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"Zwei Persönlichkeiten, die Europa wohlgesonnen sind"

Alain Lamassoure, Berater des französischen Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy, hat sich zuversichtlich vor der Stichwahl am Sonntag gezeigt. "Ja, ich habe noch Zweifel, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nun sehr groß ist", sagte Lamassoure.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Ist Europa im französischen Wahlkampf auf der Strecke geblieben?

    Alain Lamassoure: Das Positive ist, dass die proeuropäischen Kandidaten, die für das Verfassungsprojekt stehen, die anderen vollständig überrollt haben. In der zweiten Runde stehen zwei Persönlichkeiten, die Europa wohlgesonnnen sind. Der französische Staatspräsident oder die Präsidentin wird ein guter Europäer sein.

    Heinemann: Welches europapolitische Ziel verfolgt Nicolas Sarkozy?

    Lamassoure: Nicolas Sarkozys Ziel lautet: so realistisch wie möglich sein, Frankreichs Platz in Europa so schnell wie möglich nach der Wahl wiederzufinden und dazu beizutragen, dass Europa rasch wieder in Gang kommt, wie das die deutsche Ratspräsidentschaft und die anderen Partner wünschen.

    Mit dem Nein zum Verfassungsvertrag hat Frankreich in ganz Europa eine Krise ausgelöst. Wir benötigen rasch einen neuen europäischen Vertrag, der uns die Vorteile der Verfassung erhält, etwa in der Frage der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit. Wir werden also mit Nicolas Sarkozy voll und ganz an Frau Merkels Vorbereitung des europäischen Rates im Juni mitarbeiten können, sodass Frankreich an der Seite seiner Partner die neue politische Initiative mit auf den Weg bringt, die Europa für einen neuen Anlauf nun benötigt.

    Heinemann: Man nennt den UMP-Spitzenkandidaten "Sarko, den Amerikaner" und nicht "den Europäer". Haben die transatlantischen Beziehungenn für ihn Vorrang?
    Lamassoure: Nein, überhaupt nicht. Seine Gegner karikieren ihn so, weil er mit einer französischen diplomatischen Tradition brechen will, die etwas ausgeufert ist und darin besteht, dass die französische Diplomatie in schlecht verstandenem Gaullismus systematisch die Gegenposition zur amerikanischen Haltung einnimmt. Nicolas Sarkozy möchte, dass Frankreich wieder normale Beziehungen zu den Vereinigten Staaten unterhält.

    Und das heißt, Beziehungen, wie sie zwischen Paris und Berlin, London oder Madrid bestehen. Nicoals Sarkozy ist Europäer. Er stammt aus der gaullistischen Tradition und Europa war für ihn zunächst keine Herzensangelegenheit. Aber in der Regierungsverantwortung hat er verstanden, dass gewisse Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik, beim Kampf gegen den Terrorismus, bei Sicherheitsfragen, in der Einwanderungs- und der Energiepolitik entweder wirkungsvoll im europäischen Rahmen getroffen werden, oder jeder macht das für sich und dann ohne große Auswirkungen. Also, er ist überzeugt davon, dass wir die Europäische Union dringend voranbringen müssen.

    Heinemann: Nicolas Sarkozy hat kürzlich eine Abwertung des Euro vorgeschlagen zugunsten der europäischen Wirtschaft. Nun geht es der deutschen Wirtschaft trotz eines starken Euro sehr gut. Sarkozys Vorschlag erinnert an die Geldpolitik des sozialistischen Präsidenten Francois Mitterand. Welche Aufgabe hat für Sarkozy die Europäische Zentralbank?

    Lamassoure: Im Gegensatz zu Frau Royal stellt Nicolas Sarkozy die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nicht in Frage. Wir fordern nicht, dass über die Statuten der Europäischen Zentralbank neu verhandelt wird. Diese sind gut, und die Bank erfüllt ihre Aufgabe voll und ganz, die Zinsen festzulegen und die Stabilität des Euro zu garantieren. Die Franzosen haben sich lange Zeit der Droge Inflation hingegeben, wie unsere italienischen Freunde, aber seit gut 15 Jahren sind sie von den Vorteilen einer stabilen Währung überzeugt.

    Wir beobachten auch, dass sich die außerordentliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft trotz des starken Euro nicht verringert. Die Deutschen haben große Anstrengungen unternommen, für die sie jetzt belohnt werden. Das haben wir noch vor uns.
    Nicolas Sarkozy sagt aber auch, dass in der gegenwärtigen Lage, die von vier großen Weltwährungen bestimmt wird, Dollar, Euro, Jen und Yuan unsere drei anderen Partner systematisches Währungsdumping betreiben. Dies verfälscht die Wettbewerbsbedingungen und räumt unseren Konkurrenten Vorteile ein. Wir möchten, dass die Euroländer auf politischer Ebene mit den drei Währungszonen ein Abkommen aushandeln, um zu starke Unterschiede zwischen den großen Weltwährungen zu verhindern.

    Heinemann: Ein anderer Unterschied zwischen Nicolas Sarkozy und Ségolène Royal besteht in seinem Nein zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. Ist dies eine endgültige Absage oder meint er, dass man unter bestimmten Bedingungen doch darüber reden könnte?

    Lamassoure: Nein, das ist ein endgültiges Nein. Aus zwei Gründen: Wir möchten, dass diese eine wirklich politische Union wird, das heißt mit stabilen Grenzen. Die Türkei liegt zu 90 Prozent in Kleinasien. Wenn man der Meinung ist, die Türkei sei ein europäisches Land, haben wir nicht mehr das geringste Argument gegen eine Kandiatur der Ukraine, der Kaukasus-Staaten und selbst Russlands. Eine Union von Dublin bis Wladiwostok mag interessant sein, entspricht aber nicht der Idee der Gründer der Europäischen Union.

    Außerdem können die Politiker nicht dauernd sagen, wir müssen Europa den Bürgern näher bringen und gleichzeitig die öffentliche Meinung bei der Erweiterungfrage nicht beachten. Nicht nur in Frankreich und den Niederlanden ist die Ablehnung einer türkischen Mitgliedschaft groß, sondern wohl auch in Deutschland, selbstverständlich in Österreich, Ungarn und Slowenien, in Griechenland und Zypern, aber auch in Dänemark, Belgien und Irland. Unsere Völker sind gegen eine Hochzeit mit dem türkischen Volk. Aber: Wenn man eine Frau nicht heiratet, erklärt man ihr damit ja nicht den Krieg. Das ist ja kein feindseliger Akt. Wir müssen mit den Türken die besten Beziehungen finden, um die demokratischen Kräften im Land zu unterstützen, damit die Türkei die schwierige demokratische Revolution zu Ende bringen kann. Aber die Türkei ist nicht berufen, zur europäischen Familie zu gehören.

    Heinemann: Francois Bayrou, der Vorsitzende der zentrumsliberalen UDF, hat gesagt, er werde nicht für Nicolas Sarkozy stimmen. Wie bewerten Sie diese Ankündigung?

    Lamassoure: Ich gehörte früher der UDF an und bin in die UMP gewechselt. Ich verstehe seine Position nicht, die ich für politischen Selbstmord halte. Um es mit Deutschland zu vergleichen: Francois Bayrou träumt davon, eine Partei der Mitte zu leiten wie die deutsche FDP, und gegebenenfalls mit bürgerlichen oder linken Parteien regieren zu können. Das ist in Deutschland wegen des parlamentarischen Systems möglich, wo der Kanzler oder die Kanzlerin die Exekutive leitet und es ein Verhältniswahlrecht gibt. In Frankreich bestimmt der Präsident die Politik, und das Mehrheitswahlrecht sorgt für eine linke oder eine rechte Mehrheit im Parlament. Eine Partei der Mitte hat bei uns nicht die Aufgabe eines Königsmachers. Indem er weder zur Rechten gehören möchte noch eine politische Absprache mit der Linken getroffen hat, läuft Herr Bayrou Gefahr, sich nirgends wiederzufinden und dass sein Aufstieg in den politischen Himmel Frankreichs so vorläufig war, wie der eines Kometen: brillant, ein großartiger Wahlkampf, mit 18 Prozent ein unerwartetes Ergebnis und heute ist der Komet tot.

    Heinemann: Bestehen für Sie noch Zweifel daran, dass der sechste Präsident der Fünften Republik Nicoals Sarkozy heißen wird?
    Lamassoure: Ja, ich habe noch Zweifel, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nun sehr groß ist. Ich bin lange genug in der Politik, um zu wissen, dass ein Wahlkampf in einer Demokratie genauso funktioniert, wie ein Fußballspiel. Solange der Schiedsrichter das Spiel nicht abgepfiffen hat, ist alles möglich. 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler sind noch nicht entscheiden. Also: Erst am Sonntag um 20 Uhr werden wir die traditionellen Champagnerflaschen öffnen.