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Zypries hält Sicherheitsgesetze für ausreichend

Elke Durak: Ist dieses Land, ist Deutschland genug gerüstet, um sich vor terroristischen Überfällen zu schützen, also im Vorfeld bereits, bevor etwas passiert ist? Der Streit um hinreichende Sicherheitsstandards innerhalb und neben dem geplanten Zuwanderungsgesetz hat vor allem auch juristische Aspekte und darum soll es jetzt gehen im Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries von der SPD, guten Morgen.

Moderation: Elke Durak |
    Brigitte Zypries: Guten Morgen, Frau Durak.

    Durak: Frau Zypries, Rechtsstaat kontra Freiheit - auf diese einfache Alternative bringen ja viele Menschen das Problem und sie möchten eben nicht auf ihre Sicherheit verzichten, Madrid vor Augen und auch die Gewissheit, dass Deutschland keine einsame Insel ist. Was ist daran so falsch?

    Zypries: Na ja, sicherlich ist erst einmal nicht falsch, dass die Sicherheit ein wichtiges Gut ist und dass wir Sicherheit für alle Menschen wollen, weil Sicherheit und Freiheit schon in einem Verhältnis zueinander hängen. Wiederum ist es so, dass die Freiheit ja die Freiheit der Bürger gegenüber dem Staat ist, während die Sicherheit nach unserer Vorstellung ja überwiegend vom Staat garantiert wird und es deshalb auch um staatliche Eingriffe in Bürgerrechte geht, wenn Sie beispielsweise an die Kontrollen denken, wenn Sie an die Möglichkeit von Abhörmaßnahmen denken, wenn Sie an die Möglichkeit von Inhaftierung denken. Und ich denke, dass wir sehen müssen, dass wir diese Balance halten in unserem staatlichen System, in unserem Rechtsstaat und deshalb auch die rechtsstaatlichen Grundsätze annehmen, um Eingriffe in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger zu legitimieren.
    Durak: Nun ist es aber so eine Sache, wir haben die Anschläge in Madrid, wir haben andere Anschläge und wir wissen, dass die Terroristen nicht ruhig sind. Weshalb sollen also nicht Verdächtige, die bei uns leben, die sozusagen noch nichts verbrochen haben, aber doch verdächtig sind, El Kaida-Camps etc., weshalb sollen die nicht vorsorglich sozusagen aus dem Verkehr gezogen werden? Das wollen viele Menschen, sie wollen eben nicht, dass diese Menschen dann aktiv werden.

    Zypries: Wir sind ja damit beschäftigt, diese Menschen zu überwachen und zu verhindern, dass sie irgendetwas tun. Das ist uns ja auch schon gelungen, wir haben ja Anschläge, die in Deutschland geplant worden sind, verhindern können. Wenn Sie an den geplanten Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt denken, das konnten wir ja verhindern. Wir konnten die Täter festnehmen, wir konnten sie vor Gericht stellen. Das ist das Verfahren, wie es gut und richtig ist. Und dafür sollten wir arbeiten, dass wir das in allen Fällen durchsetzen. Sehen Sie, es ist ja immer sehr leicht möglich, dass dann irgendjemand behauptet, da ist jemand, der macht irgendetwas und dann entstehen solche Grauzonen und solche Verfolgungen und solche Denunziationen, die durch nichts belegbar sind und wenn man dann immer davon ausgeht, dass die Menschen in Haft kommen können, womöglich auf unbestimmte Zeit, dann sind wir doch in einer Weise in einem totalitären Staat, wo staatliches Handeln nicht mehr rechtsstaatlich kontrolliert werden kann und Menschen eingesperrt werden ohne hinreichenden Anlass, was wir nicht belegen können.

    Durak: Wenn also bekannt ist, also keine Denunziation, sondern durch Geheimdienste oder sonstwelche vernünftigen Behörden sozusagen herausgefunden wurde, dass jemand in einem El Kaida-Camp war, aber noch nichts gemacht hat, wieso kann man den nicht ausweisen?

    Zypries: Das kann man ja, das kann man nach geltendem Recht.

    Durak: Wird es auch getan?

    Zypries: Ja, selbstverständlich. Solche Sachen sind überhaupt keine Probleme. Wenn Sie Tatsachen haben, die Sie belegen können, dass derjenige ein Problem ist für die öffentliche Sicherheit in Deutschland, dann können Sie die Menschen ausweisen und den Aufenthalt beendigen.

    Durak: Ist es ein Verstoß gegen unsere Gesetze, in einem solchen Camp gewesen zu sein?

    Zypries: Na ja, das kommt jetzt darauf an, was da gemacht wurde und ich meine, das geht auch erst einmal nicht nach unserem Recht, sondern die Tatsache der Teilnahme hat mit unserem Recht jetzt erst einmal nicht zu tun, sondern hier geht es darum, dass wir aus der Teilnahme den Schluss ziehen, dass dieser Mensch eine Gefahr darstellt in Deutschland. Das ist der Punkt. Das ist ein polizeilicher Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr und nicht so sehr einer der Strafverfolgung. Das ist der Unterschied, also man verhindert, dass da eine Straftat eintritt, indem man schon im Vorfeld eine Gefahr abwendet.

    Durak: Bundesinnenminister Schily sagt, das Ausweisungsrecht habe sich in der Praxis nicht als hilfreich erwiesen. Entspricht nun das Recht nicht den Realitäten oder ist die Ausweisungspraxis nicht genügend?

    Zypries: Na ja, wir haben da ein bisschen Probleme, weil wir zwei verschiedene Titel haben im Ausländerrecht, also es gibt einmal die Ausweisung und die Folge der Ausweisung ist dann die Abschiebung. Und es ist der Tat so, dass wir oft Ausweisungsverfügungen haben, die ergangen sind, die dann aber nicht umgesetzt werden können in Form einer Abschiebung. Und das ist das, glaube ich, was Sie meinen mit diesem Schily-Zitat, weshalb er ja auch jetzt die Möglichkeit sucht, die Abschiebung zu erleichtern von Menschen, die hier mutmaßlich terroristische Taten begehen könnten.

    Durak: Nun hat der grüne Koalitionspartner in Gestalt von Herrn Volker Beck jetzt gesagt, viel Vorschläge, die von der Union kommen, die Herr Beckstein vorgebracht hat, auch die Herr Schily vorgebracht hat, nämlich die angestrebte Sicherungshaft für Ausländer, die nicht abgeschoben werden können, wieder eine weitere Gruppe, sei grundsätzlich gerechtfertigt. Ist das ein neuer Zungenschlag zwischen Rot-Grün?

    Zypries: Nein, ich glaube, was da geplant ist, das muss man noch einmal sehr sorgfältig überprüfen. Wir haben ja eine Abschiebehaft jetzt bereits nach geltendem Recht, das geht, und die Vorstellung ist ja, dass man auch künftig dann die Menschen, die man nicht abschieben kann, auf richterliche Anordnung hin in Haft nimmt. Wir müssen dann nur sicherstellen, dass wir dann auch überlegen, wo sind die Rechte dieser Menschen, das heißt, wir können sie nicht unbegrenzt in Haft nehmen. Wir müssen da bestimmte Fristen einziehen und wir müssen uns dann auch überlegen, wie wir sie denn dann endgültig abschieben, denn der Grund, weshalb sie nicht sofort gehen können, ist ja der, dass es so genannte Abschiebehindernisse gibt. Das heißt dann, den drohen Folter oder Todesstrafe in ihrem Land oder man weiß gar nicht, aus welchem Land sie überhaupt kommen oder sie sind Staatenlose und dann weiß man gar nicht, wohin mit diesen Menschen. Und dafür muss ja eine Lösung gefunden werden, weil es wiederum, so meine ich wenigstens, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist, wenn man sagt, ich kann dich zwar nicht abschieben, aber dafür setze ich dich hier jetzt unbeschränkt in Haft. So etwas ist nach unserem System nicht möglich. Aber da wird man Fristen finden, da habe ich keine Zweifel.

    Durak: Dann kann es aber jetzt für den Normalbürger so aussehen, also, da ist jemand verdächtig, er müsste eigentlich abgeschoben werden, das kann er aber nicht, weil er in seinem eigenen Land von Folter bedroht wird, also bleibt er hier und kommt irgendwann bei uns zum Zuge mit einem Anschlag. Das wird niemand verstehen.

    Zypries: Ja, die Frage, ob er bei uns zum Zuge kommt mit einem Anschlag ist dann die nächste, aber grundsätzlich ist das so, ja. Wir haben ein Problem, die Menschen dahin zu schicken, wo ihnen Todesstrafe oder Folter droht, auch zum Beispiel, wenn wir Menschen an die USA ausliefern, lassen wir uns jedes Mal schriftlich geben, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird oder verhängt wird. Also, das ist schon so, dass die europäischen Staaten sich den europäischen Menschenrechtskonventionen sehr verpflichtet fühlen.

    Durak: Frau Zypries, der bayerische Innenminister Herr Beckstein sieht eine große Terrorgefahr in Deutschland. Er schätzt sie wesentlich höher ein als die Bundesregierung. Er sagt sogar, Zitat aus der "Welt" heute: "Wir haben Hinweise des Bundeskriminalamtes, dass ein Anschlag in Deutschland wahrscheinlicher ist als dies offiziell dargestellt wird". Sollte es nicht zu einem Zuwanderungsgesetz kommen oder sich die Verhandlungen hinziehen, dann müssen die Sicherheitsaspekte vorab geregelt werden. Wird da das Justizministerium unter Druck gesetzt?

    Zypries: Nein, also durch solche Äußerungen werden wir gar nicht unter Druck gesetzt und im Grunde kann man Herrn Beckstein auch nur empfehlen, mit dieser Hysterie aufzuhören. Also, er ist ja praktisch täglich mit irgendwelchen Horrormeldungen in den Zeitungen auf der einen Seite und behauptet so etwas wie das, was Sie eben zitierten. Auf der anderen Seite ist es so, dass in Bayern weniger Polizeibeamte eingestellt werden und dass Bayern verhindert hat, dass ein gemeinsames Analysezentrum beim Bundesamt für Verfassungsschutz eingerichtet wird, was speziell diese El Kaida-Aktivitäten diskutieren sollte und auch haben unter anderem Bayern die zentrale Koordination der Terrorabwehr beim Bund verhindert. Also, das beides passt irgendwie nicht zusammen und deswegen kann man da eigentlich nur sagen, ich würde Herrn Beckstein dringend empfehlen, sich konstruktiv an der Bekämpfung zu beteiligen und nicht durch solche Äußerungen hier eine Hysterie zu schüren, für die es keinen Anlass gibt.

    Durak: Das heißt, wir müssen unsere Sicherheitsgesetze, die also unsere Sicherheit betreffen, vor allen Dingen gegen terroristische Anschläge und ähnliches, nicht erweitern oder vertiefen oder präzisieren? Sie reichen aus?

    Zypries: Also, im Grundsatz reichen sie aus, ja. Wir haben ja nach dem elften September zwei Sicherheitspakete verabschiedet, wo wir detaillierte Regelungen gemacht haben zu allem möglichen, also Kompetenzstärkungen beim Verfassungsschutz, Ausweitungen von Kompetenzen beim Bundesnachrichtendienst und beim MAD, wir haben Flugsicherheitsbegleiter des Bundesgrenzschutzes in die Flugzeuge gebracht. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, biometrische Merkmale in Ausweisdokumente aufzunehmen. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, die Vereine zu verbieten, was Herr Schily ja auch gemacht hat. Wir haben das BKA erweitert. Also, da gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Maßnahmen, die gemacht wurden und im Grundsatz ist Deutschland gut aufgestellt, das muss man schon so sagen. Aber, und das war immer auch die Position der Bundesregierung, wenn wir denn einzelne Punkte finde, wo wir sagen, da ist noch was zu tun, dann werden wir es tun. Und solch einen Punkt hat Herr Schily jetzt genannt mit der Möglichkeit, Ausländer, wo man Tatsachen hat und dass man davon ausgehen kann, es geht von ihnen eine terroristische Gefahr aus, dass man die schneller abschieben kann. Und das, finde ich, sollten wir jetzt auch diskutieren und sollten sehen, dass wir diese Lücke, so wir sie denn gemeinsam so identifizieren, dann auch schließen. Das muss natürlich unter den erforderlichen rechtsstaatlichen Grundsätzen gehen, die habe ich vorhin genannt, also da darf nicht jemand auf Dauer eingesperrt werden und ähnliches mehr, also das wird man aber regeln können, denke ich.

    Durak: Ein ganz kurzes Wort noch zu Hamas. Sie wird in Deutschland nicht als terroristische Gruppe eingestuft, das heißt, strafrechtliche Ermittlungen wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ist nicht möglich. Ist das so richtig?

    Zypries: Na ja, das ist ein schwieriges Problem, was Sie da ansprechen. Wir haben die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen, auch im Zusammenhang mit diesen Sicherheitspaketen, von denen ich eben sprach, dass wir eben auch Vereinigungen im Ausland überprüfen können, gegen sie ermitteln können. Das betrifft beispielsweise solche Fälle, wenn Deutsche im Ausland von Terroristen als Geiseln genommen werden, dann kann auch von Deutschland da ja schon ermittelt werden. Das geht unter der Voraussetzung, dass das Ministerium dann da zustimmt und wir machen von diesen Möglichkeiten auch Gebrauch. Der Generalbundesanwalt hat schon in verschiedenen Fällen ermittelt, also grundsätzlich ist das möglich.

    Durak: Und bei Hamas speziell?

    Zypries: Bei Hamas speziell haben wir im Moment keine Veranlassung, prüfen das aber nach wie vor.

    Durak: Danke schön. Das war Brigitte Zypries, SPD, die Bundesjustizministerin. Schönen Dank, Frau Zypries, für das Gespräch.

    Zypries: Ja, bitte.