Arne Bergström hat sein halbes Leben im Schatten des Atomkraftwerks Forsmark verbracht. Nur ein paar hundert Meter hinter seinem Haus ragen die Kühltürme auf. In der Kommode im Wohnzimmer verwahrt Arne die Jod-Tabletten, die vom Kraftwerksbetreiber vor Jahr und Tag vorsorglich an die Anwohner ausgeteilt wurden. Die Tabletten sollen ihn bei einem schweren Unfall vor Strahlenschäden schützen. Bergström, der selbst 26 Jahre lang im Kraftwerk beschäftigt war, hat sich nie wirkliche Sorgen gemacht. Doch der Bericht, der jetzt an die Öffentlichkeit gelangt ist und schwere Sicherheitsmängel beim AKW Forsmark dokumentiert, gibt ihm zu denken.
"Als wir das Atomkraftwerk damals aufbauten, wurde alles ganz genau kontrolliert. Das scheint heute nicht mehr so zu sein. Es ist schon sehr beunruhigend zu erfahren, dass die Kollegen den Reaktor nicht immer im Griff haben. Und dann sind auch noch einige betrunken zur Arbeit erschienen."
Der interne Bericht wurde von der eigenen technischen Analysegruppe des Atomkraftwerks Forsmark erstellt. Auf 28 Seiten listen die Autoren eine Reihe von 22 Betriebsunfällen aus dem vorigen Jahr auf, die nach ihrer Einschätzung allesamt das Potenzial zu einem tödlichen Unglück hatten. In diesem Licht betrachtet war der Störfall im Juli der vorläufige Höhepunkt einer Pannenserie, die nach Meinung der Experten einen erschreckenden Verfall der Sicherheitskultur offenbart.
Und der Bericht hat Folgen: Die Vattenfall-Manager wurden zum Rapport zitiert. Umweltminister Andreas Carlgren forderte die Betreiber unmissverständlich auf, umgehend ein überzeugendes Sicherheitskonzept vorzulegen. Besonders verärgert habe ihn die dürftige Informationspolitik des Konzerns, ließ Carlgren durchblicken.
Zwei Monate lang kursierte das brisante Schreiben in den Führungsgremien der Betreibergesellschaft, die zum staatlichen Energiekonzern Vattenfall gehört. Dann wurde es den Kontrolleuren der Atomaufsicht SKI offenbar anonym zugespielt. Die Beteuerungen des Vorstandsvorsitzenden von Vattenfall, der den Störfall des letzten Sommers wortreich heruntergespielt hatte, waren nun auf einmal nicht mehr haltbar. Dieser Tage musste Göran Lundgren einräumen:
"Forsmark ist lange Zeit fehlerfrei gelaufen, es gab kaum technische Probleme und eine konstante Leistung. Zugleich wurde die Anlage verändert und modernisiert. Das brachte eine gewisse Belastung für das Personal mit sich, und das erklärt womöglich, warum wir nicht in allen Bereichen unseren Sicherheitsanforderungen gerecht geworden sind."
Der frühere Chefingenieur Lars-Olov Höglund, der zwischen 1976 und 1986 selbst am Aufbau des Atomkraftwerks Forsmark beteiligt war, gehört mittlerweile zu den schärfsten Kritikern einer Strompolitik, die darauf abzielt, auch noch den ältesten Anlagen das Maximum an Leistung herauszupressen:
"Die Kraftwerke sollen laufen, so lange wie möglich und mit so viel Leistung wie möglich. Und da bauen die ihre Kompetenz und ihre Ressourcen so auf, um die Anlage in Betrieb zu halten. Da gibt es keine Zeit für übergreifende Überlegungen, ist das sicher genug, sollten wir nicht lieber abschalten als in Betrieb halten? Man hat nur die Aufgabe, so viel wie möglich zu verdienen."
So dürfte der interne Prüfbericht noch einige Sprengkraft entfalten: Bis heute hielten die meisten Schweden nichts von dem beschlossenen Einstieg in den Ausstieg aus der Atomkraft. Im Vertrauen auf Obrigkeit und Technik hielten sie dem Atomstrom die Treue. Das könnte sich jetzt schnell ändern, denn der Mängelkatalog aus Forsmark hat selbst die zuständigen Kontrolleure der staatlichen Atomaufsicht überrascht. Die Behörde hat Strafanzeige gegen die Verantwortlichen im Kraftwerk gestellt. Doch die Aufsichtsbehörde sei ganz offenkundig selbst überfordert, vermuten die schwedischen Grünen. Sie verlangen eine unabhängige Untersuchung zur Sicherheit der schwedischen Atomkraftwerke durch internationale Experten. Das politische Nachbeben des Störfalls hat womöglich gerade erst begonnen.
"Als wir das Atomkraftwerk damals aufbauten, wurde alles ganz genau kontrolliert. Das scheint heute nicht mehr so zu sein. Es ist schon sehr beunruhigend zu erfahren, dass die Kollegen den Reaktor nicht immer im Griff haben. Und dann sind auch noch einige betrunken zur Arbeit erschienen."
Der interne Bericht wurde von der eigenen technischen Analysegruppe des Atomkraftwerks Forsmark erstellt. Auf 28 Seiten listen die Autoren eine Reihe von 22 Betriebsunfällen aus dem vorigen Jahr auf, die nach ihrer Einschätzung allesamt das Potenzial zu einem tödlichen Unglück hatten. In diesem Licht betrachtet war der Störfall im Juli der vorläufige Höhepunkt einer Pannenserie, die nach Meinung der Experten einen erschreckenden Verfall der Sicherheitskultur offenbart.
Und der Bericht hat Folgen: Die Vattenfall-Manager wurden zum Rapport zitiert. Umweltminister Andreas Carlgren forderte die Betreiber unmissverständlich auf, umgehend ein überzeugendes Sicherheitskonzept vorzulegen. Besonders verärgert habe ihn die dürftige Informationspolitik des Konzerns, ließ Carlgren durchblicken.
Zwei Monate lang kursierte das brisante Schreiben in den Führungsgremien der Betreibergesellschaft, die zum staatlichen Energiekonzern Vattenfall gehört. Dann wurde es den Kontrolleuren der Atomaufsicht SKI offenbar anonym zugespielt. Die Beteuerungen des Vorstandsvorsitzenden von Vattenfall, der den Störfall des letzten Sommers wortreich heruntergespielt hatte, waren nun auf einmal nicht mehr haltbar. Dieser Tage musste Göran Lundgren einräumen:
"Forsmark ist lange Zeit fehlerfrei gelaufen, es gab kaum technische Probleme und eine konstante Leistung. Zugleich wurde die Anlage verändert und modernisiert. Das brachte eine gewisse Belastung für das Personal mit sich, und das erklärt womöglich, warum wir nicht in allen Bereichen unseren Sicherheitsanforderungen gerecht geworden sind."
Der frühere Chefingenieur Lars-Olov Höglund, der zwischen 1976 und 1986 selbst am Aufbau des Atomkraftwerks Forsmark beteiligt war, gehört mittlerweile zu den schärfsten Kritikern einer Strompolitik, die darauf abzielt, auch noch den ältesten Anlagen das Maximum an Leistung herauszupressen:
"Die Kraftwerke sollen laufen, so lange wie möglich und mit so viel Leistung wie möglich. Und da bauen die ihre Kompetenz und ihre Ressourcen so auf, um die Anlage in Betrieb zu halten. Da gibt es keine Zeit für übergreifende Überlegungen, ist das sicher genug, sollten wir nicht lieber abschalten als in Betrieb halten? Man hat nur die Aufgabe, so viel wie möglich zu verdienen."
So dürfte der interne Prüfbericht noch einige Sprengkraft entfalten: Bis heute hielten die meisten Schweden nichts von dem beschlossenen Einstieg in den Ausstieg aus der Atomkraft. Im Vertrauen auf Obrigkeit und Technik hielten sie dem Atomstrom die Treue. Das könnte sich jetzt schnell ändern, denn der Mängelkatalog aus Forsmark hat selbst die zuständigen Kontrolleure der staatlichen Atomaufsicht überrascht. Die Behörde hat Strafanzeige gegen die Verantwortlichen im Kraftwerk gestellt. Doch die Aufsichtsbehörde sei ganz offenkundig selbst überfordert, vermuten die schwedischen Grünen. Sie verlangen eine unabhängige Untersuchung zur Sicherheit der schwedischen Atomkraftwerke durch internationale Experten. Das politische Nachbeben des Störfalls hat womöglich gerade erst begonnen.