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Zwischen radioaktivem Hotspot und CO2-Einsparung

Japan hat ein zukunftsweisendes Vorzeigeprojekt: die "smart-city" Kashiwa, mit der der CO2-Ausstoss reduziert werden soll. Der Ort im Norden Tokios kämpft nach Fukushima gegen das Desinteresse am Klimawandel und mit der Nähe zu einem radioaktiven Hotspot.

Von Peter Kujath | 05.10.2011
    Mit dem Tsukaba-Express geht es aus Tokios Zentrum hinaus nach Norden. 35 Kilometer später steigt man an einer modernen Haltestelle aus. Vier Hochhaustürme ragen empor, ein paar Schnellrestaurants, ein Supermarkt und viele freie Baugrundstücke begrüßen den Neuankömmling. Kashiwa no ha war als CO2-Vorzeigeprojekt 2007 aus der Taufe gehoben worden, die ersten Bewohner zogen Anfang 2009 ein, erklärt Takahito Hashimoto von Mitsui Fudosan, der zuständigen Immobilien-Firma.

    "Das Topthema für unsere Kunden war nicht die Idee der smart-city. Dieser Begriff ist für viele Menschen noch nicht geläufig. Das muss man erst langsam erklären und bekannter machen. Der Hauptgrund für die Entscheidung, hierher zu ziehen, war die unmittelbare Nähe zum Bahnhof."

    In der Musterwohnung zeigt Hashimoto, wie die zentrale Steuereinheit funktioniert. Dort wird der Elektrizitäts-, Gas- sowie Wasserverbrauch angezeigt und in den damit verbundenen CO2-Ausstoss umgerechnet. Der Anreiz diese Hilfe richtig zu nutzen, kam aber erst mit der Aufforderung Strom zu sparen, nachdem der Energiekonzern Tepco wegen der Atomkatastrophe nicht mehr ausreichend Elektrizität zur Verfügung hatte.

    "Es gibt viele Menschen, die uns jetzt sagen, dass sie seit dem 11. März mit der Steuerungseinheit richtig Strom sparen können. In 10-Minuten-Intervallen wird angezeigt, wie viel Elektrizität man verbraucht, so dass man sehr schnell feststellen kann, welche Geräte besonders viel Strom fressen. Das schafft mehr Bewusstsein und viele Menschen sind dankbar dafür."

    Laut Hashimoto konnte so der Verbrauch um 20 Prozent gesenkt werden. Kashiwa no ha hat als smart-city auch eine zentrale Steuereinheit, die Auskunft gibt, wie viel Strom der Nachtspeicher noch hat, um den Spitzenbedarf am Tag auszugleichen; wie viel Elektrizität die kleine Solaranlage beisteuert, die in den nächsten Jahren deutlich ausgebaut werden soll. Das Projekt wurde zusammen mit der Tokio- und der Chiba-Universität entwickelt. Angedacht war bis 2030 den CO2-Ausstoss um 60 Prozent zu senken. Derzeit wohnen 1200 Familien in Kashiwa no ha, für rund 10.000 Bewohner ist geplant worden.

    "Das mit der Radioaktivität macht es schwieriger. Wir müssen den Leuten ja ohnehin erst einmal erklären, warum sie für eine dieser Wohnung statt 30 40 Millionen Yen zahlen sollen. Wir müssen die Kunden davon überzeugen, was das Projekt einer smart-city bringt. Das haben wir noch nicht richtig geschafft und müssen uns mehr anstrengen."

    Als sogenannter Hotspot ist Kashiwa vielen Menschen in Japan mittlerweile ein Begriff. Kein Wunder also, dass Takahito Hashimoto von Mitsui Fudosan nicht gerne darüber redet. Besorgte Mütter hatten in Kashiwa selbst die radioaktive Belastung gemessen und festgestellt, dass einige Spielplätze achtmal so hohe Werte aufwiesen wie zum Beispiel in München. Auch wenn die Belastung noch immer unter dem Grenzwert lag, wurde Sand abgetragen, das Wasser in den Schul-Schwimmbädern ausgetauscht. Die Werte gingen zurück, aber die Angst blieb. Und das ist keine besonders gute Voraussetzung, um Kunden zum Kauf einer Wohnung in Kashiwa no ha zu bewegen.