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Ägyptisches Museum in Turin
Phönix aus der Asche

Im italienischen Turin wurde das ägyptische Museum für 50 Millionen Euro umgebaut und Anfang April neu eröffnet. Seine 1824 begründete Sammlung gilt als die bedeutendste außerhalb von Kairo. Dank des Bühnenbildners Dante Ferretti und privater Bankstiftungen ist das Museum mit einem modernen Konzept wie Phönix aus der Asche gestiegen.

Von Thomas Migge |
    Menschen im ägyptischen Museum in Turin.
    Nach drei Jahren Umbau und Renovierung wurde das ägyptische Museum in Turin wiedereröffnet. (picture alliance / dpa - Alessandro Di Marco)
    Staunen und bilden. Dem sollen die Augen übergehen und er soll fasziniert, ergriffen durch die Säle und Korridore schreiten, eintauchend in die Geheimnisse des alten Ägypten, und dabei mit Hilfe von Tafeln, Bildschirmen und einer App multimedial etwas über das Reich der Pharaonen lernen. Nicht ohne Grund zog man bei der Totalsanierung und Neuordnung des, nach Kairo, weltweit zweitwichtigsten ägyptischen Museums einen drei Mal mit dem Oscar ausgezeichneten Szenenbildner zur Hilfe. Das neue "Museo Egizio" in Turin ist sicherlich eines der Hauptwerke von Hollywoodstar Dante Ferretti:
    "Das ist jetzt ein ganz anderes Museum als vorher. Jetzt endlich aber werden die schönsten Stücke dieses Museums so gezeigt wie sie es verdienen, und es wird endlich deutlich, warum dieses Museum direkt auf Kairo folgt."
    Viel Glas und raffinierte Ausleuchtung
    Dante Ferretti verbannte die alten Holzglasschränke, in denen die Kunstwerke bisher gezeigt wurden. Er nutzte viel Glas, eine raffinierte Ausleuchtung, eine totale Neuordnung der Räume, um nicht nur alles ins richtige Licht zu rücken, sondern auch Blickfänger zu schaffen, an denen auch der unbedarfte Besucher nicht vorbeisehen kann.
    Das ägyptische Museum von Turin arbeitet dadurch nun eigentlich nach den gleichen Marketingstrategien wie ein großer Supermarkt: wie beim intelligenten Produktplacement werden bestimmte Gegenstände - Mumien, Urnen, Skulpturen oder altägyptisches Spielzeug - deutlich hervorgehen, in extra großen Glasboxen und mit bühnenreifer Ausleuchtung. Die Quengelware gibt es im großzügigen Museumsshop.
    Aber man wolle nicht nur überwältigen, erklärt Evelina Christillin, Präsidentin der Museumsstiftung, sondern habe auch einen wissenschaftlichen und bildungspolitischen Anspruch:
    "Wir haben die Ausstellungsfläche verdoppelt. Von weniger als 5.000 auf über 10.000 Quadratmeter. Sämtliche Objekterklärungen sind auch in englischer Sprache und können gratis als App aufs Handy geladen werden. Hinzu kommt, dass die prächtigen Objekte von allen Seiten gesehen werden können und nicht mehr in Schränken, die an Wänden stehen."
    Modernes Ausstellungskonzept für Italien neu
    Man hat also das gemacht - in fünf Jahren und mit etwa 50 Millionen Euro aus öffentlichen und Sponsorenkassen - was in modernen kulturgeschichtlichen Museen in Nordeuropa inzwischen an der Tagesordnung ist - etwa im Musée du Quai Branly in Paris. Für Italien aber ist ein solches modernes Ausstellungskonzept, wie jetzt im ägyptischen Museum in Turin ist, neu. Neu, weil entweder die Finanzmittel für eine Neugestaltung solcher Museen fehlen, aber auch weil Museumsdirektoren oftmals eher konservativ sind und einen Showstil wie im ägyptischen Museum in Turin ablehnen.
    Das Beispiel soll Schule machen - oder hat es schon: In Turin, wo man seit Jahren gezielt in Kultur investiert, als Zukunftsinvestition trotz hoher Staatsverschuldung und knapper städtischer Kassen, ist man davon überzeugt, dass die Neugestaltung bereits bestehender Museen mehr Besucher anzieht. Im Fall der königlichen Museen, zu denen Schlösser, Pinakotheken, Waffensammlungen etc. gehören und die in den vergangenen Jahren mit viel Geld totalrestauriert und neu geordnet wurden, funktioniert das: Turin wird, neueste Zahlen belegen das, bei kunstinteressierten Italienbesuchern immer beliebter. Die norditalienische Stadt, die der Italo-Massentourismus gen Süden bisher eher links liegen ließ, erfreut sich immer größerer Beliebtheit.
    Das neue ägyptische Museum erhöht den städtischen Attraktivitätsfaktor noch einmal. Museumsdirektor Christian Greco:
    "1824 erhielt der Italiener Ippolito Rosellini den ersten Lehrstuhl für Ägyptologie. Rosellini leitete Grabungen am Nil. Grabungsstücke aus dieser Zeit und die immense Sammlung des Piemontesen Bernardino Drovetti, der französischer Konsul in Ägypten war und eine riesige Sammlung zusammentrug, die vom piemontesischen König aufgekauft wurde, machen den Grundstock unseres Museums aus, dass übrigens das älteste seiner Art weltweit ist."
    Und in dem, jetzt ungemein szenografisch, wahre Schätze ausgestellt werden - von denen bisher nicht wenige, aus Platzmangel, in Magazinen untergebracht waren. Darunter das intakte Grabmal von Kha und Merit aus dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend. Der komplett nach Turin transportierte Felsentempel aus der Zeit von Pharao Tutmosis III. Oder das erstaunlich gut erhaltene Papyrus der Goldminen. Dann Monumentalskulpturen und einige der schönsten Mumienbehälter, viele davon vergoldet und reich geschmückt. Schätze, die nun endlich einen würdigen Rahmen gefunden haben.