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Zwischen Krise und Kompromiss

Die Ukraine schlittert seit mehreren Jahren von einer innenpolitischen Krise in die nächste. Weisen die Wahlen am Sonntag einen Ausweg?

Von Robert Baag | 28.09.2007
    Begeisterte Bürger fast überall in der Ukraine und laut jubelnde Abgeordnete in der "Verchovna Rada", dem Parlament in der Hauptstadt Kiew. Gerade hat der neue Präsident seinen Amtseid abgelegt. Sie feiern ihn, rufen rhythmisch seinen Namen:

    Noch keine zwei Jahre ist das her. Seit dem 23. Januar 2005 ist Viktor Juschtschenko im Amt. Von der damaligen Begeisterung rund um ihn neben der charismatischen Julia Timoschenko, die zweite Symbolfigur der "Orangefarbenen Revolution" ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die Ukraine stolpert und schlittert seither von einer innenpolitischen Krise in die nächste. Viel Enttäuschung ist heute zu spüren in der Ukraine über die endlos scheinenden Mühen der Ebenen.

    Jurko Hryntschuk ist einer dieser Desillusionierten, ein selbstständiger Schlachtermeister auf dem Wochenmarkt der Kleinstadt Kalusch im äußersten Westen der Ukraine, rund 100 Kilometer vor der rumänischen Grenze:

    ""Ich bin damals nach Kiew gefahren, habe auf dem Majdan demonstriert und habe dort gefroren. Nichts, was die uns damals von der Tribüne herunter versprochen hatten, haben sie gehalten: Die Banditen sitzen immer noch nicht in den Gefängnissen, die kleinen Geschäftsleute haben weiter zu kämpfen, die Rückkehr der Ukrainer aus dem Ausland zurück nach Hause - nichts zu sehen. Wir können gar nichts machen, Die haben die Armee. Die haben die Miliz."

    Die 57-jährige Chemielaborantin Nina Iskova aus der ostukrainischen Metropole Char'kiv, rund 1000 Kilometer südöstlich von Kalusch am anderen Ende des Landes kurz vor der russischen Grenze, war sich schon immer sicher, dass es mit den "Orangefarbenen" für die Ukraine nicht gut enden wird:

    "Julia Timoschenko erzählt nur viel. Eine gute Rednerin ist sie ja. Aber was sie macht, ist nicht sehr gut. Als sie Ministerpräsidentin war, hatten wir stundenlang kein Licht - auch unter Premierminister Juschtschenko war das so. Da hatten wir kein Gas. Als Janukowitsch Premier wurde, fing unsere Fabrik wieder an zu arbeiten. Vorher hatte man uns sieben Jahre lang keinen Lohn bezahlt. Dann bekamen wir wieder unser Gehalt. Jeder, der hier in der Produktion arbeitet, dürfte für Janukowitsch sein, weil sie solche Erfahrungen gemacht haben."

    Nina Iskova ist Anhängerin von Viktor Janukowitsch und verteilt Wahlbroschüren für dessen sogenannte blau-weiße "Partei der Regionen". Deren Stammwähler leben im Osten und Süden der Ukraine. Aber auch ihre politische Konkurrenz versteckt sich nicht - der Block "NU - Nascha Ukraina - Samaoborona", zu Deutsch "Unsere Ukraine - Selbstverteidigung". Auf dem Freiheitsplatz in Char'kiv verteilt der 19-jährige Bauingenieursstudent Dima NU-Flugblätter:

    "Na, weil ich 'Nascha Ukraina' unterstütze, Juschtschenkos Ideen. Obwohl, na ja, klar, wir werden auch dafür bezahlt. Ich kann das Geld gut brauchen. Für Janukowitsch würde ich wahrscheinlich nicht hier stehen. Schon, wie der redet. Der gefällt mir halt nicht, deshalb eben, weil er sich an Russland anschließen will und so."

    Übrigens: Alle Parteien mieten sich Wahlhelfer, Studenten und Rentner. Ehrenamtliche Aktivisten sind eher selten. Noch offensiver als die Juschtschenko-nahe "Nascha Ukraina" grenzt sich beim Stichwort "Russland" der "Block Julia Timoschenko" ab, abgekürzt BJU". Hryhoryj Nemyrja, in dem viele den BJUT-Schatten-Außenminister sehen, sollte es nach den Wahlen vom 30.September für die Wiederauflage einer orangefarbenen Koalition von BJUT und "Nascha Ukraina" reichen, kritisiert:

    "Für die 'Partei der Regionen' besteht die Mission der Ukraine darin, Brücke zu sein zwischen Europa beziehungsweise dem Westen und dem post-sowjetischen Raum, wo Russland dominiert. Brücke zu sein: Das ist sehr banal! Aber: Auf die Frage: 'Wohin und mit welchen Werten soll es auf dieser Brücke lang gehen?', wird schnell klar, das die Ukraine in ihrer Randlage - an der Peripherie - konserviert, eingefroren werden soll. Für BJUT hat die Ukraine eine andere Mission. Wir wollen den postsowjetischen Raum dekonstruieren, auflösen. Konkret heißt das: weg von einer sogenannten gelenkten Demokratie ohne politische Konkurrenz, einer unterdrückten Zivilgesellschaft ohne freie Massenmedien. Während und nach der 'Orangefarbenen Revolution' hat die Ukraine schon begonnen, den postsowjetischen Raum auf diese Weise zu dekonstruieren. Und das ist unser Unterschied zum zahnlos-vegetarischen Brücken-Modell der 'Partei der Regionen'."

    Jevgenij Zacharov von der Charkiver Menschenrechtsgesellschaft "Memorial" warnt davor, die Attraktivität der "Partei der Regionen", vor allem aber von Ministerpräsident Janukowitsch zu unterschätzen. Selbst das Vorstrafenregister des Premiers störe da nicht:

    "Davor verschließen viele Menschen die Augen. In der Ostukraine, im Donbass, hat jeder vierte erwachsene Mann eine Vorstrafe wegen eines kriminellen Delikts. Das ist so eine Gegend, wissen Sie. Die Strafe hat er kassiert, als er jung war, dann hat er eine gewisse Karriere gemacht. Heute sieht er ja einigermaßen beeindruckend aus, muss man sagen. Er lernt schnell. Er ist ein starker politischer Gegner. Er kann Menschen für sich einnehmen. Aber das Wichtigste: Unten im Süden, im Osten entspricht er mehr der Vorstellung der Menschen dort, die sich noch nicht völlig als ukrainische Staatsbürger empfinden. Das sind landesweit- immer noch zwischen 35 bis 40 Prozent. Hier in Charkiv sind das noch viel mehr."

    Und Zacharov weist noch auf ein weiteres Problem hin:

    "Janukowitsch hat ganz klar gesagt, dass er das Russische als zweite Staatsprache einführen will. Juschtschenko dagegen will nur das Ukrainische als Staatssprache. An diesem Punkt scheiden sich die Geister der Wähler. Im Augenblick bemühen sich alle, diese Frage zu umgehen. Juschtschenkos 'Nascha Ukraina' hat vor kurzem gesagt, dass sie bei der vergangenen Wahl, 2006, nur allein wegen des Sprachen-Themas vier Wahlgebiete verloren habe."

    Ja, man habe die Lektion gelernt, bestätigt der Rechtsanwalt Mykola Onischtschuk aus Zhytomir, der stellvertretende Leiter des Wahlkampfstabes von "Nascha Ukraina". Dies gelte auch für das Stichwort "West-Orientierung" seines Wahlblocks:

    "Wir berücksichtigen die Stimmung in der Gesellschaft und deren abwartende bis ablehnende Haltung zur Idee eines NATO-Beitritts. Deshalb forcieren wir dieses Thema jetzt nicht. Und das ist richtig so! Der Staat muss eindeutig vorgehen und darf sich nicht so verhalten wie Ministerpräsident Janukowitsch, der noch vor Kurzem in Deutschland und vor der EU erklärt hat, man werde die ukrainische Bevölkerung sehr aktiv über die Vorteile der NATO informieren. Aber: Nichts ist anschließend geschehen. Eine doppelbödige Politik ist das."

    Der Char'kiver Menschenrechtler und Publizist Jevgenij Zacharov legt noch nach:

    ""Es gibt einen gewissen Zivilisationsvektor, der das Land mit sich zieht und zwar in Richtung der westlichen Zivilisation. Dass die Ukraine heute ein europäisches Land ist, ist unbestreitbar im Gegensatz zu Russland, das dies leider nicht ist. Für Russland sehen die Perspektiven wesentlich schlechter aus als für die Ukraine. Für Russland gibt es die Anekdote, die einen Russen sagen lässt: 'Der Dichter Puschkin - das ist unser Alles, der Moskauer Kitsch-Künstler Zeretelli, das ist unser Überall - und Putin, das ist unser Ewig'. Mörderisch, sehr bitter, aber leider in vielem zutreffend."

    Noch einen weiteren Unterschied zur augenblicklichen Situation im benachbarten Russland, wo demnächst ebenfalls Parlamentswahlen anstehen, sieht Olena Stronova, Chefredakteurin der russisch-sprachigen Char'kiver Tageszeitung "Vremja". Bei den Urnengängen in beiden Ländern wird die jeweilige Wahlbeteiligung ein wichtiger Indikator für die Stimmung der Menschen sein. Nicht wenige Politologen befürchten inzwischen da wie dort Apathie, Enttäuschung und als Konsequenz daraus Wahlmüdigkeit. Stronova:

    "Diese Gefahr besteht. Aber als Rätsel bleibt: Wer bekommt wie viele Stimmen? Das gibt es in Russland zum Beispiel nicht. Dort ist doch klar, wer der Favorit ist. Wahlen sind dort deshalb eigentlich unnötig. Wer bei uns die Mehrheit haben wird, BJUT oder 'Nascha Ukraina', oder die 'Partei der Regionen', das kann Ihnen niemand sagen. Für mich ist das wichtig. Ich weiß, dass meine Stimme entscheiden kann, Gewicht hat."

    "Das Verdienst der 'orangefarbenen Revolution' besteht darin, dass sich in der Gesellschaft eine Atmosphäre der politischen Freiheit durchgesetzt hat. Auch wenn diese Freiheit manchmal an Anarchie erinnert, auch das hat etwas mit ukrainischer Geschichte und Tradition zu tun, ich erinnere zum Beispiel an den Anarchistenführer Nestor Machno aus dem Bürgerkrieg Anfang der 20er Jahre, ein Symbol des Anarchismus","

    ergänzt der Kiewer Politologe Volodymir Fesenko und setzt hinzu:

    ""Der größere Teil der Bevölkerung will eine personifizierte Macht. Die Menschen möchten wissen, wer die Verantwortung für die Situation im Land hat, der Präsident? Oder der Premierminister? Gleichzeitig sind viele damit unzufrieden, dass es zwei Machtzentren im Land gibt, diese dauernden Patt-Situationen, die das Land lähmen."

    Notwendig geworden waren die Wahlen aus der Sicht des Präsidentenlagers rund um Viktor Juschtschenko im Frühjahr, nachdem "Nascha Ukraina" langsam drohte ausgezehrt zu werden. Vereinzelte Abgeordnete dieses Blocks begannen ins Lager von Premier Janukowitsch zu wechseln, die Gefahr einer weiteren Schwächung des "Orangefarbenen Lagers" bis hin zu einer verfassungsändernden Parlamentsmehrheit zuungunsten Juschtschenkos begann sich abzuzeichnen. Juschtschenko zog buchstäblich die Notbremse und löste im Frühjahr das Parlament, die "Verchovna Rada", auf. Unter diversen politischen Krämpfen rutschte das Land wieder in einen Wahlkampf. –

    Selbst im Westen der Ukraine, Geburtsort und immer noch die Basis der orangefarbenen Bewegung vom Winter 2004/2005, ist die Phase des politischen Romantizismus vorbei. Typisch für diese Haltung dürfte die Ansicht von Taras Voznjak sein. Voznjak, inzwischen Kulturbeauftragter in der Gebietsverwaltung L'viv/Lemberg, zugleich aber immer noch Chefredakteur der kulturpolitischen Zeitschrift "Ji" gibt sich keinerlei Illusionen hin, wenn es um die "Partei der Regionen", um "Nascha Ukraina" oder um BJUT, den "Block Julia Timoschenko" geht:

    "In sozialer Hinsicht gibt es keinen großen Unterschied zwischen den drei Lagern, Blöcken. Das Fundament bei allen dreien ist das große Kapital - vulgär gesagt das ukrainische Oligarchat. Eigentlich haben sie dieselben Ziele, denken ähnlich. Es mag kleine Unterschiede zwischen ihnen geben. Aber viele Menschen, auch ich, fragen sich: Sind diese Unterschiede wirklich prinzipiell politischer Art oder nur oberflächliche Schminke vor der Wahl? Zum Schluss wird es auf einen Kompromiss im Interesse der einzelnen Business-Anliegen hinauslaufen, nicht der Politik."

    "Ich habe den Eindruck, 'Nascha Ukraina' ist die einzige Partei der Ukraine, die es tatsächlich ernst meint mit einer internen Demokratisierung der Partei. Die sogenannten lieben Freunde - also die Geldgeber, die Oligarchen, die 'Nascha Ukraina' maßgeblich finanzieren - spielen viel weniger eine Rolle als noch vor wenigen Jahren","

    meint dagegen Nico Lange, Leiter der Außenstelle Kiew der Konrad-Adenauer-Stifung. Hinsichtlich des Wahlablaufs am 30. September kann er allerdings eine gewisse Skepsis nicht verhehlen. Das vom Kabinett Janukowitsch und der Rada-Mehrheit erneut geänderte Wahlgesetz etwa sei ein Rückschritt im Vergleich zur Fassung für die Wahlen vom März 2006. Zum Beispiel

    ""ist die salopp gesagt 'wandernde Wahlurne' - also das Wählen zu Hause - wieder eingeführt worden. Im letzten Jahr war es so, dass man ärztliche Atteste vorlegen musste, genau begründen musste, warum man zu Haus wählen möchte. Dieses Jahr ist es wieder lockerer - und das ist bekanntlich eines der entscheidenden Einfallstore für Wahlfälschungen und -manipulationen. Und das wird gerade in so kritischen Regionen wie Charkiv und Dnjepropetrowsk natürlich interessant sein, diese Dinge zu beobachten, weil: In anderen Oblasts macht es kaum Sinn, Manipulationen vorzunehmen, die vielleicht zwei Prozent oder so etwas ausmachen können, aber in diesen Städten meiner Meinung nach sehr wohl."

    Und auch noch auf andere neuralgische Punkte sollten Wahlbeobachter tunlichst ihre Aufmerksamkeit richten, empfiehlt Lange, etwa darauf,

    "dass sehr viele Amtsträger in politischen Funktionen einschließlich Minister Wahlkampf machen, während sie ihr Amt ausüben. Studentenwohnheime, Kasernen., dass auf Anweisung gewählt werden soll, dass Handyfotos des Wahlzettels vorgezeigt werden sollen, um Prüfungsergebnisse zu erhalten, Dinge dieser Art."

    Olena Stronova aus der ost-ukrainischen Metropole Char'kiv ist sich dennoch ziemlich sicher:

    "Im nächsten Parlament werden vier Kräfte vertreten sein: die 'Partei der Regionen', BJUT, der 'Block Julia Timoschenko', dann Juschtschenkos 'Nascha Ukraina' und die Kommunisten. - Oder in Schlagworten ausgedrückt: BJUTs Kernbegriff heißt: 'Gerechtigkeit'; bei 'Nascha Ukraina' heißt es: 'Weg mit der Immunität für Abgeordnete'; die 'Partei der Regionen' ist für 'Stabilität' - Na, wer wird schon gegen Stabilität sein? - Und die KP, die hofft, das Zünglein an der Waage zu spielen, spricht auch vage von 'sozialer Absicherung'."

    Unklar ist zur Stunde damit aber weiterhin, wie sich die politischen Kräfte nach der Wahl sortieren werden, welche Koalitionen denkbar sind - ob vielleicht sogar eine Große Koalition am Dnipro ein Ausweg wäre. Der Wahlforscher Volodymir Fesenko vom Kieeer "Penta"-Zentrum für politische Studien hat die möglichen Varianten durchdekliniert:

    ""Wenn es weder eine 'Orangefarbene Koalition' geben sollte noch eine von der 'Partei der Regionen' zusammen mit den linken Parteien geführte Koalition, dann bleiben nur noch zwei Varianten: entweder eine Große Koalition oder überhaupt keine Koalition. Und genau die letztgenannte Variante will ich überhaupt nicht ausschließen. Denn gemäß der Verfassung, auch wenn sie bisher schon oft verletzt worden ist, darf das Parlament nach vorzeitigen Neuwahlen im Verlauf eines Jahres nicht aufgelöst werden. Somit bliebe das gegenwärtige Kabinett Janukowitsch im Amt, aber sein Einfluss wäre geringer, da ihm dann die parlamentarische Mehrheit fehlt. Die Regierung würde in großem Ausmaß vom Präsidenten abhängen, der sowohl Parlaments- als auch Regierungsentscheidungen durch sein Veto blockieren könnte. Ein koalitionsloser Zustand in der Rada würde wechselnde Mehrheiten erlauben. Und das käme gegenwärtig sehr vielen ukrainischen Politikern entgegen. Wer weiß schon, was in einem Jahr sein wird? Leider findet sich bei vielen ukrainischen Politikern die Erwartungshaltung, dass auch dieses neugewählte Parlament nur eine Übergangserscheinung sein wird. Für ein Jahr, vielleicht für zwei Jahre."

    "Ich gehe davon aus, dass die Neuwahlen die strukturelle Krise nicht lösen. Das ist eine strukturelle Krise, die schon seit mehr als zehn Jahren schwelt in der Ukraine und die immer wieder neu aufflackert. Und ich glaube auch, dass es auch nach diesen Wahlen wieder neue Eskalationen geben wird in dieser Krise","

    sieht Nico Lange voraus, der die Situation in und um Kiew für die Konrad-Adenauer-Stiftung beobachtet und analysiert. Und er ist sich sicher:

    ""Es gibt keinen schnellen 'Königsweg'. Das große Problem der ukrainischen Politik ist ja, dass man die Sachfragen überhaupt gar nicht mehr angeht, weil man ständig mit dem Machtkonflikt beschäftigt ist und mit der Kompetenzverteilung."

    In einem allerdings scheinen fast alle Ukrainer einig zu sein - ob im Westen, ob im Osten, im Norden oder Süden. Das jahrelange Schreckgespenst einer Ukraine, die sich aus innerer politischer Zerrissenheit in zwei oder drei Teile spalten könnte, scheint versunken zu sein. Gerade Taras Voznjak spricht dies aus, ein Vertreter jener westukrainischen Intelligenz, die vor noch gar nicht allzu langer Zeit der Sezessionsbestrebungen verdächtigt worden ist, also den Westen mit Lemberg als Zentrum von der Rest-Ukraine für unabhängig erklären zu wollen:

    "Was für ein Glück, dass es in der Ukraine nicht so zugegangen ist wie in Russland oder Georgien mit all diesen Separatismen, Tschetschenien, Abchasien, Ossetien, hier herrschen andere Diskussionsformen. Selbst die Repräsentanten der 'Partei der Regionen' haben sich im Lauf der vergangenen zwei Jahre ändern müssen. Wenn die damals glaubten, der ganzen Ukraine ihre Normen überstülpen zu können, so mussten sie schnell feststellen: Nein! Das geht nicht so einfach. Jetzt muss sogar so ein Bär wie Janukowitsch versuchen, elegant übers Parkett zu schleichen und sich einigermaßen anständig zu benehmen. Das ist schon ein Unterschied, Sogar einem Janukowitsch kann man also etwas beibringen.

    Klar, wir haben Skandale, Korruption. Aber wir regeln es anders als andere auf friedliche Art, ohne Ausnahmesituation und Kriegszustand, mit Diskussionen und Kompromissen, manchmal schämen wir uns auch - aber wir suchen wenigstens Kompromisse! Ja, wir sind unzufrieden! Mit vielem! Aber Sezessionismus? Nein! Den wird es auf keinen Fall geben!"