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Air Berlin
Erst verspätet, dann fehlt auch noch der Koffer

Air Berlin kommt aus den Negativ-Schlagzeilen nicht heraus. Doch auf manchen Strecken sind ihre Tickets deutlich billiger als die der Konkurrenz. Darum sind sie auch weiter ausgebucht, häufig bis auf den letzten Sitzplatz. Doch genau darin liegt ein Teil des Problems - auch für die Airline.

Von Heike Braun | 26.07.2017
    Air-Berlin Propellermaschine "Dash"
    Air Berlin setzt oft solche Propellermaschinen ein - wenn die voll besetzt sind, werden sie schnell zu schwer. Das Gepäck muss dann wieder ausgeladen werden. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    "Herzlich willkommen am Flughafen Düsseldorf. Unser Flugzeug parkt auf einer Außenposition."
    Eine Außenposition heißt für die Fluggäste, dass sie mit dem Bus zur Ankunftshalle mit den Gepäckbändern gebracht werden. "Also die Außenposition ist ja wohl unser kleinstes Problem. Ich habe eben gesehen, die haben jede Menge Gepäck wieder ausgeladen", sagt Mirana Buroni, eine junge Mutter, die mit Mann und Kind in Wuppertal lebt.
    Ihr-Air-Berlin-Flug von Florenz kommend ist auf dem Düsseldorfer Flughafen gelandet. Die Ferienzeit in Deutschland ist in vollem Gange. Viele Fluggäste, die hier gerade am Internationalen Flughafen der NRW-Landeshauptstadt angekommen sind, haben ihren lang ersehnten Jahresurlaub hinter sich. Eigentlich sollte man meinen, gute Laune und Ausgeglichenheit seien ihre Flugbegleiter.
    Stattdessen gibt es Überlegungen, ob und wie man Air Berlin jetzt verklagen sollte. Denn der Flug kam mit mehr als drei Stunden Verspätung in Düsseldorf an. "Was man im Endeffekt machen kann, weiß ich nicht. Das ist eine Fluggesellschaft, ich bin eine einzelne Person. Was kann ich da schon groß ausrichten?"
    "Nie wieder Air Berlin!"
    Während die einen noch überlegen, wie sie eine Entschädigung für ihre Flugverspätung bekommen können, haben andere längst bemerkt, dass tatsächlich ein Großteil des Gepäcks nicht mitgeliefert worden ist. Bernd Müller ist Vielflieger, aber auch er ist an diesem Abend fassungslos. "Wir haben gerade erfahren: Die Maschine war zu schwer. Die konnten in Florenz nicht starten, weil sie zu schwer war. Wie kann das denn passieren?"
    Die Air Berlin setzt kleine Propellermaschinen für die Strecke von Florenz nach Düsseldorf ein. Maschinen der sogenannten Bombardier-Serie. Auf die Anfrage, ob es nicht besser wäre, ein größeres Flugzeug für die Strecke einzusetzen, damit das Gepäck immer mit an Bord genommen werden kann, teilt die Airline mit in einer schriftlichen Stellungnahme mit: "Dieses Modell ist für die entsprechende Strecke hervorragend geeignet und erfüllt alle EU-Sicherheitsstandards."
    Die Bombardier fliegt leise und kann große Strecken zurücklegen. Wenn sie aber voll besetzt ist und der Wind ungünstig steht, ist sie schnell zu schwer. Auf Flügen von Florenz nach Düsseldorf ist es in den letzten Wochen vorgekommen, dass bei der Ankunft in jeder Reisegruppe mindestens ein Koffer fehlte. Solche Fluggäste wären lieber mit einem Modell geflogen, das nicht nur sie selbst, sondern auch ihr Gepäck mitgenommen hätte. "Wenn die mir gesagt hätten, die Maschine ist voll, dann hätte ich auch umgebucht. Das kann ja wohl nicht wahr sein! Nie wieder Air Berlin."
    "Der Wind in Florenz sei schuld"
    Auf offizielle Nachfrage nach den Gründen für die Gepäckpanne teilt die Airline schriftlich mit: "Das Fluggewicht wurde auf Basis der Wetterlage neu berechnet, Übergepäck ausgeladen und nachgesendet. Natürlich bedauern wir die entstandenen Unannehmlichkeiten im Hinblick auf das Gepäck."
    Die Fluggäste, die an diesem Abend in Düsseldorf gelandet sind, bleiben auf sich alleine gestellt. Nach über drei Stunden Verspätung stehen sie am Gepäckband und schauen verwundert, als dieses nach nur wenigen ausgelieferten Gepäckstücken wieder anhält. Keine Durchsage, niemand von Air Berlin, der den Fluggästen jetzt Hilfestellung gibt.
    Nach und nach finden sich alle am Schalter für verlorene Gepäckstücke ein und machen ihrem Unmut Luft. Fluggast Bernd Müller: "Der Flugkapitän hat gesagt, dass sie seit heute Morgen die Verspätungen mitschleppen. Er sagt, der Wind in Florenz sei schuld. Beim letzten Flug waren es dann über drei Stunden. Dass sie unser Gepäck wieder ausgeladen haben, hat er aber nicht erwähnt."
    Andere Fluglinien setzen größere Flugzeuge ein
    Auch Fluglinien wie zum Beispiel die Lufthansa, KLM, Alitalia oder British Airways haben regelmäßig Probleme mit den Sommerwinden in Florenz. Verspätungen von rund einer Stunde können auch hier vorkommen. Doch diese Gesellschaften setzen größere Maschinen ein. Gepäck bleibt meist nur unabsichtlich zurück. Wenn eine Fluggesellschaft wie Air Berlin große Mengen Gepäck gezielt wieder auslädt, um überhaupt abheben zu dürfen, sind unzufriedene Passagiere vorprogrammiert.
    Das zumindest glaubt Flugrechtsexperte Cord Schellenberg. "Grundsätzlich ist es das Ziel einer Fluggesellschaft, 100 Prozent der Sitze, die an Bord sind zu verkaufen. Bei kleinen Flugzeugen, auf längeren Strecken innerhalb Europas, spielt das Gewicht auf speziellen Flughäfen eine deutliche Rolle. Darum ist es schlauer, entweder das Gepäck zu begrenzen oder die Zahl der Passagiere. Wenn man das frühzeitig weiß, weil Flughäfen im Sommer immer Limitierungen haben, dann beschränkt man einfach die Zahl der Sitze, die im Reservierungssystem gebucht werden können, damit das Flugzeug leichter ist."
    Schaut man in die sozialen Netzwerke, fällt auf: Das Gepäckproblem von Air Berlin ist nicht auf Florenzflüge beschränkt, sondern passiert auch auf innerdeutschen Flügen. Prominentester Fall: Showmaster Frank Elstner vermisste kürzlich sein Gepäck nach einem Flug von Karlsruhe nach Berlin.
    Den wirtschaftlichen Schaden, der für Air Berlin durch nicht mitgeliefertes Gepäck entsteht, schätzt der Flugrechtsexperte so ein: "Eine Fluggesellschaft in Europa verdient unter zehn Euro pro befördertem Passagier. Das heißt: Alles, was die Airline zusätzlich ausgeben muss, weil beispielsweise Passagiere nicht mitgenommen werden können oder weil Gepäck stehen bleibt, das geht von diesen zehn Euro ab. Das heißt, man ist ganz schnell im Minus."