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Zypern
Hoffen auf eine Rückkehr nach Famagusta

Seit 40 Jahren ist Zypern in den türkischen Norden und den griechischen Süden getrennt. Nun gibt es erneut Verhandlungen über eine Wiedervereinigung. Griechische Zyprer hoffen, in ihrer alten Heimat Famagusta im Norden der Insel leben zu können. Aber die Gräben sind immer noch tief.

Von Thomas Bormann | 20.02.2014
    Der Stadtteil Varoscha galt einst als Perle Famagustas. Varosha schmiegt sich an den Mittelmeer-Strand; hier ragen jede Menge Luxushotels in den Himmel, alle Zimmer mit Meeresblick. Allerdings: diese Hotels und auch all die Appartement-Blocks daneben stehen seit 40 Jahren leer und verfallen. Damals marschierte die türkische Armee in Varosha ein; die griechisch-zyprischen Einwohner mussten ihre Häuser verlassen; neue Bewohner kamen nicht, denn die türkische Armee erklärte den Stadtteil Varosha zum Sperrgebiet.
    Alexis Galanos ist griechischer Zyprer aus Famagusta. Er steht im griechischen Teil Zyperns am Grenzzaun und blickt von dort aus auf seine Geburtsstadt mit der Hochhaus-Skyline von Varoscha:
    "Es sind nur noch Skelette. Die Stadt ist voller Schlangen; die Natur holt sich das Gebiet zurück. Wenn Du es aus der Ferne siehst, dann merkst du gar nicht, dass die Stadt leer ist. Sie sieht aus wie Miami, eine schöne Stadt mit hohen Häusern an der Küste, so richtig einladend."
    Aber eben unerreichbar. Alexis Galanos ist Exil-Bürgermeister von Famagusta. Auch 40 Jahre nach Flucht und Vertreibung aus ihrer Stadt halten die griechisch-zyprischen Bürger von Famagusta noch zusammen. Das Exil-Rathaus von Famagusta steht heute in der Stadt Limassol; der Fußballverein Anorthosis Famagusta hat sein Exil-Stadion in Larnaca gebaut; es gibt sogar eine Handelskammer Famagusta. "Wir haben fast alles", sagt Exil-Bürgermeister Galanos, alle Einrichtungen des sozialen Lebens in Famagusta funktionieren.
    "Was fehlt, ist die Stadt", beklagt der Bürgermeister. Immerhin - seit dem Jahr 2003 sind die Grenzen zwischen dem Norden und dem Süden offen. Jeder kann hinfahren: "Einige gehen zu ihrem Haus zurück, finden dort ein nettes türkisches Paar, das sie auf eine Limonade in ihr Haus einlädt."
    Alexis Galanos aber will nicht nur auf ein Glas Limonade in seine alte Heimat zurück, nein, er will dort wieder leben. Die jetzigen Bewohner Famagustas sollen auch bleiben, sagt er, schließlich haben in der mittelalterlichen Altstadt schon immer türkische Zyprer gewohnt. Rund um die Altstadt aber wäre genug Platz für die 40.000 griechischen Zyprer aus Famagusta, nicht nur im Stadtteil Varosha, der jetzt möglicherweise an die griechischen Zyprer zurückgegeben wird. Alexis Galanos hat mehr im Sinn, größeres:
    "Wissen Sie, wir wollen hier keinen Hokuspokus machen. Was wir aber machen können, ist: eine neue Stadt bauen, eine schöne, moderne Stadt; als Brücke zwischen Nord und Süd, wenn Sie so wollen."
    Was sagen die türkischen Zyprer in Famagusta zur Vision von Alexis Galanos, zu den Rückkehr-Plänen ihrer einstigen griechischen Nachbarn? Vor der Stadt-Apotheke in einer Altstadtgasse Famagustas sitzen zwei ältere Männer auf weißen Plastikstühlen:
    "Die umgesiedelten griechischen Zyprer? Wenn sie zurückkommen sollten ... na, dann sind sie willkommen. Hauptsache, es kommt zu einer Lösung, und zwar zu einer bleibenden Lösung! Es soll wieder Frieden herrschen!"
    Sein Nachbar denkt an den Krieg von 1974 und schüttelt den Kopf:
    "Also nein, das geht nicht, das ist unmöglich. In meiner Familie wurden acht Menschen getötet. Das sind meine Feinde, immer meine Feinde. In ihren Schulen lehren sie das auch ihren Kindern; dass wir Feinde sind. Nein, das geht nicht mehr."
    Die Wunden von früher wollen nicht verheilen. Aber der griechische Exil-Bürgermeister Alexis Galanos gibt seine Hoffnung nicht auf:
    "Famagusta war ein schönes Mädchen, dass plötzlich in den Schlaf fiel, und immer noch schläft. Es wartet darauf, wachgeküsst zu werden."