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"54 Prozent des Bundeshaushaltes" gehen für Soziales drauf

Schwarz-Gelb werden die geplanten Einschnitte bei den Schwachen der Gesellschaft vorgeworfen. Deutschland, regiert von einer sozial kalten Koalition? Nein, meint Christine Ostermann.

10.06.2010
    Tobias Armbrüster: Auf das Sparpaket der Bundesregierung prasselt zurzeit Kritik von allen Seiten. Sozialpolitiker aus CDU und Opposition monieren vor allem, dass gerade bei den Leistungen für Arbeitslose und für Familien gespart werden soll, aber auch viele Wirtschaftsverbände wollen das Paket so nicht hinnehmen. Sie kritisieren die erhöhten Abgaben etwa für Fluggesellschaften, für energieintensive Unternehmen und für Atomkraftwerke. – Meine Kollegin Sandra Schulz hat dazu gestern Abend mit Marie-Christine Ostermann gesprochen - sie ist die Bundesvorsitzende des Verbandes "Die jungen Unternehmer" – und sie hat Frau Ostermann gefragt, ob die Wirtschaft nicht auch ihren Beitrag zu leisten hat, wenn es ums Sparen geht.

    Marie-Christine Ostermann: Ich finde, die Wirtschaft leistet ihren Beitrag dadurch, dass wir mehr Arbeitsplätze schaffen. Mehr Arbeitsplätze bedeuten auch mehr Steuereinnahmen und mehr Sozialversicherungsbeiträge und dadurch leisten wir unseren Beitrag, um den Haushalt zu sanieren, und hier brauchen wir noch bessere Bedingungen.

    Sandra Schulz: Aber wenn man jetzt konkret auf das Sparpaket schaut, dann sind die konkreten Streichvorschläge, die betreffen alle die Hartz-IV-Empfänger, und die Dinge, die noch so ein bisschen in der Waage sind, so ein bisschen im Ungewissen, die betreffen alle die Wirtschaft. Vermissen Sie da nicht auch die soziale Balance?

    Ostermann: Nein, die vermisse ich gar nicht, denn man muss ja auch sehen, dass 54 Prozent des Bundeshaushaltes für Soziales draufgehen. Das ist einfach ein ganz, ganz großer Betrag und deswegen kommen wir gar nicht drum herum, auch hier einzusparen. Es geht nicht anders.

    Schulz: Also dann teilen Sie kurz gesagt die Einschätzung, dass die Hartz-IV-Empfänger bisher über ihre oder unsere Verhältnisse leben?

    Ostermann: Insgesamt finde ich, dass die Hartz-IV-Empfänger nicht über ihre Verhältnisse leben, sondern einen guten Satz bekommen von Deutschland, um recht gut leben zu können. Aber insgesamt leben wir halt in Deutschland über unsere Verhältnisse, und hier müssen wir, finde ich, vor allen Dingen ansetzen an unseren sozialen Sicherungssystemen, denn die sind einfach nicht nachhaltig aufgebaut. Allein 80 Milliarden Euro gehen in die Rentenversicherung, das ist nicht nachhaltig und deswegen brauchen wir hier bei den Sozialversicherungssystemen dringend strukturelle Reformen, zum Beispiel die Abschaffung der Rentengarantien.

    Schulz: Aber wenn wir noch mal bei der Frage der sozialen Balance bleiben – es wird ja jetzt auch die Forderung lauter nach Steuererhöhungen. Was spricht denn dagegen?, dass wenn man bei den Ärmsten streicht, dass man auch von den Besserverdienenden Zugeständnisse erwartet?

    Ostermann: Gegen Steuererhöhungen spricht auf jeden Fall, dass wir bei uns in Deutschland beim Staat ein Ausgabenproblem haben und nicht ein Einnahmenproblem und dass unsere Politiker erst mal ihre Ausgaben in den Griff bekommen müssen. Außerdem, wenn sie die Steuern erhöhen, werden sie auch die Konjunktur weiter abwürgen und Arbeitsplätze vernichten und somit auch Steuergelder und Sozialversicherungsbeiträge weniger bekommen, und das wäre einfach ein Teufelskreis. Da müssen sie gegenwirken.

    Schulz: Aber warum wird die Konjunktur dadurch abgewürgt, dass diejenigen, die besser verdienen, ihr Geld eben nicht aufs Sparkonto legen, was sie im Moment tun, sondern an den Fiskus zahlen?

    Ostermann: Gut, aus unternehmerischer Sicht kann ich nur sagen, dass wir mehr Anreize brauchen, um noch viel mehr Leute zu motivieren, auch ein Unternehmen zu führen. Viele junge Menschen sind eher abgeschreckt davon, sich selbstständig zu machen, und höhere Steuern sind natürlich auch höhere Lasten, die mehr Schwierigkeiten bedeuten. Hier müssen wir einfach mehr Anreize schaffen, dass wir wirklich sichere und gute Arbeitsplätze schaffen mit Sozialversicherungsbeiträgen, und da wären Steuererhöhungen einfach Gift für die Wirtschaft.

    Schulz: Aber unter der schwarz-gelben Regierung unter Helmut Kohl war der Spitzensteuersatz ja schon einmal bei mehr als 50 Prozent. Warum soll das denn ausgerechnet jetzt, ausgerechnet in diesen Krisenzeiten, Tabu sein?

    Ostermann: Die Steuern waren damals einfach schon viel zu hoch und auch jetzt ist es so, dass wir eine Anzahl Unternehmer haben unter dem EU-Durchschnitt, und da müssen wir dringend gegenwirken. Es sind nur ungefähr zehn Prozent der Erwerbstätigen, die selbstständig sind. Wir müssen einfach mehr Arbeitsplätze schaffen, vor allen Dingen eben, damit wir mehr Sozialversicherungsbeiträge bekommen, denn wir haben immer weniger Erwerbstätige, aber immer mehr Empfänger von Transferleistungen, und das ist eine Lücke, die klafft auseinander, die ist nicht nachhaltig.

    Schulz: Das heißt, die CDU-Politiker, die die Forderung nach Steuererhöhungen stellen – das ist ja unter anderem auch der Wirtschaftsrat und dessen Vorsitzender Kurt Lauk -, die haben dann von Wirtschaft einfach keine Ahnung?

    Ostermann: Sie betrachten hier die wirtschaftlichen Aspekte wirklich zu wenig. Man muss das Ganze viel, viel ganzheitlicher betrachten, finde ich. Wir müssen vor allen Dingen wirklich daran denken, dass wir mehr Arbeitsplätze schaffen können und müssen, und dafür brauchen wir einfach gute Bedingungen für die Wirtschaft, und deswegen: keine Steuererhöhungen. Auf der anderen Seite könnten wir aber noch viel, viel mehr einsparen, indem wir massiv viel mehr Subventionen kürzen. Die werden ja hier in dem Sparprogramm nicht besonders viel berücksichtigt, ein bisschen, aber nicht genug, und hier müssten wir massiv mehr Subventionen abschaffen, denn die verzerren sowieso nur den Wettbewerb.

    Schulz: Welche Subventionen konkret schweben Ihnen da vor?

    Ostermann: Zum Beispiel Bergbau, aber auch bei der Solarenergie. Das verteuert ja auch die Produkte, es belastet auch wieder die Verbraucher, und somit kurbeln wir nicht genug unsere Binnennachfrage auch an. Wenn wir diese ganzen Subventionen abschaffen würden, dann würden wir auch viel mehr Effizienz schaffen, die Staatshaushalte wären entlastet und auch die Verbraucher wären entlastet, und das wäre ein Schritt in die richtige Richtung für mehr Wachstum.

    Schulz: Ist das Sparpaket, so wie es jetzt vorliegt, so wie es jetzt geplant ist, aus Sicht der jungen Unternehmer denn unterm Strich ein Beitrag für mehr Generationengerechtigkeit?

    Ostermann: Für mehr Generationengerechtigkeit ist es nur ein Beitrag, weil wir insgesamt jetzt endlich mal anfangen zu sparen, und wenn wir sparen, bedeutet das natürlich auch, dass die jüngeren Generationen später weniger Schulden zurückbezahlen müssen. Aber ich bin sehr enttäuscht, dass die Rentengarantie weiter bestehen bleibt. Die müsste dringend abgeschafft werden und die Rente mit 67 müsste auch dringend vorgezogen und sofort eingeführt werden, damit unsere Sozialsysteme entlastet werden und auch die jüngere Generation die zukünftigen Lasten tragen kann.

    Armbrüster: Marie-Christine Ostermann, die Bundesvorsitzende des Verbandes "Die jungen Unternehmer", zum Sparpaket.