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Zwei Jahre Atomabkommen
"Kalter Frieden zwischen den USA und dem Iran"

Künftig sei eine härtere Gangart der USA im Umgang mit dem Iran zu erwarten, sagte der Nahost-Forscher Ali Fathollah-Nejad im Dlf. US-Präsident Donald Trump hätte den vor zwei Jahren abgeschlossenen Atomdeal stets für schlecht erklärt. Er sei aber von Kabinettsmitgliedern davon abgehalten worden, diesen aufzukündigen. 

Ali Fathollah-Nejad im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Zu sehen sind zwei blaue Mappen, die linke hält der Chef der internationalen Atomenergiebehörde, Amano, die rechte der iranische Chefunterhändler Salehi
    Das Abkommen mit dem Iran trat am 16. Januar 2016 in Kraft. (picture-alliance / dpa / Dean Calma)
    Falls die Amerikaner sich vom Atomdeal zurückzögen, scheitere das Abkommen, so Fathollah-Nejad. Ihm zufolge wollen die USA aber einen Aufstieg Teherans zur Atommacht verhindern und daher am Abkommen festhalten. Der Wissenschaftler von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik empfahl, dass Deutschland und Europa ihr Gewicht stärker in die Waagschale werfen sollten, um eine Kurskorrektur vom Iran zu fordern.

    Das Interview in voller Länge:
    Stephanie Rohde: Wer etwas über Zickzackkurse in der Diplomatie lernen will, der findet ja mitunter bei Donald Trump Inspiration. Ein Beispiel: Vor einem Jahr war es Donald Trumps Priorität Nummer eins, das "desaströse Atomabkommen" mit dem Iran zu zerreißen. Anfang dieser Woche, da klang der amerikanische Präsident etwas anders, die USA wollen am Atomabkommen festhalten, weil Iran sich an alle Auflagen halte. Kurz danach verhängte die Trump-Regierung aber neue Sanktionen gegen den Iran, mit Verweis auf das iranische Raketenprogramm. Gestern sind die Vertreter der USA und des Iran zusammengekommen bei der Joint Commission für das Atomabkommen, haben in Wien darüber gesprochen, und ich möchte jetzt sprechen mit Ali Fathollah-Nejad von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Hallo!
    Ali Fathollah-Nejad: Einen schönen guten Tag!
    Rohde: Herr Fathollah-Nejad, muss man sich die Beziehung zwischen dem Iran und den USA unter Trump ein bisschen so vorstellen wie in einer unglücklichen Ehe, wo man sich nicht traut, den Ehevertrag aufzulösen, aber Psychospielchen miteinander spielt, damit das Gegenüber sich nicht zu sicher fühlt?
    Fathollah-Nejad: Ob jetzt die US-Iran-Beziehungen mit einer Ehe zu vergleichen sind, das glaube ich eher nicht.
    Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Trump-Regierung
    Rohde: Auch nicht mit einer schlecht laufenden?
    Fathollah-Nejad: Ja, mit einer schlecht laufenden könnte man das vielleicht vergleichen, oder mit einem kalten Frieden zwischen USA und Iran, was halt im Zuge des Atomdeals zustande kam. Aber es gibt jetzt mittlerweile gemischte Signale aus Washington, und wie Sie schon angedeutet haben, gibt es auch einen neuen Ton hinsichtlich einer härteren Gangart gegenüber Iran, aber es gibt auch Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Trump-Administration. Der Präsident selbst scheint daran interessiert zu sein, den Atomkonflikt früher oder später aufzukündigen, aber er wurde in dieser Intention geblockt bislang von seinen wichtigsten Ministern, also von seinem nationalen Sicherheitsberater, von seinem Außen- und Verteidigungsminister, die ihn auch jetzt dazu gedrängt haben, das amerikanische Okay zu geben, dass Iran den Teil seines Atomdeals quasi gewährleistet hat.
    Rohde: Und erklärt diese Gespaltenheit innerhalb der amerikanischen Regierung auch so eine Art Doppelstrategie, also dass man einerseits Iran dafür rügt, dass es sich nicht an den Geist des Abkommens hält, auch neue Sanktionen verhängt und andererseits aber Iran dafür lobt?
    Fathollah-Nejad: Die Problematik mit dem Geist des Abkommen, das ist eine komplizierte, aber die Iran-Politik der Administration ist gerade unter Review, sie wird gerade entwickelt. Es gibt Hinweise darauf, dass es vielleicht zu einer Regime-Change-Politik kommen könnte, aber man kann Indizien auch anders lesen. Es gab vor einem Monat eine Anhörung des US-Außenministers Tillerson im Repräsentantenhaus, wo er angekündigt hat zunächst, dass halt die Iran-Politik gerade am Entwickeln sei, und zum Zweiten, dass man durchaus überlege, einige Elemente, wie er sagte, innerhalb Irans auch zu benutzen, um einen friedlichen Regimewechsel zu bewerkstelligen. Also solche Signale gibt es, aber es gibt auch wiederum andere Signale, wo man nicht daraus schlussfolgern kann, dass wir wirklich zurück zur Bush-Cheney-Ära der Regimewechselpolitik kommen.
    Dämonisierung dort, Glorifizierung hier
    Rohde: Was ist Ihre Einschätzung, in welche Richtung geht das, was sehen Sie da für Signale?
    Fathollah-Nejad: Das, was wir auf jeden Fall zu erwarten haben, ist eine härtere Gangart Washingtons, weil es gibt in den USA, aber auch im Westen einige Unzufriedenheiten in Bezug auf die iranische Regionalpolitik, die ja auch sich forciert hat nach dem Atomkonflikt. Also genau das Gegenteil ist eingetreten, das, was viele auch im Westen gehofft haben, dass der Atomdeal zu einer Entspannung im Inneren im Iran führt, aber auch bei der iranischen Regionalpolitik. Und diese forcierte iranische Regionalpolitik, die offensiver ist seit dem Abschluss des Atomdeals, das wird sicherlich auch Reaktionen heraufbeschwören, und dabei spielt das Raketenprogramm Irans auch eine große Rolle. Es wurde in der UN-Resolution, die den Atomkonflikt übersetzt hat, auch gewünscht, obwohl es halt rechtlich auch nicht bindend ist, dass Iran sein Raketenprogramm quasi mehr oder weniger einstellt. Also es gibt sehr viele Streitigkeiten, was denn nunmehr der Geist des Abkommens ist. Die iranische Seite sagt wiederum, ja, der Geist des Abkommens wird nicht gewährleistet von der amerikanischen Seite, weil Trump – wie jetzt nun herausgekommen ist am Rande des G20-Gipfels in Hamburg – auf europäische Staaten versucht hat einzuwirken, dass diese ihre Geschäftsbeziehungen mit Iran kappen. Das bedeutet, Teheran und Washington sagen es einander, dass sie jeweils für den Bruch des Geistes des Atomdeals zu verantworten seien. Aber perspektivisch werden wir sicherlich eine härtere Gangart seitens der USA haben. Wir haben eine leichte Tendenz in den USA zurück zur Dämonisierung – das ist die amerikanische Seite. Auf der europäischen Seite haben wir eine andere Tendenz der Glorifizierung Irans im Zuge des Atomdeals, und man müsste eigentlich einen Mittelweg finden zwischen diesen beiden Politikansätzen. Also nicht zurück zum Regime-Change, was halt die Wiedereinführung von lebenden Sanktionen und von Kriegsdrohungen bedeuten würde, und auch nicht einen sehr unkritischen Annäherungsprozess zu Iran, wie es die Europäische Union derzeit macht. Mit anderen Worten müsste man einen Mittelweg finden, der zum Beispiel aussehen könnte, dass Europa und Deutschland sein Gewicht, was es durchaus hat gegenüber Iran, auch stärker in die Waagschale wirft, um iranische Kurskorrekturen vor allem in der Region, aber auch nach innen zu fordern.
    Eher kein Aufkündigen des Atomdeals
    Rohde: Sie haben jetzt gesprochen von der Dämonisierung auf der amerikanischen Seite, von der Glorifizierung auf der europäischen Seite. Wenn man nun von dieser härteren Gangart ausgeht auf der amerikanischen Seite, was Sie ja tun, und dann davon ausgeht, dass möglicherweise auch der amerikanische Präsident sich von diesem Abkommen verabschieden möchte, welche Handhabe hätten denn die anderen Staaten, die daran noch beteiligt sind, dieses Abkommen zu retten? Oder wäre es dann einfach gescheitert?
    Fathollah-Nejad: Falls die Amerikaner sich zurückziehen sollten vom Atomdeal, dann kann der Atomdeal als gescheitert betrachtet werden, weil natürlich die USA die Hauptrolle spielen, weil sie immer noch weltpolitisch nicht zu vergleichen sind mit anderen Ländern, aber es ist noch zu früh, davon auszugehen, dass es zu solch einem Bruch kommt. Es gibt auch zwei Anzeichen, dass die Amerikaner das nicht aufkündigen – sowohl Trump als auch sein Vizepräsident Pence haben jüngst wieder betont, dass die Amerikaner weiterhin interessiert sind, dass Iran nicht zur Atommacht aufsteigt, sprich, die Amerikaner wären dann dementsprechend auch nicht interessiert, den Atomdeal aufzukündigen. Auf der anderen Seite, wie gesagt, liegt der Fokus nunmehr auf dem sogenannten Geist des Atomdeals, was wiederum die iranische Regionalpolitik ins Zentrum wirft, und da wird es sicherlich auch seitens Washingtons einen größeren Druck geben, damit Teheran eine Kurskorrektur anstrebt.
    Rohde: Lassen Sie uns noch kurz auf die Reaktion innerhalb des Iran schauen: Der Präsident Rohani hat gesagt, die, "illegalen Sanktionen" würden mit neuen Strafen vergolten. Was kann der Iran denn in dieser Situation gegenüber USA eigentlich ausrichten oder tun?
    Fathollah-Nejad: Die jüngsten Sanktionen sind Sanktionen, die bestimmte Firmen der Revolutionsgarden betreffen und bestimmte auch Personen, die in Bezug auf das Raketenprogramm engagiert sind. Die iranische Seite protestiert dagegen und versucht das als Vertragsbruch quasi der amerikanischen Seite darzustellen, aber es werden momentan zwischen Teheran und Washington natürlich viele, viele Statements ausgetauscht, um halt die andere Seite für die gegenwärtige Lage zu bezichtigen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.