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Zwischen Ressourcengerechtigkeit und Biopiraterie

Das Nagoya-Protokoll von 2010 sieht vor, Gewinne aus genetischen Ressourcen gerechter zu verteilen und die örtliche Bevölkerung davon profitieren zu lassen. Nun will die EU eine Richtlinie auf den Weg bringen, die Lücken des Protokolls füllen soll. Die Hilfsorganisation Brot für die Welt sieht darin aber einen Rückschritt.

Von André Zantow | 08.04.2013
    Es sind Geschäftsmodelle wie diese, die Sven Hilbig von Brot für die Welt ärgerlich machen.

    "Die Millionen von Gewinnen, die Pharmakonzerne machen, indem sie bestimmte genetische Ressourcen aus Südafrika benutzen und daraus Mittel zur Bekämpfung von Krebs oder Kosmetika herstellen, dass sie damit Millionen-Gewinne machen, aber im Endeffekt überhaupt keinen Gewinn abführen an die Leute von denen die genetische Ressource herkommt."

    Dieses Vorgehen soll das Nagoya-Protokoll weltweit eindämmen. Es ist ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen - mit dem Ziel, den Gewinn aus genetischen Ressourcen - vor allem aus den Entwicklungsländern - gerechter zu verteilen, damit auch die lokale Bevölkerung profitiert.

    Aber dieses Ziel hätten die Mitglieder der Vereinten Nationen schon bei der Verabschiedung des Protokolls, 2010, verwässert, meint Sven Hilbig. Und nun könne die nächste Abschwächung erfolgen, befürchtet der Referent für internationale Umweltpolitik bei Brot für die Welt.

    "Das Protokoll ist auch schon weniger als wir erwartet haben. Darüber hinaus - so sieht es zumindest zurzeit aus - setzt die Europäische Union aber noch weniger um, als im Nagoya-Protokoll vorgesehen ist. Und teilweise konterkariert die Europäische Union, wenn der Vorschlag der Kommission durchkommt, auch das Nagoya-Protokoll."

    Noch ist das Nagoya-Protokoll nicht in Kraft getreten. Dazu muss es noch umgesetzt werden in nationales beziehungsweise europäisches Recht. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag vorgelegt, der nun auch im Europaparlament und dem Rat der EU diskutiert wird. In diese Gespräche wollen sich Brot für die Welt und die Nichtregierungs-Organisation Third World Network mit Haupts-Sitz in Malaysia einmischen. Sie haben dazu heute in Berlin eine Studie präsentiert. Hartmut Meyer ist einer der sechs Autoren:

    "Es ist jetzt für uns besonders wichtig die Schwachstellen oder auch die Stellen, die ganz fehlen in der nationalen Umsetzung durchzusetzen."

    Welche Lücken es gebe im Entwurf der EU-Kommission, erklärt Hartmut Meyer anhand eines Beispiels.

    "Gesetzt der Fall eine deutsche Universität sammelt Mikroorganismen im südlichen Afrika. Dann müsste man das korrekte Sammeln mit einer Genehmigung den Behörden hier melden. Die EU-Verordnung sieht aber diese Meldepflicht erst vor, wenn aus dieser Forschung ein Produkt entwickelt wird, was ja erstens erst Jahre später ist und zweitens: Der Großteil aller Forschung wird ja keine Produkte entwickeln."

    Das würde laut dem Mitarbeiter von Brot für die Welt in der Konsequenz bedeuten: Die EU-Länder würden den Großteil der Nutzung des genetischen Materials aus Entwicklungsländern nicht bemerken. Es gäbe keine Kontrolle und die örtliche Bevölkerung - die indigenen Völker - würden weiterhin nicht profitieren von der Forschung mit ihren genetischen Ressourcen. Die Biopiraterie könne weitergehen. Damit wolle die EU wieder zurück zum Vor-Nagoya-Zustand, vermutet Hartmut Meyer:

    "Meine Erklärung und auch die von unserer Gruppe ist, dass die EU-Kommission mit vielen Ergebnissen, die dann doch im Nagoya-Protokoll festgehalten wurden, nicht zufrieden ist. Also die EU-Position war jahrelang eine ganz andere. Die wollten kein Nagoya-Protokoll, um es ganz klar zu sagen. "

    Die EU-Kommission sei erst kurzfristig vor der Verabschiedung umgeschwenkt und wolle nun wieder zu ihrer vorherigen Position zurückkehren, befürchtet Brot für die Welt. Bisher haben 15 Staaten das Nagoya-Protokoll in nationales Recht umgesetzt. 50 Ländern braucht es insgesamt damit es weltweite Verbindlichkeit erlangt. Die EU könnte mit seinen 27 Mitgliedern ein starkes Argument liefern.

    Die Entscheidung über die Profite der genetischen Ressourcen vieler Entwicklungsländer fällt in Brüssel und Straßburg. Dort will Brot für die Welt im kommenden Monat ihre Studie erneut präsentieren.