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Tag der jüdischen Kultur
"Selbstverständlicher machen, dass Juden Teil unseres Alltags sind"

Jüdische Kultur zeige sich nicht durch Synagogen oder Mikwen, sondern auch im Theater, in der Literatur oder in der Musik, sagte Mirjam Wenzel, die Leiterin des jüdischen Museums in Frankfurt im Dlf. Es sei wichtig, diese Präsenz im Alltag sichtbarer zu machen.

Mirjam Wenzel im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Vor dem Friedrichstadt-Palast weht 2019 anlässlich des 100-jährigen Bühnenjubiläums eine Flagge mit dem Davidstern und der Aufschrift "Jüdische Wurzeln seit 1919" in englischer und deutscher Sprache. Das Theater hat damit seine jüdischen Gründerväter M. Reinhardt und E. Charell geehrt.
2019 feierte der Friedrichstadt-Palast anlässlich des 100-jährigen Bühnenjubiläums auch die jüdische Kultur. (picture alliance/dpa/Jens Kalaene)
Etwa 225.000 jüdische Bürger leben in Deutschland, etwa 95.000 gehören zu jüdischen Gemeinden – damit lebt in Deutschland die drittgrößte jüdische Community Europas. Und diese sei seit den 90er-Jahren durch Migration gewachsen, berichtet die Leiterin des jüdischen Museums in Frankfurt, Mirjam Wenzel im Deutschlandfunk. Auf der anderen Seite lebe man mit der Zunahme von Hass und Übergriffen. Das verunsichere und erzeuge Angst. "Es gibt auch einfach einen Diskurs, ob man hier weiter leben kann", sagt Wenzel.
Jüdische Kultur sei im deutschen Alltag vielfältig sichtbar. Einerseits gebe es natürlich Synagogen oder Mikwen. Wichtig sei aber auch weniger stark institutionalisierte Kultur. Verlage, die sich dezidiert jüdischer Kultur widmen, Konzerte und Theater, in denen jüdische Stücke selbstverständlicher Teil des Programms sind. "Es muss darum gehen, wieder sichtbar zu machen, selbstverständlicher zu machen, dass Jüdinnen und Juden wieder Teil unseres gesellschaftlichen Alltags sind."
Kurze Phase deutsch-jüdischer Kultur
Das Judentum habe die europäische Kultur maßgeblich geprägt. Und es gebe eben auch eine spezifisch deutsch-jüdische Kultur, die 1784 mit der Übersetzung der Bibel durch Moses Mendelssohns begonnen habe und 1933 dann durch die Machtübernahme der Nationalisozialisten abrupt beendet wurde. In diesem kurzen Zeitraum sei allerdings viel passiert. Jüdinnen und Juden hätten Kultur und Wissenschaft maßgeblich geprägt, doch diese Form der deutsch-jüdischen Kultur gebe es heute so nicht mehr.
Aber selbstverständlich gebe es heute jüdisches Leben in Deutschland. Und die Selbstverständlichkeit solle man hierbei auch in den Vordergrund rücken. Kein "Othering" betreiben, keine Merkmale zuschreiben. Doch das sei durch die Geschichte der Shoa erheblich erschwert. Das Bewusstsein dafür erzeuge bei Nichtjuden alle möglichen Formen der Gefühle und Projektionen wie Schuld und die Abwehr derselben. "Damit sind wir immer in einem Feld, in dem es schon Zuschreibungen, Projektionen gibt, und in dem man eigentlich belastet miteinander agiert."
Eingang zum Anne-Frank-Zentrum in Berlin-Mitte
Anne Frank Tag - Wie sich Schüler für Antisemitismus sensibilisieren lassen
Seit 2017 initiiert das Anne-Frank-Zentrum in Berlin den "Aktionstag gegen Antisemitismus und Rassismus an Schulen". Vor allem über Empathie und Identifikation mit Anne Frank soll bei Schülern die Bereitschaft geweckt werden, in ihrem Alltag gegen Judenhass einzutreten.
Es sei wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Gebiet des heutigen Deutschland schon seit bald 1700 Jahren von Jüdinnen und Juden bewohnt wird. Erste Spuren seien aus dem Jahr 312 dokumentiert, also zu einer Zeit bevor es die Idee von einem Deutschland überhaupt gab. "Sie waren immer Teil der verschiedensten Gruppierungen und Bevölkerungsgruppierungen, die hier gelebt haben, die ihre Traditionen gepflegt haben, die Teil der Geschichte eben dieses mitteleuropäischen Territoriums sind."