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Zwei Worte, die es in sich haben

Bislang waren Bund und Ländern enge Grenzen bei der Zusammenarbeit im Bildungssektor gesetzt – das sogenannte Kooperationsverbot im Grundgesetz wollte es so. Nun plant die Bundesregierung, die Regelung zu lockern. Der Opposition gehen die Pläne nicht weit genug.

Von Jürgen König | 05.03.2012
    Um zwei Wörter nur soll der Artikel 91b des Grundgesetzes erweitert werden, zwei Wörter indes, die großen Effekt hätten: nicht nur, wie bisher, "Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen" sollen künftig gemeinsam von Bund und Ländern gefördert werden können, sondern "Einrichtungen und Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen". Nicht mehr nur Projekte, etwa im Rahmen der Exzellenzinitiative, könnten künftig vom Bund gefördert werden, sondern die Hochschulen selber. Begründet wird der Schritt vor allem mit der "Internationalisierung" des Wissenschaftssystems: 2017 werde die Exzellenzinitiative auslaufen: um konkurrenzfähige Institutionen zu erhalten, sei Deutschland "auf dauerhafte Strukturen mit überregionaler Sichtbarkeit angewiesen". Bundesbildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan:

    "Internationalisierung des Wissenschaftssystems heißt: stärkere Verbindungen zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung, heißt: neue Verbindungen zwischen den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen."

    Dieses Argument akzeptiert auch die CSU, die sich bisher stets gegen Lockerungen des Kooperationsverbotes ausgesprochen hatte. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt:

    "Dies ist in der Internationalisierung notwendig, dass wir besonders erkennbar sind mit unseren "Leuchttürmen" an den Hochschulen, obwohl selbstverständlicherweise die Kulturhoheit der Länder erhalten bleibt, ich darf an der Stelle dazu sagen: Wir als Bayern stimmen in diesem Fall aus übergeordneten Gründen zu, nicht des Geldes wegen, falls Sie das vermuten sollten."

    Exzellenz-Förderung also – von der Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Universitäten, wie sie - zum Beispiel - die Hochschulrektorenkonferenz für dringend notwendig hält, ist nicht die Rede. Im Deutschlandfunk kritisierte SPD-Chef Siegmar Gabriel die Entscheidungen des Koalitionsausschusses, insbesondere, weil für die Schulen alles bleibt, wie es ist.

    "Bei der Bildung kann ich nur sagen, dass ist uns wesentlich zu wenig. Wir müssen das Kooperationsverbot so verändern, dass die Länder auch vom Bund deutlich mehr Geld für Bildung bekommen und zwar für den schulischen Bereich. Wir brauchen mehr Ganztagsschulen und da, wo Ganztagsschulen draufsteht, da müssen auch Lehrer drin sein. Wir sind ein Land, das wirtschaftlich sehr reich ist, aber wir geben für Bildung viel, viel weniger aus als vergleichbare Länder, und das müssen wir ändern! Einfach nur ein paar kleine Öffnungen zur Zusammenarbeit im Wissenschafts- und Hochschulbereich, das reicht nicht aus."

    Annette Schavan hält dagegen, im Bildungsbereich, etwa in schulischen Fragen, sei Kooperation zwischen Bund und Ländern nur dann möglich, wenn zunächst die Länder sich über die Ziele einig werden würden.

    "Klar ist aber auch: dass zu weitergehenden Fragen – Kooperation im Bildungssystem -, es schon auf der Ebene der Länder keinen Konsens gibt, nicht einmal in der SPD. Deshalb einigt man sich ja dann auch auf Formulierungen, die eigentlich nur heißen, es muss mehr Geld rübergeschoben werden, darüber bekommen Sie in Deutschland immer Konsens. Ich sage, wir reden nicht einfach über Finanztransaktionen, wir reden über Konzepte. Und so ist auch die Frage, was sind denn die Ziele, die im Bildungssystem erreicht werden sollen, wofür die SPD findet, dass Kooperation notwendig ist? Und wenn ich heute in der Zeitung lese, dass schon über die Frage, ob man es schaffen kann, in den nächsten Jahren gemeinsame Abiturprüfungen zu machen, wieder gestritten wird in der KMK, dann sage ich: Bringt es mal zu Ende mit dem Streit, Voraussetzungen, um über Kooperationen nachzudenken, war immer, dass es Konsens aufseiten der Länder gibt."

    Ein wenig gelockert also wird das Kooperationsverbot, aufgehoben wird es nicht. In zwei Wochen soll ein Entwurf des Bundesbildungsministeriums vorliegen, nach den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden soll sich bis Ende Mai das Kabinett damit befasst haben; Bundesrat und Bundestag könnten – unter Wahrung der vorgesehenen Fristen – im Herbst darüber beraten, zum 1. März 2013 könnte die Grundgesetzänderung in Kraft treten. Im Moment scheint die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Bundestag erreichbar zu sein.