene Kommissarin stellen. Es werden ihn dann aus den anderen Delegationen einzelne Personen tragen, aber keine anderen, nationalen Delegationen geschlossen.
Müller: Sie sind ja stellvertretende Fraktionschefin der Liberalenfraktion im Europäischen Parlament. Sie führen ja sehr viele Gespräche auch mit einzelnen Abgeordneten. Warum ist das so schwierig, eine Einigkeit herzustellen?
Koch-Mehrin: Man kommt natürlich aus völlig unterschiedlichen Hintergründen. Die Fraktionen im Europäischen Parlament setzen sich zwar einerseits nach politischen Richtungen zusammen, aber es ist anders als in nationalen Parlamenten eben nicht eine so starke Fraktionsbindung. Es gibt zum Beispiel nicht diesen Fraktionszwang, den es in nationalen Parlamenten gibt, gibt es im Europaparlament nicht. Die Abgeordneten haben ein sehr großes Unabhängigkeitsbedürfnis und deshalb ist es sehr oft so, dass es dann freie Abstimmungen gibt und jeder nach seinem Gewissen abstimmt.
Müller: Schwächt das das Gewicht des Parlaments?
Koch-Mehrin: Ich glaube, was bisher nicht so sehr stattgefunden hat, worüber ich mich freue, dass es jetzt beginnt, ist, dass es tatsächlich eine klare Politisierung auch im Parlament gibt. Es wurde bisher von vielen der Parlamentarier immer angestrebt, dass das Parlament insgesamt eine Meinung hat. Wenn man sich das für den Bundestag überlegt, dass der Bundestag geschlossen eine Meinung haben sollte, weiß man, dass das im Grunde absurd ist. Es kann ja nicht sein, dass sich die unterschiedlichen politischen Richtungen immer einig sind. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Es wird sicherlich dazu führen, dass auch die Fraktionen stärker nach tatsächlich politischen Richtungen zusammengesetzt sind und nicht so sehr nach anderen Gesichtspunkten.
Müller: Wie stark sind Sie denn in der Zwickmühle? Sie sagen klipp und klar, Sie haben es ja eben hier ausgedrückt, Nein zu Buttiglione. Wenn ich das richtig verstanden habe bei der Vorrecherche, sind Sie aber grundsätzlich bereit, den Kommissionspräsidenten und viele Teile des anderen Teams natürlich dann auch zu tragen. Dennoch, Ihr Nein würde bedeuten, wenn das mehrheitsfähig wird im Parlament, die gesamte Kommission scheitert.
Koch-Mehrin: Das ist das Missliche. Wir sind hier in einer ziemlich undemokratischen Situation, dass wir nur die Möglichkeit haben, die Kommission komplett abzulehnen oder eben anzunehmen. Auch die Auswahl der Kommissare, darauf haben wir als Abgeordnete überhaupt gar keinen Einfluss. Selbst Herr Barroso hat da nur minimalen Einfluss und das ist etwas, was eigentlich zeigt, dass die Anordnung für diese wichtige Entscheidung nicht richtig ist. Dass die Regierungschefs da im Grunde noch eine viel zu große Rolle spielen. Wenn es dazu kommt, dass die Kommission so abgelehnt wird, gut dann ist es wieder so, dass die Regierungschefs eine neue Kommission vorschlagen werden. Vielleicht schlagen sie auch noch mal die gleiche vor, das steht ihnen anheim und dann müssen wir wiederum entscheiden, wollen wir das oder wollen wir das nicht. Für uns ist aber klar, wir können dieser Kommission nicht zustimmen, für uns FDP-Abgeordnete, wir könne der Kommission nicht zustimmen, wenn Herr Buttiglione in dem Ressort Innen- und Rechtspolitik bleibt.
Müller: Wenn ich da noch mal nachfragen darf. Was würde das denn an der Tatsache ändern? Sie beklagen sich über die Einstellung Buttigliones, Sie beklagen sich auch über die politischen Handlungen, die er bisher versucht hat umzusetzen. Ein anderes Ressort, da ist das in Ordnung, wenn ein Mann dann illiberal ist?
Koch-Mehrin: Man muss der Fairness halber sagen, dass die anderen Kommissare zu diesen Themen gar nicht befragt worden sind, weil es gar nicht ihre Politikbereiche sind. Ein Kommissar Buttiglione für den Bereich Fischerei, den hätte man gar nicht gefragt zu seinen Einstellungen da. Insofern glaube ich, muss man da dieses Gebot der Fairness walten lassen und sagen, wo ist er eigentlich für zuständig, welche politischen Impulse will er setzen? Wenn zum Beispiel die Wettbewerbskommissarin sagen würde, im Grunde ist sie gegen Marktwirtschaft und Wettbewerb hält sie für Teufelszeug, damit würde sie sich disqualifizieren, auch wenn sie zum Beispiel für aktive Frauen in der Gesellschaft und auch für eine Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften wäre.
Müller: Wie gravierend wäre, Frau Koch-Mehrin, ein Scheitern der Kommission heute?
Koch-Mehrin: Ich glaube, dass das ein Zeichen von Demokratie in Europa wäre. Denn das Parlament hat ja das Recht, die Kommission abzulehnen oder sie anzunehmen. Beide Fälle sind vertraglich vorgesehen. Wenn das Parlament der Meinung ist, dass diese Kommission nicht gut für Europa ist, nicht gut für den Fortschritt in Europa, dann ist es die Aufgabe des Parlaments, die Kommission abzulehnen. Insofern, glaube ich, zeigt es ein Selbstbewusstsein der demokratisch gewählten Volksvertreter und zeigt auch, dass die Defizite in dem Verfahren, wie eine Kommission aufgestellt wird, immer noch zu groß sind.
Müller: Die Kommissare, die Kommission, die nationalen Regierungen halten dagegen, sie sprechen im Fall eines Scheiterns von einer europäischen Katastrophe. Wäre das ein Rückschlag auch für die Zusammenarbeit mit dem Parlament?
Koch-Mehrin: Nein, ich glaube, was wichtig ist, ist zu sehen, dass die drei Institutionen mindestens gleichberechtigt sein müssen. Dass also die Regierungschefs im Rat das Parlament sehr ernst nehmen und die Kommission eben auch und dass es nicht sein kann, dass das Parlament eigentlich etwa als ein Gremium gesehen wird, was nicht so relevant sei, wie die anderen Gremien.
Müller: Das ist bislang noch so?
Koch-Mehrin: Das ist bislang oft noch so. Das merkt man ja auch jetzt daran, im Grunde hat Herr Barroso rein vertraglich jetzt die Möglichkeit ganz selbstständig die Portfolios an seine Kommissare zu vergeben. Aber trotzdem muss er sich ständig rückkoppeln mit den Regierungschefs, ob sie damit einverstanden sind, wer welches Ressort erhält. Das ist etwas, was wir als Parlamentarier nicht akzeptieren können. Wenn das Verfahren so ist, die Regierungschefs schlagen ihre Kandidaten vor, der Kommissionspräsident setzt sie ein und das Parlament bestätigt das, dann muss man sich daran halten und nicht ständig eine Zusammenarbeit mit dem Rat suchen, das Parlament aber im Grunde dann so unter Druck setzt, zu sagen, ihr müsst jetzt eigentlich nur noch zustimmen.
Müller: Silvana Koch-Mehrin war das, stellvertretende Fraktionschefin der Liberalen im Europäischen Parlament.
Müller: Frau Koch-Mehrin, ist Macht verführerisch?
Koch-Mehrin: Mit Sicherheit, aber das hat in diesem Falle nicht so sehr mit Macht zu tun, sondern vor allen Dingen mit Grundsätzen und Prinzipien. Da geht es ja vor allem um die Tätigkeit von Herrn Buttiglione und seine Einstellung zu diesen wesentlichen Fragen in der Europapolitik.
Müller: Das ist für Sie persönlich inakzeptabel?
Koch-Mehrin: Das ist für mich inakzeptabel. Es sind ja auch nicht nur seine Äußerungen während der Anhörung, die uns da auf die Barrikaden treiben, sondern es hat sich ja auch in seinen Handlungen bisher gezeigt, dass er seine Überzeugung natürlich versucht, in Politik umzusetzen. Er hat sich ganz aktiv in dem Verfassungskonvent dafür eingesetzt, dass das Diskriminierungsverbot gegenüber Homosexuellen aus der Grundrechtecharta der EU herausgenommen wird. Das ist mehr als nur eine Äußerung.
Müller: Blicken wir doch vielleicht noch einmal zurück auf gestern Abend. Der designierte Präsident Barroso hat ja noch einmal für seine Mannschaft geworben, auch in der FDP-Fraktion. Das war ja so etwas wie ein Gang nach Canossa. Hat er Sie überzeugen können?
Koch-Mehrin: Er hat uns leider nichts Neues präsentieren können. Wir waren immer klar in unserer Forderung. Wir haben gesagt, wir würden für diese Kommission stimmen, wenn Herr Buttiglione ein anderes Portfolio erhält. Wir finden die Kommission ansonsten nämlich hervorragend. Es gibt zahlreiche liberale Kommissare, die wesentlichen Portfolios, die mit Wirtschaftspolitik zu tun haben, sind sehr gut, sehr liberal besetzt. Wir würden gerne für diese Kommission stimmen, gäbe es eben nicht Herrn Buttiglione auf dem Ressort Innen- und Rechtspolitik. Diese Forderung kannte Herr Barroso, er hat uns gestern Abend nur noch einmal wiederholt, was er schon im Plenum berichtet hat und er hat dann erläutert, warum er nichts Weiteres machen könne. Aber so richtig überzeugt hat er eben damit niemand.
Müller: Niemand, sagen Sie. Wie ist die Probeabstimmung ausgegangen?
Koch-Mehrin: Die Probeabstimmung ist so, dass mehr als zwei Drittel der Fraktion gegen diese Kommission stimmen wollen, es sei denn, Herr Barroso präsentiert heute im Plenum noch mal eine andere Lösung.
Müller: Sie sagen, man ist dagegen. Aber das heißt ja jetzt übersetzt, ein Drittel wird ihn dann doch mittragen?
Koch-Mehrin: Wird sich entweder enthalten oder ihn mittragen. Mittragen werden ihn zum Beispiel die dänischen Liberalen und auch der Venstre-Partei, die eine eigene Kommissarin stellen. Es werden ihn dann aus den anderen Delegationen einzelne Personen tragen, aber keine anderen, nationalen Delegationen geschlossen.
Müller: Sie sind ja stellvertretende Fraktionschefin der Liberalenfraktion im Europäischen Parlament. Sie führen ja sehr viele Gespräche auch mit einzelnen Abgeordneten. Warum ist das so schwierig, eine Einigkeit herzustellen?
Koch-Mehrin: Man kommt natürlich aus völlig unterschiedlichen Hintergründen. Die Fraktionen im Europäischen Parlament setzen sich zwar einerseits nach politischen Richtungen zusammen, aber es ist anders als in nationalen Parlamenten eben nicht eine so starke Fraktionsbindung. Es gibt zum Beispiel nicht diesen Fraktionszwang, den es in nationalen Parlamenten gibt, gibt es im Europaparlament nicht. Die Abgeordneten haben ein sehr großes Unabhängigkeitsbedürfnis und deshalb ist es sehr oft so, dass es dann freie Abstimmungen gibt und jeder nach seinem Gewissen abstimmt.
Müller: Schwächt das das Gewicht des Parlaments?
Koch-Mehrin: Ich glaube, was bisher nicht so sehr stattgefunden hat, worüber ich mich freue, dass es jetzt beginnt, ist, dass es tatsächlich eine klare Politisierung auch im Parlament gibt. Es wurde bisher von vielen der Parlamentarier immer angestrebt, dass das Parlament insgesamt eine Meinung hat. Wenn man sich das für den Bundestag überlegt, dass der Bundestag geschlossen eine Meinung haben sollte, weiß man, dass das im Grunde absurd ist. Es kann ja nicht sein, dass sich die unterschiedlichen politischen Richtungen immer einig sind. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Es wird sicherlich dazu führen, dass auch die Fraktionen stärker nach tatsächlich politischen Richtungen zusammengesetzt sind und nicht so sehr nach anderen Gesichtspunkten.
Müller: Wie stark sind Sie denn in der Zwickmühle? Sie sagen klipp und klar, Sie haben es ja eben hier ausgedrückt, Nein zu Buttiglione. Wenn ich das richtig verstanden habe bei der Vorrecherche, sind Sie aber grundsätzlich bereit, den Kommissionspräsidenten und viele Teile des anderen Teams natürlich dann auch zu tragen. Dennoch, Ihr Nein würde bedeuten, wenn das mehrheitsfähig wird im Parlament, die gesamte Kommission scheitert.
Koch-Mehrin: Das ist das Missliche. Wir sind hier in einer ziemlich undemokratischen Situation, dass wir nur die Möglichkeit haben, die Kommission komplett abzulehnen oder eben anzunehmen. Auch die Auswahl der Kommissare, darauf haben wir als Abgeordnete überhaupt gar keinen Einfluss. Selbst Herr Barroso hat da nur minimalen Einfluss und das ist etwas, was eigentlich zeigt, dass die Anordnung für diese wichtige Entscheidung nicht richtig ist. Dass die Regierungschefs da im Grunde noch eine viel zu große Rolle spielen. Wenn es dazu kommt, dass die Kommission so abgelehnt wird, gut dann ist es wieder so, dass die Regierungschefs eine neue Kommission vorschlagen werden. Vielleicht schlagen sie auch noch mal die gleiche vor, das steht ihnen anheim und dann müssen wir wiederum entscheiden, wollen wir das oder wollen wir das nicht. Für uns ist aber klar, wir können dieser Kommission nicht zustimmen, für uns FDP-Abgeordnete, wir könne der Kommission nicht zustimmen, wenn Herr Buttiglione in dem Ressort Innen- und Rechtspolitik bleibt.
Müller: Wenn ich da noch mal nachfragen darf. Was würde das denn an der Tatsache ändern? Sie beklagen sich über die Einstellung Buttigliones, Sie beklagen sich auch über die politischen Handlungen, die er bisher versucht hat umzusetzen. Ein anderes Ressort, da ist das in Ordnung, wenn ein Mann dann illiberal ist?
Koch-Mehrin: Man muss der Fairness halber sagen, dass die anderen Kommissare zu diesen Themen gar nicht befragt worden sind, weil es gar nicht ihre Politikbereiche sind. Ein Kommissar Buttiglione für den Bereich Fischerei, den hätte man gar nicht gefragt zu seinen Einstellungen da. Insofern glaube ich, muss man da dieses Gebot der Fairness walten lassen und sagen, wo ist er eigentlich für zuständig, welche politischen Impulse will er setzen? Wenn zum Beispiel die Wettbewerbskommissarin sagen würde, im Grunde ist sie gegen Marktwirtschaft und Wettbewerb hält sie für Teufelszeug, damit würde sie sich disqualifizieren, auch wenn sie zum Beispiel für aktive Frauen in der Gesellschaft und auch für eine Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften wäre.
Müller: Wie gravierend wäre, Frau Koch-Mehrin, ein Scheitern der Kommission heute?
Koch-Mehrin: Ich glaube, dass das ein Zeichen von Demokratie in Europa wäre. Denn das Parlament hat ja das Recht, die Kommission abzulehnen oder sie anzunehmen. Beide Fälle sind vertraglich vorgesehen. Wenn das Parlament der Meinung ist, dass diese Kommission nicht gut für Europa ist, nicht gut für den Fortschritt in Europa, dann ist es die Aufgabe des Parlaments, die Kommission abzulehnen. Insofern, glaube ich, zeigt es ein Selbstbewusstsein der demokratisch gewählten Volksvertreter und zeigt auch, dass die Defizite in dem Verfahren, wie eine Kommission aufgestellt wird, immer noch zu groß sind.
Müller: Die Kommissare, die Kommission, die nationalen Regierungen halten dagegen, sie sprechen im Fall eines Scheiterns von einer europäischen Katastrophe. Wäre das ein Rückschlag auch für die Zusammenarbeit mit dem Parlament?
Koch-Mehrin: Nein, ich glaube, was wichtig ist, ist zu sehen, dass die drei Institutionen mindestens gleichberechtigt sein müssen. Dass also die Regierungschefs im Rat das Parlament sehr ernst nehmen und die Kommission eben auch und dass es nicht sein kann, dass das Parlament eigentlich etwa als ein Gremium gesehen wird, was nicht so relevant sei, wie die anderen Gremien.
Müller: Das ist bislang noch so?
Koch-Mehrin: Das ist bislang oft noch so. Das merkt man ja auch jetzt daran, im Grunde hat Herr Barroso rein vertraglich jetzt die Möglichkeit ganz selbstständig die Portfolios an seine Kommissare zu vergeben. Aber trotzdem muss er sich ständig rückkoppeln mit den Regierungschefs, ob sie damit einverstanden sind, wer welches Ressort erhält. Das ist etwas, was wir als Parlamentarier nicht akzeptieren können. Wenn das Verfahren so ist, die Regierungschefs schlagen ihre Kandidaten vor, der Kommissionspräsident setzt sie ein und das Parlament bestätigt das, dann muss man sich daran halten und nicht ständig eine Zusammenarbeit mit dem Rat suchen, das Parlament aber im Grunde dann so unter Druck setzt, zu sagen, ihr müsst jetzt eigentlich nur noch zustimmen.
Müller: Silvana Koch-Mehrin war das, stellvertretende Fraktionschefin der Liberalen im Europäischen Parlament.