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"Zwei Staaten für zwei Völker, das ist möglich"

Moderate Töne Israels am Rande des laufenden Fatah-Parteitages: Juden und Palästinenser könnten zusammenleben, man müsse daran arbeiten, dieses Ziel zu erreichen.

07.08.2009
    Christoph Heinemann: Nachsitzen! Wegen schwerer interner Streitigkeiten ist der Parteitag der Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in die Verlängerung gegangen. Die ursprünglich für gestern Abend geplante Wahl einer neuen Führung verschob sich um mindestens einen Tag. Die zunächst nur für drei Tage angesetzte Versammlung soll heute also fortgesetzt werden. Es ist der erste Parteitag der gemäßigten Fatah seit 20 Jahren; insofern gibt es einiges zu klären.

    Vom Gaza-Feldzug und der Lage in dem abgeriegelten Küstenstreifen abgesehen belastet der Streit über Siedlungen in den besetzten Gebieten die Beziehungen nicht nur zwischen Israelis und Palästinensern, sondern auch zwischen Jerusalem und Washington. Nicht nur einige Siedlungen, keine Außenposten, kein natürliches Wachstum, darauf werden wir beharren, unterstreicht US-Außenministerin Hillary Clinton.

    Und dazu jetzt die israelische Position von Mark Regev. Ich habe den Sprecher von Ministerpräsident Netanjahu vor dieser Sendung allerdings zunächst gefragt, ob vom Fatah-Parteitag ein Signal für eine Annäherung ausgeht.

    Mark Regev: Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass eine Annäherung möglich ist, die darauf beruht, dass beide die Legitimität des jeweils anderen akzeptieren, dass die Palästinenser die Legitimität der nationalen Bestrebungen der Juden akzeptieren und die israelische, die jüdische Seite die nationalen Hoffnungen der Palästinenser. Zwei Staaten für zwei Völker, das ist möglich. Wir müssen daran arbeiten, um dieses Ziel zu erreichen.

    Heinemann: Stichwort Legitimität: Israel weist weiterhin Palästinenser aus ihren Häusern im arabischen Ost-Jerusalem aus, in die dann Juden einziehen. Gibt es einen besseren Nährboden für radikale Palästinenser?

    Regev: Die Art, in der diese Räumung am vergangenen Sonntag in den internationalen Medien dargestellt wurde, war nicht fair. Es ist wichtig, die Fakten darzulegen: Es gab einen Eigentumsstreit zwischen zwei privaten Parteien. Die israelische Regierung war nicht beteiligt. Dies lief durch die juristischen Instanzen, von den unteren bis zum obersten Gericht. Das israelische oberste Gericht, das international wegen seiner Professionalität, seiner Unabhängigkeit und seiner Fairness Ansehen genießt, hat beide Seiten angehört und alle relevanten Dokumente und Verfügungen untersucht. Und es kam zu dem Schluss, dass das Eigentum in diesem besonderen Fall der jüdischen Seite dieser Auseinandersetzung zusteht. Ich möchte aber daran erinnern, dass das oberste israelische Gericht in zahllosen Fällen zugunsten der Palästinenser entschieden hat, sogar gegen den israelischen Staat. Es handelte sich um einen Rechtsstreit über eine Eigentumsfrage. Dabei ging es um Recht, nicht um Politik.

    Heinemann: Gibt es nicht die Tendenz, Palästinenser aus Ost-Jerusalem auszuweisen?

    Regev: Überhaupt nicht. Eine solche Politik gibt es nicht. Wir möchten die Stadt entwickeln, zugunsten aller Bewohner Jerusalems: Araber, Juden, Moslems, Christen. Letztendlich möchten wir, dass sich die Stadt insgesamt entwickelt.

    Heinemann: Aber nur in Ost-Jerusalem?

    Regev: Hausräumungen sind in keinem Fall und in keinem Land besonders schön, aber es gab auch viele Hausräumungen auf jüdischer Seite.

    Heinemann: Die Regierung Obama übt Druck auf Israel aus, alle Siedlungsbauten in den besetzten Gebieten zu stoppen. Ist die israelische Regierung dazu bereit?

    Regev: Darüber sprechen wir weiter mit der Obama-Regierung. Und dieser Dialog mit den Amerikanern über die Siedlungen ist gut und gründlich. Wir suchen Gemeinsamkeiten. Wir stimmen darin überein, dass keine neuen Siedlungen gebaut werden und dass es keine äußerliche Ausdehnung der bestehenden geben soll. Unsere Position besagt, dass die Siedlungen zu den Endstatus-Themen gehören für ein Friedensabkommen, über das wir mit den Palästinensern sprechen müssen. Wir müssen mit ihnen hinsichtlich der Siedlungen eine Übereinkunft finden. Niemand vermag im Voraus zu beurteilen, was aus diesen Siedlungen wird. Und deshalb meinen wir, dass sie weder ausgedehnt, noch vernichtet werden sollen. Ein normales Leben sollte innerhalb dieser bestehenden Gemeinden weiterhin gestattet sein.

    Heinemann: Keine Ausdehnung, haben Sie gesagt. Ministerpräsident Netanjahu spricht von einem natürlichen Wachstum dieser Siedlungen. Was versteht die israelische Regierung unter natürlichem Wachstum?

    Regev: Die natürlichen Bedürfnisse innerhalb einer bestehenden Gemeinde. Wenn es mehr Kinder gibt, braucht man eine Schule, oder der Bau einer Synagoge oder einer Klinik. Das sind die Bedürfnisse einer wachsenden Gemeinde. Nicht Ausdehnung, sie soll nicht größer werden, aber innerhalb dieser Gemeinde dem Bedarf der Bewohner entsprechen.

    Heinemann: Die Pläne für den sogenannten E-1-Sektor östlich von Jerusalem würden Ramallah von Bethlehem abschneiden. Für keine palästinensische Regierung wäre das akzeptabel. Ist Israel bereit, dieses Projekt zu stoppen?

    Regev: Dieses Projekt ist gestoppt. Im E1-Sektor sollen weder die Israelis, noch die Palästinenser bauen. Unsere Politik geht dahin, dass die Straßensperren aufgehoben werden sollen. Wir wollen den Verkehr modernisieren, so dass die palästinensische Wirtschaft wachsen kann. Autobahnen für den Nord-Süd-Verkehr, von Hebron hoch nach Dschenin, sind wichtig. Im E1-Sektor können wir einen Tunnel bauen, um den Nord-Süd-Verkehr im Westjordanland zu steigern.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, ein Interview mit Mark Regev, dem Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten. - Außenminister Avigdor Lieberman hat angekündigt, er werde aus dem Amt scheiden, sollte der Generalstaatsanwalt ihn wegen Korruption anklagen. Wird Herr Lieberman zurücktreten müssen?

    Regev: Das weiß ich nicht. Ich habe gehört, was der Außenminister gesagt hat. Israel ist ein Rechtsstaat. Der Präsident, der Ministerpräsident, der Außenminister – niemand steht über den Gesetzen. Wie Sie wissen, hat der Außenminister gesagt, dass er zurücktreten wird, wenn er angeklagt wird.

    Heinemann: Herr Lieberman hielt sich im Ausland auf, als vier hochrangige US-Politiker Israel in der vergangenen Woche besucht haben. War das eine demonstrative Abwesenheit?

    Regev: Nein, überhaupt nicht. Er befand sich auf einer lang geplanten Reise nach Lateinamerika. Und Israels Beziehungen zu Lateinamerika sind von großer Bedeutung. Es war das erste Mal seit vielen Jahren, dass ein israelischer Spitzenpolitiker Lateinamerika besucht hat. Das war eine wichtige Reise.

    Heinemann: Halten Sie es für normal, dass der Außenminister hochrangige Gespräche zwischen Israel und den USA verpasst?

    Regev: Seine Leute, Vertreter seines Ministeriums, haben an den Treffen teilgenommen und das ist sehr wichtig. Natürlich sind unsere Beziehungen zu Amerika wichtig, aber genauso wichtig sind unsere Beziehungen zu anderen Ländern und Kontinenten, und diese Beziehungen müssen unterhalten werden.

    Heinemann: Mark Regev, der Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu.