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50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen
"Unsere Beziehungen nehmen die Vergangenheit in Kauf"

Vor 50 Jahren hat er gegen den Antrittsbesuch des ersten deutschen Botschafters in Israel demonstriert. Heute ist Reuven Rivlin Israels Staatspräsident und kommt nach Deutschland, um 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen zu würdigen. Er nannte seinen Besuch vorab bereits historisch.

Von Christian Wagner |
    Reuven Rivlin lacht.
    Reuven Rivlin wird drei Tage lang Berlin besuchen. Er ist seit 2014 Nachfolger von Schimon Peres und somit der zehnte Staatspräsident Israels. (AFP/GALI TIBBON)
    Mit Plakaten und Sprechchören protestieren aufgebrachte Israelis gegen den Antrittsbesuch des ersten deutschen Botschafters, Rolf Pauls. Pauls war Offizier der Wehrmacht in der Zeit des Nationalsozialismus. Gegen den Botschafter hatte auch der Student Reuven Rivlin demonstriert. Und jetzt, 50 Jahre später, ist Rivlin Israels Staatspräsident und spricht mit Blick auf sein Amt und die Demonstration damals von einer "Laune des Schicksals". Im Interview für das gemeinsame Morgenmagazin von ARD und ZDF sagte Rivlin in Jerusalem, es sei keineswegs selbstverständlich gewesen, dass sich die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland so gut entwickeln würden. Ein Punkt ist ihm heute besonders wichtig:
    "Die Beziehungen heute, nach 50 Jahren, zwischen Deutschland und Israel sind keine Entschädigung für den Holocaust. Der Holocaust wird immer ein Trauma bleiben, für die Deutschen und natürlich noch mehr für die Juden. Unsere Beziehungen nehmen die Vergangenheit in Kauf, ziehen die Lehren daraus und richten gleichzeitig den Blick in die Zukunft."
    Das soll auch das Programm des Besuchs zum Ausdruck bringen, den der israelische Staatspräsident selbst schon vorab "historisch" nennt. Rivlin will in Berlin das Mahnmal "Gleis 17" am Bahnhof Grunewald besuchen; dort wird an die Deportation der Berliner Juden in die Vernichtungslager erinnert. Rivlin hat aber auch einen Termin beim deutsch-israelischen Zukunftsforum, um sich Fragen zu stellen. Er wirbt für mehr Offenheit.
    "Es ist gut, Fragen zu stellen. Denn manchmal, wenn man nicht fragt, versteckt man Gedanken oder Gefühle. Fragen sind wichtig aber man muss auch die Antworten hören. Wir müssen die Fragen hören und ihr müsst die Antworten hören."
    Im Interview für das Morgenmagazin baut Rivlin vor, auch für die Fragen nach dem Nahostkonflikt. Da sei Israel bei der Suche nach einem Ausgleich mit den Palästinensern eben anderer Meinung:
    "Wir sehen auch die Pflicht Israels, sich jederzeit verteidigen zu können und somit auch unser Verhältnis mit den Palästinensern zu regeln. Wir sind nicht im Krieg mit dem Islam. Wir sind nicht im Krieg mit den Palästinensern. Obwohl die Mehrheit auf der palästinensischen Seite Israels Existenzrecht nicht anerkennt, sieht man oft in Deutschland die Sachen anders als wir."
    50 Jahre deutsch-israelischer Beziehungen
    Gefeiert werden 50 Jahre deutsch-israelischer Beziehungen offiziell am Dienstagabend mit einem Konzert der Berliner Philharmoniker. Am Tag darauf macht Rivlin einen Abstecher nach Kiel, um dort mit Studenten zu diskutieren. In Kiel werden auch weitere U-Boote für die israelische Marine gebaut - ein Rüstungsgeschäft, das die Bundesregierung mitfinanziert und absichert. Es wird vor allem deshalb kritisiert, weil die U-Boote in Israel vermutlich für den Einsatz von Atomwaffen nachgerüstet werden.
    Die militärische Zusammenarbeit dürfte ein Thema sein, wenn Rivlin Außenminister Steinmeier und Kanzlerin Merkel trifft genauso wie die Bitte um deutsche Unterstützung für Israel bei der EU in Brüssel. Außerdem: Das geplante Atomabkommen mit dem Iran, Israels Regierung warnt eindringlich davor.
    Israels Staatspräsident wird also längst nicht nur Festreden halten, sondern politisches Tagesgeschäft erledigen. Seinen Protest gegen die diplomatischen Beziehungen von damals hat Reuven Rivlin weit hinter sich gelassen.
    "Das Verständnis der Deutschen, dass sie sich mit dem Holocaust nicht weniger als die Juden auseinandersetzen müsse, hat dazu beigetragen, dass das jüdische Volk in Israel akzeptiert hat, dass die Deutschen wirklich die Lehre ziehen möchten: "Never again", nie wieder, nicht nur dem jüdischen Volk gegenüber, sondern ein "nie wieder", dass das deutsche Volk nie wieder so weit kommt. Das hat dazu geführt, dass es eine echte Partnerschaft zwischen beiden Völkern gibt."