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Abgas-Skandal
100.000 deutsche VW-Kunden wollen klagen

Über zwei Millionen Autobesitzer sind in Deutschland von der VW Abgas-Affäre betroffen. Im Gegensatz zu Kunden in den USA gab es für sie bisher keine Entschädigung. Das könnte sich ändern, denn eine deutsche Anwaltskanzlei vertritt allein 100.000 VW-Kunden, die die Erstattung des Kaufpreises einklagen wollen. Für VW könnte das teuer werden.

Von Gerhard Schröder |
    Ein Auspuff eines Volkswagen auf einem Mitarbeiterparkplatz, aufgenommen am 11.05.2016 mit dem Verwaltungshochhaus vom VW Werk in Wolfsburg (Niedersachsen).
    Selbst wenn nur fünf Prozent der Betroffenen Autobesitzer in Deutschland gegen VW klagen, könnte die Zahlung von zweistelligen Milliardenbeträgen auf den Autokonzern zukommen. (dpa)
    Hartmut Bäumer hat eine eindrucksvolle Karriere hinter sich. Er war Arbeitsrichter in Offenbach, Regierungspräsident in Gießen, und Leiter des baden-württembergischen Verkehrsministeriums. Den größten Coup hat er aber vielleicht noch vor sich. Hartmut Bäumer will den VW-Konzern verklagen, wegen des Dieselabgasskandals:
    "Weil das nicht sein kann, das Käufer betrogen werden, und zwar bewusst betrogen, nicht fahrlässig. Die wussten ja, was sie tun. Und dass man dann in den USA sagt, da gibt es andere Voraussetzungen, hier werden die Leute entschädigt, und hier schauen die Leute in die Röhre."
    "Millionen Kunden werden betrogen und die VW-Spitze kassiert riesige Boni"
    Bäumer fährt einen Audi A4 Avant Diesel. Baujahr 2008. Ein Fahrzeug, von dem der gelernte Jurist annahm, dass es wenig Sprit verbraucht und wenig Schadstoffe in die Luft bläst. Inzwischen weiß er, dass das nicht stimmt:
    "Das hat mir inzwischen sogar das Bundesverkehrsministerium bestätigt, in einem Brief, wo drinsteht, ja, sie haben eine unzulässige Abschaltvorrichtung, diesen Brief habe ich vor zwei Monaten bekommen."
    Heißt im Klartext: Die Abgasreinigung funktioniert nur im Labor, wenn das Auto geprüft wird. Im Alltagsbetrieb auf der Straße dagegen werden die Schadstoffe ungefiltert in die Luft geblasen. Ein Skandal, findet der 68-Jährige, der einst für die Grünen im bayerischen Landtag saß:
    "Wenn ich mir das anschaue, dass hier Millionen Kunden betrogen werden, und die VW-Spitze riesige Boni kassiert, dann geht einem noch die Galle über."
    Klagen auf Fahrzeugrückgabe und Kaufpreiserstattung
    Audi selbst wiegelt ab. Eine beanstandete Funktion müsse korrigiert werden, erfuhr Bäumer in einem Schreiben aus Ingolstadt vor zehn Monaten. Keine große Sache, die in der Werkstatt rasch behoben werden könne. Zitat:
    Bei Fahrzeugen mit einer 2,0 Liter Motorleistung ist lediglich eine Umprogrammierung des Motorsteuerungsgerätes erforderlich. Die Arbeiten dauern etwa eine halbe Stunde.
    Geschehen ist seitdem nichts. Bäumer hakte nach, wollte wissen, wann sein Auto repariert wird, setzte dem Autokonzern Fristen. Alles ohne Erfolg:
    "Zuerst habe ich mich nur veralbert gefühlt. So wimmelst Du Leute ab. Aber da habe ich gesagt: Ne, mit mir nicht."
    Erste Klagen ab Anfang Januar 2017
    Jetzt will Bäumer klagen. Und zwar auf Rückgabe des Fahrzeugs und Erstattung des Kaufpreises. Der Grund: VW hat die Abgasreinigung manipuliert, deshalb ist die Typengenehmigung für das Fahrzeug erloschen, sagt Bäumers Anwalt Christopher Rother. Er ist Managing Partner der amerikanischen Kanzlei Hausfeld, die im US-Verfahren gegen VW eine tragende Rolle gespielt hat:
    "Er hat ein Fahrzeug gekauft, das nie hätte in Verkehr gebracht werden dürfen. Und was vielleicht noch schlimmer ist: Die Kunden sind jahrelang mit Fahrzeugen gefahren, die nie auf öffentlichen Straßen hätten gefahren werden dürfen."
    In Deutschland sind über zwei Millionen Autobesitzer betroffen, in Europa rund acht Millionen. Sie alle sind mit Fahrzeugen unterwegs, die niemals hätten verkauft werden dürfen. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Rechtsprofessor Remo Klinger in einem Gutachten, das dem Deutschlandradio vorliegt. Sie alle müssen entschädigt werden, sagt Anwalt Rother. Für VW könnte das teuer werden, selbst wenn nur fünf Prozent der Betroffenen klagen:
    "Dann wären das ungefähr 400.000 Fahrzeuge. Und dann sprechen wir über Beträge, die ungefähr in der Größenordnung wie in der USA liegen, das heißt einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag."
    Rother vertritt allein 100.000 VW-Kunden. Die ersten Klagen will er Anfang Januar einreichen.