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Zwischen Wald und Flur
Wandern als Event und politische Inszenierung

Wandern ist ein Volkssport mit Eventcharakter - zu beobachten gerade wieder auf dem Deutschen Wandertag im Sauerland. Und es hat eine bewegte politische Vergangenheit. Von Hitler über Mao und Gandhi bis hin zum "Wanderpräsidenten" Karl Carstens sollte es immer auch eine Geisteshaltung ausdrücken.

Von Tom Schimmeck | 03.07.2019
Eine junge Frau steht in Liechtenstein auf dem Fürstensteig und blickt auf die Landschaft unter ihr.
Beim Wandern stellen sich mitunter starke Glückgefühle ein - und es lässt sich hervorragend politisch instrumentalisieren, wie ein Blick in die Geschichte zeigt (Unsplash / Oliver Schwendener )
"Mit Eisbegonien und Männertreu, Lobelien, Geranien, Fuchsien – alles, was so ein bisschen beständig ist für den Sommer."
Das Städtchen Winterberg im Hochsauerland macht sich hübsch für den Deutschen Wandertag, den 119., der ab Mitte dieser Woche hier stattfindet. Städtische Mitarbeiter wässern die Blumen auf einer Verkehrskreisel.
"Wandern kann man hier sehr gut, ja."
"Ja, das Thema Wandern boomt. Also in den letzten zehn, fünfzehn Jahren erleben wir einen absoluten Trend dazu", sagt Christian Schmidt, Geschäftsführer des Sauerländischen Gebirgsvereins.
Stattliche 33.000 Mitglieder zählt Schmidts Verein – bis weit nach Westen ins Ruhrgebiet und ins Rheinland.
"Das bildet die komplette Breite der Gesellschaft ab. Wir haben Akademiker dabei, wir haben Arbeiter dabei, wir haben jüngere Leute, wir haben ältere Leute."
Mehr Mitglieder als CDU oder SPD
"Also, wenn ich vor sechs Jahren gewusst hätte, was wir hier für einen Aufwand betreiben müssen, damit die Wanderer zu uns kommen, hätte ich damals vielleicht ein bisschen lauter gezuckt und es mir überlegt. Aber nein – alles gut."
Michael Beckmann, Geschäftsführer der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH, blickt von seinem Büro über Kurpark und Schluchtenweg. Im Westen der Kahle Asten, im Norden die Quelle der Ruhr.
"Ja, es ist schon sehr aufwändig…"
Ausrichter ist der Deutsche Wanderverband in Kassel, Dachverband von 58 Gebirgs- und Wandervereinen, mit zusammen an die 600.000 Mitgliedern – mehr als die CDU oder die SPD. Der Verband prüft das Wandertagsareal mit deutscher Vereinsgründlichkeit: neun Kern- und 23 Wahlkriterien – vom Wegbelag bis zu, wie es in Punkt 17 heißt, "gefälligen Ortsszenen".
Wanderwegweiser im Sauerland
Im Sauerland wird heute mit "Premiumwegen" und "Traumpfaden" gelockt (Deutschlandradio / Tom Schimmeck)
"Man nimmt sich ein Pflichtenheft, schaut mal rein, denkt sich: 'Naja, das ist alles überschaubar.' Dann kommen so die ersten Sitzungen, dann kommen die ersten Zahlen auf den Tisch, dann überlegt man sich: 'Na, kriegen wir das denn hin?' Am Ende sprechen wir über ein Budget von 600.000 Euro."
Gestemmt wird dieser 119. Wandertag von Winterberg, der Nachbargemeinde Schmallenberg und dem Sauerländischen Gebirgsverein; gesponsert vom örtlichen Sockenhersteller, der Sparkasse, der lokalen Brauerei.
"Die Wanderer wollen heute Erlebnisse tatsächlich auf den Weg mitgegeben bekommen."
"Der Superlativ des Wander-Events"
Drei Jahre Arbeit: Bühnenprogramm, Streckenplanung, Sicherheitskonzepte. Die Stichworte der Manager lauten: Attraktivität, Abwechslung, Erlebnispotential.
"25.000 Leute kommen ja nicht mal eben, weil wir Lust haben, in die Region, sondern wir müssen ja auch ein attraktives Programm bieten", sagt auch Wandervereinschef Schmidt.
Um die 180 Wanderungen gibt es, und reichlich Beiwerk – Oldies, Pop und Blasmusik, Motorrad- und Bustouren, auch "Pilgerpfad" und Klangmeditation. Delikatessen locken an jeder Ecke, Sehenswürdigkeiten auf Schritt und Tritt. Und natürlich Schwimmbad, Freilichtbühne, Wildtierpark, die Kletterhalle, die Sommerrodelbahn. Notfalls bestaunt man "Winnetou III".
"So ein bisschen der Superlativ des Wander-Events. Es ist eigentlich auch die größte Wanderveranstaltung europaweit."
"Ich bin von hier, ja. Geboren, weg gewesen und wieder zurückgekehrt."
Susanne Kleinsorge, Marketing-Chefin des Wandertages im Sauerland, braust mit einem Kleinbus Richtung Züschen.
"Wir mussten als Kinder immer mit, ja. Wenn Papa laufen wollte, dann hieß das: 'Alle Mann raus! Sonntagsspaziergang!'"
Sie will eine Attraktion präsentieren: Wandern mit Alpakas – mit wuscheligen, großäugigen Vierbeinern aus Südamerika.
"Die Alpakas dienen wie Delfine als Therapietiere. Hektiker kommen ganz schnell runter, ob man will oder nicht, und Menschen, die ziemlich ruhig sind, werden dadurch ein bisschen aktiver."
Wandern: "Einspruch gegen das Diktat der Beschleunigung"
Andreas Freise und Familie halten sieben Alpakas im Offenstall. "Und die Schwiegertochter in spe halftert die dann auf, dass meistens so zwei, drei oder vier Personen maximal ein Tier haben und dann gehen wir bis zu zwölf Kilometern spazieren."
Wandern. Die Dichter und Denker hatten schon immer ein Faible dafür. Bereits in der Antike sah man den Zusammenhang von Denken und aufrechtem Gang. Goethe, der für die Langstrecke lieber die Kutsche nahm, erklärte:
"Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen."
Montaigne fand, dass die Gedanken einschlafen, sobald die Beine stillstehen. Nietzsche verkündete, Gedanken müssten "im Freien geboren" werden. Rousseau sowieso.
Die Halde Hoheward, ein Industrieberg im Ruhrgebiet. Auch hier, neben alten Fördertürmen aus Backstein und Stahl, wandern viele Menschen.
Wandern kann man auch in der Industrielandschaft, zum Beispiel auf der Halde Hoheward im Ruhrgebiet (Picture Alliance / dpa / Bernd Thissen)
"Also, Wandern ist für mich Einspruch gegen das Diktat der Beschleunigung. Dass man die Souveränität über die Zeit wiedergewinnt. Und sich neu orientiert an dem menschlichen Maß."
Ulrich Grober, Schriftsteller, steht am Fuße der Halde Hoheward, neben alten Fördertürmen aus Backstein und Stahl. Ein Industrieberg im Ruhrgebiet. Höchster Punkt: 152,5 m über Normalnull. Grober ist 70. Und schon immer gewandert. Er wagt den Aufstieg.
"Wir sind mit der Familie wandern gegangen. Die sind von der alten Jugendbewegung geprägt gewesen und hatten eben auch Kontakt mit den 'Naturfreunden'."
Grober sagt: Die große Transformation in Richtung Nachhaltigkeit, die die aktuellen Debatten prägt, sei ohne eine neue Naturverbundenheit nicht möglich.
"Das kleine Ich, das kleine Ego, in der großen Landschaft, in der großen Natur."
Er spricht von Sensibilität und Achtsamkeit. Von einer anderen, subtileren Wahrnehmung.
"Das kann man nur entschleunigt, in diesem Tempo von drei bis fünf Kilometern pro Stunde. Das kann man nicht durch die Windschutzscheibe."
Wandern bei Hamburg
Pinneberg, bei Hamburg.
"Hab ich alle begrüßt?"
Am S-Bahnhof trifft sich eine Schar Naturfreunde, wandert durch den Stadtwald zum Rosengarten.
"Damit ich immer in Bewegung bleibe."
"Damit man nicht völlig einrostet."
"Weil ich gern an der frischen Luft bin. Ich bin noch berufstätig, ich sitze den ganzen Tag am Schreibtisch."
"Und ich liebe die Menschen, die Geselligkeit…"
"Acht, neun, zehn, elf, ja."
Rainer Naujox, 72, Vorsitzender der Naturfreunde Pinneberg, geht voran. In den letzten Monaten hat er ganz Deutschland durchwandert. Von Dänemark bis Österreich. Der Wander-Boom, beobachtet er, sei relativ.
"Wandern ist zwar im Moment wieder doch durchaus modern geworden. Aber wenn ich meine Deutschlandtour nehme, dann haben wir vielleicht 30, 40 Wanderer gesehen – und 300 bis 400 Fahrradfahrer."
Gründungsidee der "Naturfreunde": Zugang zu Wald, Flur, Seen
Die Gründungsidee der "Naturfreunde": Dass auch Arbeiterfamilien und überhaupt Nicht-Besitzende Zugang zu Wald, Flur und Seen haben sollen. Gegen den Widerstand der Privatbesitzer, die ihre Wiesen, Ufer und Jagdreviere für sich haben wollten. Im März 1895 inserierte der Wiener Sozialist, Freidenker und Lehrer Georg Schmiedl in der "Arbeiterzeitung":
"Naturfreunde werden zur Gründung einer touristischen Gruppe eingeladen, ihre Adresse unter 'Natur 2080'."
Bald gab es den ersten Ausflug in den Wiener Wald. Heute haben die "Naturfreunde" weltweit an die 500.000 Mitglieder. "Das hat sich stark erweitert. Und das muss auch so sein."
Wandern als Trend oder als politische Bewegung?
Wandern vor Bergkulisse (Picture Alliance / dpa / Angelika Warmuth )
War Herr Naujox immer schon öko?
"Nein, das kann man so nicht sagen. Ich komme aus der Wirtschaft."
Er habe immer enorm viel gearbeitet, und eher "technisch" gedacht, sagte er. Das Umweltbewusstsein sei bei ihm erst später gewachsen.
"Und der Georg Schmiedl hatte genau diesen Grundgedanken: Ich muss die arbeitende Bevölkerung, die ja unter unmenschlichen Bedingungen damals arbeitete – die haben ja zwölf, 16 Stunden gearbeitet, von den Kneipen, den Spieltischen, die ja dann da der Ausgleich waren, wegnehmen, um dann den Menschen die Natur zu zeigen, um mehr Zufriedenheit zu erlangen. Das war sein Grundgedanke."
"Also: Berg frei!"
"Tschüß!"
Zu Fuß ging früher nur, wer musste
Zu Fuß gehen, das tat im Mittelalter nur, wer musste – Bauern, Handwerker, Arme. Die feinen Kreise ließen sich tragen oder kutschieren. Wandelten allenfalls mal durch ihre Gärten. Ein paar Schritte.
"Wem Gott will rechte Gunst erweisen / Den schickt er in die weite Welt, / Dem will er seine Wunder weisen / In Berg und Wald und Strom und Feld."
Joseph von Eichendorff, 1822. Mit der Romantik wurde Wandern zum Freizeitvergnügen. Viele Wander- und Gebirgsvereine entstanden.
"Es war ein neuer Respekt, eine Aufwertung der Natur", sagt Schriftsteller Ulrich Grober. "Es war eine Aufwertung des einfachen Volkes. Die Leute, die es nicht nötig hatten, von ihrem Stand her, wie man damals sagte, die suchten den Kontakt mit den einfachen Leuten, mit den Geschichten der einfachen Leute – Brüder Grimm, Märchen. Das hat sie fasziniert. Das war eine Verjüngung der Kultur."
Auch der SGV, der Sauerländische Gebirgsverein, entstand Ende des 19. Jahrhunderts.
"Da wurden Clubs gebildet, die die Erkundung der Heimat sich zum Vorbild gemacht haben und die Erschließung der Regionen, der Gebiete, für die touristische Entwicklungen," sagt Geschäftsführer Christian Schmidt. Naturliebhaber – oder eher Wirtschaftsförderer?
"Das waren eher die Geschäftsleute. All das, was vor Ort Rang und Namen hatte – Oberstudienräte, Landräte, Kreisdirektoren und und und, die haben sich vor Ort in den SGV-Abteilungen getummelt."
Wandern als "Vorbereitung auf das Marschieren"
Schon damals war Wandern ein Event. Frühe Fotos zeigen es: "Da sind die Herrschaften noch mit Schlips und Krawatte und mit Anzügen gewandert und die Damen mit Röcken. Und das Ziel war, nach einer schönen Wanderung auch noch ein tolles Picknick oder eine schöne Einkehr. Das war ein gesellschaftliches Ereignis."
"Es kam absolut aus der bürgerlichen Jugend…"
Eine "Wandervogel"-Veteranin erinnert sich – in einer alten Radioaufnahme: "Erst mal fielen wir auf durch andere Kleidung, durch etwas anderes, freieres Benehmen, durch mehr Widerspruch. Man hatte eine eigene Meinung, die eigentlich damals in den Schulen noch nicht üblich war."
Jugendbewegung / Wandervogel. “Wandervögel stimmt die Saiten / lasst uns wacker vorwärtsschreiten (…) ". Bildpostkarte nach Aquarell von Paul Hey (1867–1952). Nr. 77 der Serie: Volksliederkarten von Paul Hey, Dresden (Verlag des Vereins für das Deutschtum im Ausland) o. J. |
Wandervögel als Postkartenmotiv, versehen mit den Versen: "Wandervögel stimmt die Saiten / lasst uns wacker vorwärtsschreiten / Lustig soll ein Lied erklingen / wer nicht zupft soll fröhlich singen." ( Aquarell: Paul Hey / Foto: akg-images / picture alliance)
Die Bewegung der Wandervögel gründete sich 1901 in Berlin-Steglitz als "Wandervogel-Ausschuss für Schülerfahrten e.V." Ein Rückgriff auf die Romantik, getrieben von dem Wunsch, das Gängelband der Eltern und Lehrer abzustreifen.
"Wir pfeifen auf Eure Moral, eure ästhetischen Begriffe, eure Ideale. Denn sie sind Lüge!"
Die Wandervögel waren Teil der Jugendbewegung zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Hurra-Patriotismus gewann bald die Oberhand. 1914 zogen sie begeistert in den Weltkrieg. Viele starben. Im Vorwort des "Zupfgeigenhansel", ihres Liederbuchs, hieß es 1915:
"Wir müssen immer deutscher werden. Wandern ist der deutscheste aller eingeborenen Triebe, ist unser Grundwesen, ist der Spiegel unseres Nationalcharakters überhaupt."
"Da war das Wandern eine Vorbereitung auf das Marschieren."
Wandern in der NS-Zeit: "Marschiere, braune Jugend"
Die "Bündische Jugend", Wandervogel-Nachfolge in der Weimarer Republik, deckte das ganze politische Spektrum ab: von monarchistisch bis anarchistisch. Die Mehrzahl gerierte sich zunehmend national und "völkisch".
Ab 1933 gab es nur noch die die HJ, die Hitlerjugend und den Bund Deutscher Mädel, BDM. "Reichswanderführer" Ferdinand Werner verfügte bereits im Juli 1933 den Ausschluss aller "Nichtarier und Marxisten" aus den Mitgliedsvereinen. Töne aus der Mainacht der HJ und des BDM 1933 im Harz:
"Marschiere, braune Jugend, marschiere durch die Nacht."
"Mann um Mann zieht vorüber, Reihe um Reihe, Kolonne um Kolonne in Schritt und Schritt. Stiefel um Stiefel tritt den Boden, ein harter Rhythmus. Gleichschritt, Gleichschritt, Gleichschritt."
"Zu uns herüber hallt der Schlag des Meißels, der das gewaltige Hakenkreuz vollendet."
"Und ihr Jungen im Tale wandert weiter mit fröhlichem Mut in Deutschlands Zukunft hinein."
"Wir haben das Wandern neu interpretiert"
"Wir haben verhalten angefangen 2003, haben dann das Wandern neu interpretiert, auch aus dieser eher verstaubten Ecke rausgeholt."
Michael Beckmann, Tourismuschef von Winterberg im Sauerland, lockt heute mit "Premiumwegen" und "Traumpfaden".
"Also, heute ist das Thema Familienwandern was völlig Neues. Da werden Erlebnisse im Wald kreiert, da gibt es Wandermobilar, das abgestellt ist auf Familien."
Wandermobiliar? "Ja, so Bänke oder so Türme, wo man auch draufgehen kann. Oder Dinge, die man in die Hand nehmen kann am Wanderweg."
"Das ist eine Sackgasse." Wanderpoet Ulrich Grober hält die "Eventisierung" des Wanderns für überholt. "Ich glaube, dass hier genau dieser Zeitgeist der 90er-Jahre eingefangen wurde: jede Lebensäußerung zum Geschäftsfeld zu machen, eine Wanderung zum Produkt und Wanderglück als eine Ware zu handeln."
Schriftsteller Ulrich Grober hält die "Eventisierung" des Wanderns für überholt.
Glaubt nicht an die "Eventisierung" des Wanderns - Schriftsteller Ulrich Grober (Deutschlandradio / Tom Schimmeck)
"Und dann sprach Bundespräsident Professor Heuss zur versammelten Jugend."
Als Bundespräsident Theodor Heuss 1952 in Kiel eine Jugendherberge einweihte, war die deutsche Wanderlust noch eher verhalten.
"Liebe junge Freunde, als ich so jung war wie Ihr, da hat es noch keine Jugendherbergen hier gegeben. Aber Schuhmacher, die hat es schon gegeben, die einem die Schuhe machten, mit denen man Deutschland erwandern konnte."
"Liebe Wanderfreunde aus dem In- und Ausland! Meine Damen und Herren!"
1962 eröffnete Bundespräsident Heinrich Lübke den 63. Wandertag in Osnabrück. Da kam das Wandern allmählich wieder in Schwung.
"Rund 10.000 waren erwartet worden. Mehr als 15.000 aber kamen."
"Von jeher ist Ihr Wirken der Stärkung eines lebendigen Heimatgefühles zugute gekommen."
Politisches Wandern mit Gandhi, Mao und Nazis
Oft in der Geschichte war die Wanderung eine politische Demonstration. Mahatma Gandhi lief 1930 auf seinem Salzmarsch bis zum Indischen Ozean. Mao Tse-tung und Getreue legten bei ihrem "Langen Marsch" 1934 Tausende Kilometer quer durch China zurück.
"Was man am Berg so macht: Man geht rauf. Ja, dann finden oben die Feierlichkeiten statt, und dann geht man wieder runter."
Ein Besucher am Kärntner Ulrichsberg, wo seit 1958 alle Jahre wieder dem "Abwehrkampf" gedacht wird.
"Wir gedenken immer dem Kärntner Abwehrkampf und freuen uns darüber, dass wir nicht an Slowenien angeschlossen wurden."
Den Ulrichsberg marschierten von jeher auch Neonazis und Ehemalige der Waffen-SS hinauf. Jörg Haider war am Ulrichsberg ein gern gesehener Gast. Österreich Rechtspopulisten zeigen sich oft als Sportskanonen, gern in Tracht.
"Es ist ein privater Ausflug des Staatsoberhaupts."
Doch auch Österreichs grüner Bundespräsident Alexander van der Bellen lässt sich gern beim Wandern filmen. Etwa beim Rundgang mit den Naturfreunden.
"Und dann ist es auch mal schön ganz normal hier im Wald zu gehen. Hat schon was."
"Wandern gemeinsam mit Sebastian Kurz. Es sind ganz viel Leute da."
Sebastian Kurz, bis vor kurzem österreichischer Bundeskanzler und Jungstar der Konservativen Volkspartei, setzte schon in seinem ersten Wahlkampf aufs Wandern. Am 7. Juli bittet er für den aktuellen Wahlkampf an eine Talstation in Tirol.
Karl Carstens, Deutschlands "Wanderpräsident"
"Und heute morgen nun begann Karl Carstens mit der Politik der großen Schritte, auf einem Parkplatz am Strande der Ostsee in der Gemeinde Howacht."
1979 wurde Karl Carstens deutscher Bundespräsident. Der schickte sich bald an, in 45 Tagesetappen die ganze Westrepublik zu durchmessen.
"In der Tat wollen wir hier heute Morgen die Wanderung beginnen, die wir antreten, um ganz Deutschland bis zu den Alpen zu durchwandern."
Der Bundespräsident (1979-1984), Professor Karl Carstens (M), und seine Frau Veronica (l, neben ihrem Mann) wandern in Begleitung von Journalisten durch die Bundesrepublik Deutschland. Im Vordergrund eine Gänseschar im ländlichen Gebiet von Ostholstein, der ersten Etappe der Wanderung. Undatierte Aufnahme. | Verwendung weltweit
Karl Carstens ließ sich auf seiner Deutschlandwanderung auch gern von Fotografen begleiten (Werner Baum / picture alliance)
Spätestens seit dem "Wanderpräsident" Carstens posieren auch in Deutschland Politiker aller Couleur in Wanderkluft. Das verströmt Bodenhaftung und Volksnähe, Heimatliebe, natürliche Gelassenheit und gute Gesundheit.
"Bürger waren heute morgen reichlich vertreten. Manche unter ihnen in dem Ereignis angemessener Trimm-dich-Garderobe, von der die Preisschilder wohl erst unlängst, sagen wir gestern, entfernt worden waren."
"Und jetzt alle mitmachen beim Trimmen!"
"Sich rüsten für die Apokalypse"
"Wenn man dann noch tiefer bohrt: Dieser Boom an den Outdoor-Bekleidungen – bis hin zu den Outdoor-Fahrzeugen, zu den SUVs. Dahinter steckt eine Angst vor dem Kollaps, meiner Meinung nach. Also man will sich rüsten für die Apokalypse."
"Kollege kommt gleich. Der ist grad unten."
In einem riesigen Outdoor-Geschäft in Hamburg-Barmbek wartet Verkäufer Benjamin vor einem Wandregal voller Wanderschuhe.
"Fangen wir meinetwegen mal mit so einem Multisport-, bzw. Light-Hiker an. Wasserdicht, tiefes Profil, Halbschuh…"
Ein sportlicher Typ, Anfang 40.
"Die nächste Ernsthaftigkeitsstufe wäre im Grunde so ein Stiefel fürs Mittelgebirge, dann schon etwas robuster."
Der Schutz bieten soll gegen Dreck, Nässe und das Umknicken.
"Wenn's dann ans richtige Bergwandern geht, wird das Ganze halt nochmal wieder ein etwas stabiler, das Profil tiefer, die Sohle steifer und der Schaft halt entsprechend auch fester."
Eine Person hat ihre Wanderschuhe ausgezogen, daneben steht eine Blechtasse
Ausrüstung ist alles, meinen manche. Entsprechend riesig ist der Markt für Wanderequipment. (AFP / Andrew Burton)
Dann gibt es noch den alpinen Stiefel, mit "steigeisenfester Sohle". Spielt Lifestyle eine Rolle?
"Im Kundenwunsch schon… Es ist nur immer schlecht für uns, das zu bedienen."
Die Bärenglocke ist mal wieder ausverkauft
Benjamin führt ins Riesenreich der Rucksäcke und Zelte. In endlosen Regalen warten Lampen, Dosen, Stöcke und 1000 weitere Wander-Utensilien.
"Das wäre eine mitteldicke Socke."
Welches ist das sinnloseste?
"Da muss ich gerade kurz scharf überlegen. Das Sinnloseste? Die Bärenglocke wäre es für mich jetzt eigentlich. Ich muss mal schauen, ob wir davon gerade eine haben, sie sind in der Regel gerne ausverkauft. Ja – dieser Haken wär's gewesen. Eine so etwa fünf Zentimeter große Glocke. Es bömmselt halt und soll Bären auf einen aufmerksam machen, damit sie rechtzeitig die Chance haben, flüchten zu gehen."